Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

zweite Bruder helfen, weil er als Zwilling dem Helden in allem gleicht,
d.h. selber ein Held ist, der sich aber vor der Gefahr, in der sein Bruder
umkam, zu hüten wußte, denn er war durch das rostende Messer im
Baum vorgewarnt. Das rostende Messer weist auf die Wissenschaften
der Metallvölker hin, d.h. auf Erfahrungen oder Kenntnisse, die eine
Auflösung der Patrilinien, aus denen die Helden stammen, in die Matrilinien
der Hüter ihrer errungenen Schätze zu verhindern wissen. Es
steht aber auch für eine Weisheit, welche die Omina zu deuten versteht.
Am Ende werden mit dem Zwillingshelden der verwunschene Wald
(das Totenreich, der Winter, die bedrängten Verwandten etc.) und alle
Verhexten und Versteinerten erlöst und die Zwillingsgruppierung der
Helden (Wille und Weisheit) wiederhergestellt, so daß die Geschichte
zu der Stelle zurückführen kann, an der sie ihren Ausgang genommen
hat und so den Kreislauf des Geschehens unterstreicht, indem sie seine
ewige Wiederkehr voraussetzt.
Neben den kabirischen Motiven schimmert noch ein älteres Merkmal
der ältesten Zwillingsmythen durch, die Unterscheidung der Zwillinge
nach ihrer Geschicklichkeit; das dioskurische Schema erweist sich als
Sonderfall der uralten Zwillingskonstruktion der Mythologien der
dualen Ordnung. In diesen alten Zwillingsmythen erscheint stets einer
als weise und der andere als tatkräftig aber dumm oder dümmer.
Deutlich unterscheiden sich zwei Handlungsebenen, in denen das Geschehen
abläuft: Leben und Tod, Frühling und Winter, Wachsen und
Absterben, Reifung und Vollendung, neue und alte Filiationsrechnung
der Völker und Götter etc.
In beiden Abschnitten wird eine Herausforderung und ihre Beantwortung,
wenn auch verschieden, gestaltet.
Der Frühlingskreis bedient sich einer bekannten orientalischen Version
des Drachenkampfes, Widersacher und Drache sind männlich gezeichnet,
etwa in der Funktion, die der Eber gegenüber Attis oder Seth
gegenüber Osiris und Horus einnimmt. Die schwedische Version des
Zwei-Brüder-Märchens zeichnet die Helden als Kinder einer Mutter,
die von einem Apfel schwanger wurde, genauso wie die phrygische
Nana von einer Mandel schwanger den Attis gebar. Die patrilineare
Legitimation der Helden wird also auch hier deutlich infrage gestellt.
Dieser erste Geschehenskreis des Märchens zeichnet also Geburt, Tod
und Wiedergeburt des Helden und stellt die Ursache des Todes als gewaltsame
Tötung und hinterhältige Nachstellung heraus. Der zweite
Geschehenskreis stellt den Tod dagegen als Unterweltsaufenthalt, als
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