Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Motiv dar, wenn man die funktionale Äquivalenz des Wals mit den<br />
Drachen oder der Riesenschlange im Auge behält.<br />
Diese Ungeheuer können aber auch anthropomorphe Züge haben, als<br />
rasende und blindwütige, ihre Kinder fressende große Mütter (alteuropäische<br />
und altorientalische Muttergottheiten) oder Väter (Uranos, Johac<br />
etc.) erscheinen.<br />
Die Bedeutung der Hauptfiguren und ihre Attribute führen zu weiterreichenden<br />
Fragen, von denen wir einige schon mit der Erwähnung der<br />
kabirischen Gruppierung angedeutet haben. Aber auch die ganz allgemeinen<br />
Fragen der Mythologie stellen sich hier angesichts der Deutung.<br />
Reflektiert das Götterdrama kosmologisch-naturmythische Ereignisse,<br />
wenn vom Anspruch des Meeres auf die Herrschaft über die<br />
Erde die Rede ist? Reflektiert es kosmologisch-astralmythische Vorkommnisse,<br />
wenn die Planeten und der Himmel neu geschaffen werden?<br />
Wird die Androhung des Weltuntergangs und die Rettung davor<br />
als Strafe für unsittliches Verhalten dargestellt? Dienen kosmologische<br />
Tatsachen als Gleichnis einer an sich moralisch begriffenen Weltordnung<br />
(Kausalität aus Freiheit und Ernte der eigenen Saat) oder ist der<br />
Kosmos selbst sogar der Schmuck oder Glanz eines moralischen oder<br />
ethischen Prinzips (Samsara, Karma)? Spiegeln die Hierarchien und<br />
Relationen der Wesen die Struktur der Gesellschaft wieder, ihre Verwandtschafts-,<br />
Kasten- oder Ständegliederung? Projizieren sie nur ein<br />
innerseelisches Geschehen, persönliche Reifeprozesse?<br />
Um die Motive der dramatis personae richtig zu verstehen, wird man<br />
unbedingt auch auf die Sozialstrukturen der Erzähler dieser Mythen<br />
achten müssen, welche sich häufig in den Motiven der handelnden<br />
Wesen im Mythos spiegeln; denn das mythische Geschehen, das mit<br />
ihnen verbunden wird, ist meistens auch eine Bewertung seiner sozialen<br />
Beziehungen und Haltungen durch das Volk, das den Mythos erzählt.<br />
Es wird daher nicht überraschen, wenn man feststellt, daß die<br />
Verwandtschaftsrelationen der Mythen den Werten der Verwandtschaftsrelationen<br />
entsprechen, in denen die Völker leben, die sie erzählen.<br />
Die Kennzeichnung des Drachen als Mitbewerber um die<br />
Braut, als Bruder, Mutterbruder oder Vater des Helden, als gute oder<br />
böse Mutter, -Schwiegermutter, als feindlicher Nachbar, unterstreicht<br />
die besseren und schlechteren sozialen Bindungen des Helden zu den<br />
alternativen Linien seiner unilinearen und affinalen Verwandtschaft.<br />
Einige Beispiele für genealogische Relationen, in denen die Akteure<br />
des Drachkampfgeschehens erscheinen, seien hier in schematischer<br />
Kürze angedeutet (siehe die folgenden Schemata).<br />
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