netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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100<br />
Eva-Maria Hagen <strong>in</strong> Vergeßt mir me<strong>in</strong>e Traudel nicht<br />
<strong>Die</strong> zweite Periode beg<strong>in</strong>nt an<strong>der</strong>s als<br />
im übrigen Ostblock nicht mit Stal<strong>in</strong>s<br />
Tod und dem anschließenden Tauwetter.<br />
Der 17. Juni 1953 und die Tatsache,<br />
dass die DDR stets e<strong>in</strong> von westlichen<br />
E<strong>in</strong>flüssen <strong>der</strong>selben Kultur und Nation<br />
umworbener Frontstaat war, verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />
damals die Liberalisierung. Filmgeschichte<br />
<strong>der</strong> DEFA <strong>in</strong> diesen Jahren<br />
bleibt weith<strong>in</strong> Parteigeschichte <strong>der</strong><br />
SED, die Geschichte des geschickten<br />
Umgehens <strong>der</strong> Repression.<br />
Erst 1956, und zwar mit den Chruschtschow’schen<br />
Enthüllungen von Stal<strong>in</strong>s<br />
Schreckensregime, konnte sich auch die<br />
DDR nicht mehr e<strong>in</strong>er zum<strong>in</strong>dest graduellen<br />
Lockerung ihres Kulturlebens<br />
entgegenstemmen. Was vorher <strong>in</strong> Polen<br />
o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion – man<br />
denke an Andrzej Wajdas Filmschaffen<br />
ab 1954 – schon lange Tauwetter hieß,<br />
erreichte Ostberl<strong>in</strong> und Babelsberg verspätet<br />
und <strong>in</strong> sehr abgeschwächter Form.<br />
Stellvertretend soll uns hier vor allem<br />
das Schicksal des Films Sonnensucher<br />
(1958) <strong>in</strong>teressieren. Inszeniert von jemandem<br />
aus <strong>der</strong> absoluten DDR-Prom<strong>in</strong>enz,<br />
nämlich Konrad Wolf, dem<br />
Sohn des Dramatikers Friedrich Wolf<br />
und Bru<strong>der</strong> des späteren Stasi-Chefs<br />
Markus Wolf. Sonnensucher befasst sich<br />
mit dem Uranabbau <strong>der</strong> „Wismut“, <strong>der</strong><br />
Sowjetisch-Deutschen Bergbau-AG im<br />
Erzgebirge. Der Film ist erheblich „filmischer“,<br />
reichhaltiger, begabter und<br />
flirren<strong>der</strong>, als es jedem Agitprop-Be<strong>auf</strong>tragten<br />
lieb se<strong>in</strong> könnte, ist m<strong>in</strong>destens<br />
so sehr Liebesgeschichte wie Epos <strong>der</strong><br />
Arbeit. Beides <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>eswegs idealer<br />
Beleuchtung: Schmuddeliges und Destruktives,<br />
ja Gefährliches spielen e<strong>in</strong>e<br />
große Rolle.<br />
<strong>Die</strong> Realisierung des Films fiel <strong>in</strong> die<br />
Phase e<strong>in</strong>er gewissen Rat- und Hilflosigkeit<br />
<strong>der</strong> DDR-Führung nach dem<br />
Ungarn<strong>auf</strong>stand und <strong>der</strong> für die DDR<br />
viel nachhaltigeren Fronde Gomulka-<br />
Polens gegen Moskau. Doch nicht e<strong>in</strong>mal<br />
das Prestige Konrad Wolfs reichte<br />
aus, dass <strong>der</strong> Film auch gezeigt werden<br />
konnte – dies geschah erst 1972, und da<br />
fast heimlich. Gegen e<strong>in</strong>en Präsidenten<br />
<strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Künste, <strong>der</strong> Konrad<br />
Wolf damals schon lange war, konnte<br />
man eben nicht unbegrenzt Obstruktion<br />
betreiben.<br />
Der Film Vergeßt mir me<strong>in</strong>e Traudel<br />
