Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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er den Drachen tötet. Damit bedient sich das Pentateuch jener <strong>Drachenkampf</strong>version,<br />
die den Drachentötermythen vorausgeht und die<br />
jene voraussetzen, um den Verlust des Paradieses und die Sterblichkeit<br />
des Lebens zu erklären. Indem Eva Adam dazu bringt, die Frucht, die<br />
er hüten soll, zu essen, verlieren beide, Adam und Eva, den Schatz und<br />
ihre mit ihm verbundene himmlische Stellung und es ereilt sie dasselbe<br />
Schicksal, das sie ihrem Schatz bereitet haben, der Tod und die Erkenntnis<br />
ihrer Gegensätzlichkeit, die sich nicht nur auf ihr Geschlecht,<br />
sondern noch mehr auf ihre Herkunft bezieht, die sie auch in ihrer zeitweiligen<br />
Verbindung nicht überwinden können. So wie das Blatt der<br />
Linde die Unsterblichkeit des Sigurd vereitelt, so hebt die Frucht der<br />
Eva die himmlische Existenz des Adam auf.<br />
Auch in dem Bild der oralen Einverleibung der Frucht erscheint das<br />
Gegenteil zur hegenden und pflegenden Haltung, die von ihnen gefordert<br />
wurde, d.h. das Gegenteil zu jener die eigene Begierde und das<br />
eigene Verlangen zügelnden Haltung der Rücksicht und der Liebe zum<br />
Schatz als dem Wesen, welches das eigene Selbst als Gatte oder als die<br />
anderen Verpflichtungen ist. Die Schuld, in der der Mensch schon immer<br />
stand, konnte ihm aber erst klar werden mit der Übertretung des<br />
Gebotes, das ihn von nun an immer an sie erinnern soll; daß nämlich<br />
alle Erscheinungen des Paradieses nicht sein Eigentum waren, sondern<br />
Gaben der paradiesischen Schöpferkraft in der Gestalt seines Gottes, in<br />
dessen Schuld der Mensch immer steht und damit auch in der Pflicht<br />
ihrer Vergeltung, welche im Paradies das einzige Gebot, das er einhalten<br />
sollte, repräsentierte.<br />
Die regelmäßige Opfergabe an den Drachen (z.B. die Auslieferung der<br />
Jungfrauen) repräsentiert auch die Praxis des rituellen Menschenopfers<br />
oder der ihm vergleichbaren Opfer, wie das in den vegetationsmythischen<br />
und stammesaitiologischen Versionen des <strong>Drachenkampf</strong>mythos<br />
noch ganz deutlich wird, so daß die Versuchung der Eva durch die<br />
Schlange den Versuch darstellt, die Muttergöttin dazu zu überreden,<br />
ihre eigenen Kinder zu fressen (Eva opfert Adam der Schlange für den<br />
Apfel), dessen Ansinnen sie aber mit ihrem Gemahl teilt, was der<br />
patriarchalen Genesisautorenschaft auch wirklich als die abscheulichste<br />
Sünde erscheinen mußte. Tatsächlich aber führte der stellvertretende<br />
rituelle Königsmord, der die Kinder der großen Mutter anstelle<br />
des Königs, ihres Gemahls, betraf, zur Aufhebung der kultischen<br />
Vorherrschaft der großen Mutter und zur Übernahme ihrer Macht<br />
durch den großen Vater und später durch deren Sohn.