Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Enthauptung muß der zweite Bruder erleiden, nur daß dieser Bruder<br />
vom Helden enthauptet wurde, was unsere mythologische Anspielung<br />
hier nur unterstreicht.<br />
Nachdem der Märchenheld König geworden ist und seine Würden genießt,<br />
gerät er bei der Verfolgung einer Hindin während einer Jagd in<br />
einen verwunschenen Wald und dabei auch in die Hände einer Hexe,<br />
die ihn und seine Tiere in Steine verwandelt. Dies ist seine Unterweltsreise,<br />
von der er allein durch seinen Zwillingsbruder erlöst wird,<br />
der seine Oberweltsreise dort fortsetzt, wo die des Helden aufgehört<br />
hat, aber dabei die Ränke der Hexe durchschaut und die Versteinerten<br />
mit dem ganzen Wald befreit.<br />
Die Zweiteilung des Helden in ihn selbst und in seinen Zwillingsbruder<br />
(ein dioskurisches Bild für das Verhältnis von Seele und Körper in<br />
den Mysterien) erlaubt seinen Aufenthalt in der Unterwelt und unter<br />
den Lebenden zugleich, eine Konstruktion, die wir mit der griechischen<br />
Mythologie nicht ohne Berechtigung dioskurisch nennen, ein<br />
Gleichnis, das aber alle orientalischen Mysterien und viele Zwillingsmythen<br />
der archaischen Völker in verschiedenen Bildern vorstellen.<br />
<strong>Der</strong> Aufenthalt des Helden in der Unterwelt entspricht dem Aufenthalt<br />
des Tammuz bei Allatu, des Attis, Adonis, Osiris, Dionysos, Orpheus<br />
etc. im Totenreich oder des Mondes der Bambutimythe bei Mataligeda.<br />
<strong>Der</strong> Bruder des Helden erfährt von der Todesgefahr, in der sich der<br />
Held befindet, durch ein Messer, das sie vor ihrer Trennung in einen<br />
Baum gestoßen hatten und das mit seinem Rosten die Gefahr angezeigt<br />
hat. <strong>Der</strong> Baum ist hier die Nabelschnur, die die beiden Brüder miteinander<br />
in Verbindung hält, der silberne Faden zwischen Seele und<br />
Körper oder kosmologisch: die Achse, die die Regionen des Kosmos<br />
verbindet (Ober- und Unterwelt).<br />
<strong>Der</strong> Bruder geht den Weg des Helden nach (d.h. er wird zum Helden)<br />
und kommt zu dem Schloß, in dem die Frau des Helden auf ihn wartet,<br />
und ihn mit ihrem Gatten verwechselt. Er übernimmt diese Rolle in<br />
den durch die Sitte als schicklich ausgewiesenen Grenzen und trennt<br />
deshalb ihr Nachtlager mit seinem Schwert. Dann begibt auch er sich<br />
auf die gleiche Jagd wie sein Bruder und befreit ihn schließlich, weil er<br />
der Verführung der Waldhexe nicht erliegt. Als der Held von der<br />
Stellvertretung seines Bruders bei seiner Frau hört, schlägt er ihm im<br />
Zorn das Haupt ab, setzt es ihm aber mit Hilfe des Lebenskrautes<br />
wieder auf, nachdem er von der Keuschheit des brüderlichen Verhaltens<br />
erfahren hat. Auf die Wiedergeburtslehre verweist auch, daß dem<br />
Helden im zweiten Anlauf gelingt, worin er beim erstenmal scheiterte.<br />
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