nicht (1957), <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>er wahren Begebenheit<br />
beruhend, hatte dessen ungeachtet<br />
wegen <strong>der</strong> Hauptfigur, „ebenso raff<strong>in</strong>iert<br />
wie naiv, verlogen wie treuherzig“,<br />
Schwierigkeiten mit <strong>der</strong> Zulassung,<br />
obwohl o<strong>der</strong> vielleicht gerade weil er<br />
e<strong>in</strong>e Komödie war. Hierzu Regisseur<br />
Kurt Maetzig nach 1989:<br />
Vergeßt mir me<strong>in</strong>e Traudel nicht war e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />
wenigen erfolgreichen DEFA-Komödien.<br />
Man kann sich heute nicht mehr vorstellen,<br />
<strong>auf</strong> welche Schwierigkeiten e<strong>in</strong> Komödienstoff<br />
stieß. Ohne das Prestige von Kuba [Drehbuchautor<br />
Kurt Bartel, Anm. O.H.] und mir<br />
hätten wir den Film wahrsche<strong>in</strong>lich kaum<br />
durchsetzen können.<br />
E<strong>in</strong>e Komödie durchbricht ja notwendigerweise<br />
Tabus. Daß da <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Szene die Hauptdarsteller<strong>in</strong><br />
Eva-Maria Hagen nur mit e<strong>in</strong>em<br />
Handtuch bekleidet war, empfanden viele, die<br />
darüber zu bef<strong>in</strong>den hatten, als moralisch<br />
anrüchig. (…) <strong>Die</strong> DDR war ja überhaupt<br />
schwach <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Brust, was Komik und Komödien<br />
betraf. (S. 124)<br />
<strong>Die</strong> dritte Phase <strong>der</strong> DEFA setzte mit<br />
<strong>der</strong> sche<strong>in</strong>bar paradoxen Konsolidierung<br />
des Arbeiter- und Bauernstaates<br />
nach dem Bau <strong>der</strong> Mauer 1961 e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong><br />
Machthaber hatten erkannt, dass sie das<br />
Volk nur dann halbwegs <strong>auf</strong> ihrer Seite<br />
halten konnten, wenn sie dessen Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />
verbesserten.<br />
In den Führungsetagen <strong>der</strong> DEFA fand<br />
e<strong>in</strong> Generationenwechsel statt, e<strong>in</strong>e<br />
gerechtere Gehaltsstruktur für das<br />
künstlerische Personal (das ja durchweg<br />
festangestellt war) wurde e<strong>in</strong>geführt,<br />
künstlerische Arbeitsgruppen bildeten<br />
sich, <strong>in</strong> denen offen diskutiert wurde,<br />
zahllose neue Ideen verdankten sich neu<br />
gefasstem Mut. Trotzdem sollte diese<br />
Periode des Aufschwungs <strong>in</strong> <strong>der</strong> größten<br />
Katastrophe enden, die dem DEFA-<br />
Film überhaupt wi<strong>der</strong>fuhr: im 11. Plenum<br />
des Zentralkomitees <strong>der</strong> SED im<br />
Dezember 1965. Der Kurs jener liberaleren<br />
Wirtschaftspolitik, den man vier<br />
Jahre gesteuert hatte, führte offenbar <strong>in</strong><br />
den unmittelbaren materiellen Ru<strong>in</strong> des<br />
Staates. Der Oberbürokrat <strong>der</strong> zweiten<br />
SED-Generation, Erich Honecker, fand<br />
nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kulturpolitik und beson<strong>der</strong>s<br />
im Film se<strong>in</strong>en Sündenbock.<br />
Honecker beklagte ‚Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Unmoral und Dekadenz‘, ‚antihumanistische<br />
Darstellungen‘, die Schil<strong>der</strong>ung<br />
von Brutalitäten und die Reduzierung<br />
‚menschlichen Handelns <strong>auf</strong> sexuelle Trieb-