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Der Drachenkampf.pdf - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Auffallend ist die Wiederholung der Enthauptung des Helden, der das<br />

Erlösungswerk vollbracht hat. <strong>Der</strong> Widersacher, der sich der Jungfrau<br />

zu versichern suchte, spielt entweder die Rolle des Brauträubers, die<br />

aus anderen Mythen bekannt ist (Kadmos oder Kesar) oder er nimmt<br />

das Motiv vorweg, das erst am Ende des Märchens seine Begründung<br />

findet. So gesehen erläutert die zweite Enthauptung die Motive und<br />

Ansprüche, welche zur ersten Enthauptung geführt haben, nämlich der<br />

Besitz und die Anmeldung älterer Rechte, die erst durch die Heldentat<br />

nichtig werden.<br />

Die Winterzauberwalderlösung (Resurrektion des Helden) wird durch<br />

die Beziehung desselben Schicksals (Enthauptung des Helden), das der<br />

Held erlitten hatte, auf den Zwilling als Äquivalent des <strong>Drachenkampf</strong>es<br />

übertragen: es folgen hier also zwei verschiedene Handlungsbilder,<br />

die das gleiche Thema darstellen mit dem kleinen Unterschied, daß die<br />

Taten der ersten Episode einen Rechtsanspruch begründen, während<br />

die Taten der zweiten Episode einen Rechtsanspruch verteidigen. <strong>Der</strong><br />

Lohn des Zwillings wäre die Hindin, die er verfolgt hatte, ein Thema,<br />

dessen Ausführung das Märchen sparte, weil ihr Geheimnis gelüftet<br />

worden ist und weil die Hindin die Jungfrau in ihren autochthonen<br />

Vorzeichen repräsentiert, die sie verloren hat im Königreich, das der<br />

Drache bedroht. Aber als Jungfrau, welche zugleich die Hexe ist, erscheint<br />

sie in ihrer ganzen matriarchalen Macht, solange sie den Held<br />

als Opfer zu erlisten versteht. Erst der Sieg über die Hexe durch den<br />

zweiten Bruder stellt jenen Zustand her, in dem die Jungfrau und nicht<br />

der Held das Opfer ist, d.h. die Situation des <strong>Drachenkampf</strong>es. So wird<br />

der große Kreis, der Jahres-, Lebens-, Geschlechter-, und Geschehenskreis,<br />

noch einmal geschlossen und der Ring beginnt, sich wieder von<br />

neuem zu drehen. Das Motiv der Rehjagd des Königs unterstreicht die<br />

Umschreibung der Winterwaldverzauberung als Aufenthalt im Totenreich,<br />

denn das Reh oder der Rehbock (Hirsch etc.) gehören zu einer<br />

Symbolik des Totenkultes, die in vielen Mythen verarbeitet worden ist.<br />

Herakles jagt den weißen Hirsch der Artemis, Amataon raubt den Rehbock<br />

des Königs von Annwm und der Schutzpatron der Jäger, der<br />

heilige Hubertus, verfolgt den Hirsch genauso vergeblich wie der erste<br />

der zwei Brüder des Grimmschen Märchens. Das Reh oder der Rehbock<br />

bedeuten das verborgene Geheimnis ihres Totenkultes. Folgt man<br />

der soziologischen Deutung des <strong>Drachenkampf</strong>mythos, der mit dem<br />

<strong>Drachenkampf</strong> einen Wechsel der dynastischen Folge begründet, der<br />

Held wird neuer Ahnherr oder Dynast und die durch den <strong>Drachenkampf</strong><br />

erworbene Gattin repräsentiert die Verbindung mit und zur alten

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