Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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"lung" genannt wird, was bedeuten soll: "das Wesen, das sich durch<br />
Intelligenz auszeichnet". Aber auch der Schlangenstab, der Caducaeus<br />
der Kabiren, des Merkur oder Aeskulap, des Moses (4Mos 21,8) oder<br />
Thot, verweist auf die gleiche Bedeutung, auf die Klugkeit und Weisheit,<br />
die auch der neutestamentliche Jesus der Schlange bescheinigte.<br />
„Seid klug wie die Schlangen“ (Mt 10,16).<br />
<strong>Der</strong> negative Namensgebrauch ist auch hier nicht der ursprüngliche,<br />
aber in den Metamorphosen des Ovid (7,120 f) steht die Drachenzahnaussaat<br />
des Kadmos als Inbegriff für die Aussaat der Zwietracht. <strong>Der</strong><br />
Akzent liegt auch in diesem Mythologem nicht ausschließlich auf der<br />
Bedeutung der Zwiespältigkeit. Die Drachenabkunft begründet die autochthone<br />
Herkunft der Spartaner, d.h. sie erklärt, wieso Menschen, die<br />
immer von einem Vater und einer Mutter abstammen, d.h. von zwei<br />
Wesen verschiedener Abstammung, denselben Ursprung haben (Drache→<br />
Ursprung) und wie Pflanzen gleichsam aus dem Boden hervorwachsen,<br />
was sie anders ohne fortgesetzten Inzest nicht könnten. Weil<br />
aber dieser Aussaat des Volkes ein Gewaltakt, ein Tod, vorausging,<br />
haftet ihr auch der zwiespältige Charakter an, der ihr zugrundelag. Von<br />
den sich gegenseitig ermordenden Σπαρτοι blieben nur fünf als Gefolgsleute<br />
und als Krieger des Kadmos übrig. Obwohl Kadmos einen<br />
Drachen, der seine Gefolgsleute fraß, getötet hatte, berichtet die Heroenlegende<br />
von der Verwandlung des Kadmos und seiner Gattin Harmonia<br />
in Schlangen, nachdem sie Theben verlassen und die Regentschaft<br />
an ihren Sohn Polydoros abgegeben hatten, um sie, die Gründer<br />
eines neuen Geschlechtes und einer Dynastie, als chthonische Gottheiten<br />
oder göttliche Ahnen (Rückkehr in den Ursprung) auszuweisen. So<br />
wurde von Kadmos nicht der Drache schlechthin getötet, sondern nur<br />
jener, der die Ahnen eines anderen, feindlich eingestellten Geschlechtes<br />
repräsentierte, das nun von der Dynastie des Kadmos abgelöst<br />
wurde.<br />
Neben der religiösen Bedeutung erkennen einige in diesem Mythos<br />
auch den Bericht von Stammeskämpfen, von dem Wechsel der Filiationsregel<br />
als rechtlicher Zuschreibungsform und der damit verbundenen<br />
lokalen Besitzrechte. <strong>Der</strong> Eroberer und Sieger über die Autochthonen<br />
wird später, und zwar mit der Zeitdauer, in der sein Übernahmeanspruch<br />
die Geltung behaupten kann, selbst ein Autochthoner.<br />
Es wird sich zeigen, daß nur eine Kulturepoche den Drachen ausschließlich<br />
negativ zeichnet, seine chthonischen Attribute durchweg<br />
diabolisiert, nämlich die christliche Epoche Europas, welche den Hel-