Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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So wird das Leben nur in seinen unterweltlichen und weltlichen Aufenthaltsorten,<br />
in der Geburts- und Todesperiode unterschieden; denn<br />
genauso wie Samen und Frucht dasselbe sind, aber in der Zeit differenziert,<br />
so sind das Kind und der Gatte der großen Göttin dasselbe,<br />
nämlich die göttlichen Geliebten, die das Herz der Mutter erfreuen<br />
oder mit Trauer erfüllen.<br />
<strong>Der</strong> Ring ist deshalb auch das Symbol der eigentlichen Kraft und<br />
Macht, denn nur das Weibliche kann aus sich selbst heraus etwas<br />
Neues, das Leben und die Schöpfung, hervorbringen, so daß die Substanz,<br />
die Spinoza als causa suis begriffen hat, in der Mythologie<br />
immer die Große Mutter ist, was auch die alten Hebräer mit ihrem Begriff<br />
der Schechina wußten oder die voraristotelische Weisheit, die das<br />
griechische Wort als das "All des Seienden", das sich selbst<br />
hervorbringt, begriff, als : Götter, Sterbliche und<br />
alles andere.<br />
Simrock 14 und nach ihm andere haben behauptet, daß in der germanischen<br />
Sage die Begründung für den Fluch des Ringes fehlt, eine Feststellung,<br />
die nur oberflächlich richtig ist.<br />
Schon die Beschreibung des Ringes selbst wäre eine ausreichende Begründung.<br />
Er ist aus dem "roten Gold", d.h. aus Metall geschmiedet,<br />
und näher bestimmt: aus Kupfer. <strong>Der</strong> Fluch, der über der Macht und<br />
Kraft liegt, die der Ring versinnbildlicht, wird schon durch seinen<br />
Stoff begründet. Weil er aus Metall ist, ist auch seine Kraft und Macht<br />
von seinem Geiste. Den Germanen der Heldenzeit war das selbstverständlich.<br />
Die Worte Erz, Metall, Schmied, schmieden, Meißel, Stange<br />
etc. bringen den Ring und das Wissen und die Kunst der Kupfer- und<br />
Eisenverarbeitung, d.h. den Ring und das Schmiedehandwerk direkt<br />
zusammen. Hammer und Meißel, Axt und Schwert, Spaten und Pflug,<br />
Ring und Kette stehen für eine neue Zeit. <strong>Der</strong> Mythos unterstreicht das<br />
durch die Rolle, die er immer wieder dem Schmied zuweist. Man kann<br />
aber auch in der Reihenfolge, in der der Ring seinen Besitzer wechselt,<br />
einen kulturgeschichtlichen Hinweis auf die Bedeutung der Schmiede<br />
entdecken: Zwerge, Götter, Riesen und Menschen. <strong>Der</strong> Ring des Andwari,<br />
des Zwergen, ist schon das geschmiedete Metall, mit dessen<br />
Möglichkeiten die Nachtseiten des Menschlichen entfesselt werden,<br />
der Egoismus, die Begierde, das Interesse etc. Er ist damit auch schon<br />
der Ausdruck eines seelischen Verhängnisses, einer Versuchung der<br />
titanischen Selbstüberhebung, der Leugnung des eigenen Grundes, des<br />
14 K.Simrock, Die Edda, Stuttgart 1888, S.423 ff<br />
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