Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Verzicht auf seine Früchte. Er steht für die sexuelle Liebe und seine<br />
Früchte für die sexuelle Fortpflanzung, mit deren Genuß automatisch<br />
das Dasein von Adam und Eva endlich wird, ihre Sterblichkeit einsetzt,<br />
denn Fortpflanzung ist nur für die Sterblichen ein Mittel das Leben zu<br />
verlängern, mit deren Genuß Adam und Eva also selbst zu etwas werden,<br />
vor dem man sich in Zukunft hüten muß.<br />
<strong>Der</strong> Situationshintergrund des Geschehens führt zu der Frage: Wenn<br />
von allem in diesem Garten überreichlich vorhanden ist, warum sollen<br />
die Wächter darüberhinaus das begehren, was sie beschützen sollen?<br />
Und derselbe Situationshintergrund leitet auch zur Antwort: Weil das<br />
Motiv nicht durch das Paradies selbst begründet werden kann, denn in<br />
dem sind Adam und Eva schon; hier partizipieren sie schon an allem,<br />
was dieses Paradies bieten kann, sie können es nur voll und ganz verlieren,<br />
d.h. aus ihm vertrieben werden, und dieser Ausschluß aus dem<br />
Paradies kann nur durch ihr eigenes Verhalten, durch ihr Nein zu den<br />
Regeln begründet werden. Also führt die Geschichte den Versucher<br />
ein, eine Kraft, die zwar ihren Sitz außerhalb jenes Gartens Eden hat,<br />
aber sich dennoch in ihn einzuschleichen weiß, und dort zu verweilen<br />
vermag, solange sie sich an die Regeln hält. <strong>Der</strong> Mythos nennt sie eine<br />
listige Schlange, welche das selbstsüchtige Verlangen von Adam und<br />
Eva nach der verbotenen Frucht, nach jener Kraft verkörpert, die auch<br />
sie selbst geschaffen hat. Die Versuchung suggeriert: sie könnten durch<br />
den Genuß der Frucht mehr sein als sie sind, nämlich so sein wie Gott,<br />
oder genealogisch: die Kinder könnten durch den Genuß der verbotenen<br />
Frucht ihr eigener Vater werden.<br />
<strong>Der</strong> erste Sündenfall, den der biblische Bericht hier voraussetzt, der<br />
Fall Lucifers oder Samaels, entspricht den ägyptischen, mesopotamischen<br />
und griechischen Mythen vom Kampf der Lichtgötter gegen die<br />
Brut der Finsternis, das Wasser, die Unterirdischen etc., gegen Apepi,<br />
Tiamat oder Typhon; er begründet also die duale Ordnung des Kosmos<br />
als seinem mit sich selbst geführten Streit zwischen seinem Geist und<br />
seiner Mannigfaltigkeit an Möglichkeiten des Willens oder Eigensinns.<br />
Mit diesem Ereignis, des Abfalls des Eigenwillens vom Geiste, wird<br />
die Existenz des Versuchers erklärt, der selbstsüchtige Wille, der das<br />
selbstlose Einssein mit dem Paradies zu dieser seiner anderen Möglichkeit<br />
verführen muß. Mit der Zusammenführung des Verstandes und<br />
des Begehrens, mit der Verbindung von Adam und Eva, erscheint die<br />
Möglichkeit der Wahl zwischen der Orientierung des Wollens an der<br />
Vernunft oder an dem Genuß. Das Sich-auf-sich-beziehen, das im<br />
Willen rein erscheint, liefert erst die Bedingung der Möglichkeit für