Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
48<br />
Machtmißbrauchs, der ohne Rücksicht auf die Folgen das ausführt,<br />
was er ohne Widerstand zu fürchten, vollstrecken zu können vermeint<br />
und die Seele in ihr eigenes Verderben treibt.<br />
Aber auch die Anknüpfung des Ringfluches an die "Otter-Hecht-Episode"<br />
der Edda liefert seine Begründung. Die germanischen Volkslieder<br />
erklären, daß die Episode "Otter und Hecht" zu einem Mythologem<br />
gehört, das das Würfeln oder Losen um die Seele behandelt. In einem<br />
farörischen Lied heißt es:<br />
Würfelt der Ries und der Bauersmann,<br />
verlor der Bauer, der Riese gewann.<br />
Gewonnen hab ich im Wettstreit hier,<br />
nun begehr ich den Sohn von dir.<br />
Nun begehr ich den Sohn von dir,<br />
es sei denn, daß du ihn birgst vor mir. 15<br />
Odin versteckt ihn als Korn in der Ähre und der Riese mäht das Feld,<br />
aber das Korn fällt beiseite. Hönir versteckt ihn als Flaum am Schwanenhals<br />
und der Riese reißt ihm den Hals ab, aber der Flaum entschwebt<br />
ihm. Loki versteckt ihn als Roggenkorn (Sohn, Ring) im Bauche<br />
des Fisches und der Riese fängt ihn, aber Loki tötet ihn dabei.<br />
Das ist der wirkliche Grund des Fluches, der auf dem Ring lastet, das<br />
gebrochene Versprechen (Metathese des Ringsymbols), der Vertrauensbruch<br />
der Götter, der Hreidmars seltsame Lösegeldforderung erklärt,<br />
denn ein versehentlicher Totschlag hätte Hreidmar nicht so aufgebracht<br />
und nur die normale Höhe des Wergeldes gekostet. Die erste<br />
List des Loki verlangte schon die nächste, den Raub des Andwari-<br />
Schatzes, der deshalb, d.h. als Diebesgut, von Anfang an verflucht war.<br />
Ein Mord brachte den Schatz also in die Hände der Götter, der ihren<br />
Diebstahl erst ermöglichte. Auf diese Weise wurde also die Kraft und<br />
die Macht, die der Ring darstellt, in sein Gegenteil verkehrt, <strong>Der</strong><br />
Schatz wurde zum Diebesgut, das der Räuber verstecken muß, um es<br />
genießen oder behalten zu können. Und die Verstocktheit, mit der sich<br />
Mörder und Räuber weigern, ihr Unrecht wieder gut zu machen, lastet<br />
als Fluch auf dem Schatz, verhext jeden, der ihn berührt. <strong>Der</strong> Mythos<br />
zeichnet die unverholene Goldgier der Götter, d.h. ihre dunkle Seite<br />
also sehr deutlich.<br />
Dieses Bild der Verbergung durch die Verwandlung, um der Verfolgung<br />
zu entgehen, gestaltete auch die keltische Mythologie, um Ta-<br />
15 Rosa Warrens, Germanische Volkslieder der Vorzeit III, Hamburg 1866, S.183-194