Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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erklärt, in dem von dem Urmeer Tiamat, jenem Wesen, das schon da<br />
war vor der Erschaffung der Welt, die Rede ist. Marduk schafft die<br />
Welt erst aus ihren Teilen, nachdem er Tiamat im <strong>Drachenkampf</strong> besiegt<br />
hat. Hier wird mit aller Deutlichkeit der Drache als die große<br />
Urmutter allen Seins dargestellt (ti- ama- at; ti = leben geben, ama =<br />
Mutter, ada = Urahn). Diese Weltschöpfung, welcher der Tod des Drachens<br />
oder der Schlange nach einem Kampf vorausgeht, erscheint als<br />
Motiv auch bei den australischen Ureinwohnern, deren Welt aus<br />
Eingana hervorgeht, nachdem ein Speerwurf sie getötet hat.<br />
Es wurde bereits gesagt, daß der Drache, der in den Mythen bekämpft<br />
wird, auch nach seinem Geschlecht variiert. <strong>Der</strong> Drache des einschlangigen<br />
kosmologischen Ringes ist androgyn, die zwei Drachen des<br />
zweischlangigen kosmologischen Ringes repräsentieren die Prinzipien:<br />
Leben-Tod, alt-jung, männlich-weiblich etc. <strong>Der</strong> zweischlangige Ring<br />
ordnet diese Gegensätze dem Ringprinzip der Einheit und der ewigen<br />
Wiederkehr unter. Einige australische Systeme und das manichäische<br />
System wissen von einem Ende der Wiederkehr und von dem Sieg<br />
eines der repräsentierten Prinzipien, während der <strong>Drachenkampf</strong> Behemots<br />
gegen Leviathan in der Fassung des Leviticus Rabba mit dem<br />
Tode beider Widersacher endet, das ist das Ende der Welt. Und wieder<br />
taucht ein großes Spiel der Illusionen hinab in einen unfaßlichen Abgrund.<br />
Das Geschlecht des Drachen steht immer in Opposition zu dem Geschlecht<br />
seiner Mutter, wenn diese selbst nicht als Drache erscheint,<br />
d.h. immer wenn er weiblich ist, repräsentiert er auch deutlich die<br />
kosmologische Urmutter.<br />
<strong>Der</strong> Kampf des Helden gegen den Drachen variiert dagegen symbolisch<br />
den dualistischen <strong>Drachenkampf</strong>; der Drache, ob weiblich oder<br />
männlich, wird nur noch negativ gedeutet, wenn der Held positiv dargestellt<br />
wird. Hier finden wir in Hinblick auf die Charakterisierung des<br />
Helden vorzüglich drei Gruppierungen: den jungen männlichen Helden,<br />
den männlichen Götterfürsten und das Kind (oder der Junge), die<br />
einzeln oder als Zwillinge auftreten. In die Gruppe I gehören verschiedene<br />
Märchen, die Initiationsmythen mit der Heldenprobe, verschiedene<br />
Heldensagen und die altägyptische, vegetationsmythische <strong>Drachenkampf</strong>version,<br />
in die Gruppe II die theo-kosmogonischen <strong>Drachenkampf</strong>mythen<br />
oder Götterkämpfe und in die Gruppe III die<br />
verschiedenen aitiologischen Versionen.<br />
Auch die mystische Ausdeutung dieser Symbolik ist variantenreich<br />
und komplex und gibt ein schönes Beispiel dafür, daß das Symbol nie<br />
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