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netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette

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Sprecher? O<strong>der</strong>: Haben wir es mit e<strong>in</strong>er Religion o<strong>der</strong><br />

„nur“ mit e<strong>in</strong>er Konfession zu tun?) relativ s<strong>in</strong>d, das<br />

heißt relational bezogen <strong>auf</strong> den politischen Kontext.<br />

Deshalb ist Ihre Frage, wer führt den Dialog zwischen<br />

Muslimen und Christen, nur <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es solches<br />

Rahmens zu beantworten. In Ägypten zum Beispiel<br />

stellt sich <strong>der</strong> Kontext völlig an<strong>der</strong>s dar als <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

o<strong>der</strong> eben <strong>in</strong> Deutschland. Man muss jeweils klären:<br />

Wer s<strong>in</strong>d die Gruppen, wie s<strong>in</strong>d sie organisiert, mit<br />

welchem Ziel treffen sie sich? Wenn Sie <strong>auf</strong> Deutschland<br />

bezogen fragen, dann haben wir die Schwierigkeit,<br />

dass we<strong>der</strong> die beiden Kirchen für das ganze Spektrum<br />

des gegenwärtigen Christentums sprechen<br />

können, noch können bestimmte islamische Organisationen<br />

(etwa <strong>der</strong> Zentralrat <strong>der</strong> Muslime o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e) für das ganze Spektrum <strong>der</strong> Muslime sprechen.<br />

Das macht die Sache schwierig. Normalerweise haben<br />

wir e<strong>in</strong>e asymmetrische Wahrnehmung, d.h. man sagt:<br />

Das Christentum ist durch die Kirchen verfasst und<br />

def<strong>in</strong>iert, und <strong>der</strong> Islam hat ke<strong>in</strong>e Ansprechpartner,<br />

weil er diese Verfassung nicht hat. Das ist zwar <strong>in</strong>sofern<br />

richtig, als die Kirchen tatsächlich als Institutionen existieren,<br />

aber sie repräsentieren ke<strong>in</strong>eswegs die vielfältigen<br />

Strömungen des Christentums <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

Was macht die an islamische Gruppierungen gerichtete<br />

For<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es Dialogs <strong>der</strong>zeit so relevant und nachrichtenfähig?<br />

<strong>Die</strong> Furcht. <strong>Die</strong> Furcht, nicht nur <strong>der</strong> Politik, son<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er schwer bestimmbaren gesellschaftlichen<br />

Gruppe, ich kann es kaum genauer sagen, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Luft liegende Furcht vor e<strong>in</strong>er Überfremdung durch<br />

e<strong>in</strong>en Islam, <strong>der</strong> als stark, e<strong>in</strong>heitlich, militant und –<br />

sagen wir es e<strong>in</strong>mal so: – eroberungswillig wahrgenommen<br />

wird, während das Christentum als eher <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Defensive bef<strong>in</strong>dlich, schwach, von Selbstzweifeln<br />

geplagt und argumentativ zu pluralistisch gesehen<br />

wird. <strong>Die</strong> Frage hängt natürlich zusammen mit <strong>der</strong><br />

Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg, als <strong>der</strong> Islam<br />

als vierte große Religionsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> Deutschland<br />

h<strong>in</strong>zukam (bis dah<strong>in</strong> hatten wir Katholizismus, Protestantismus<br />

und Judentum), mit völlig neuen Ansprüchen.<br />

Religion ist ja ke<strong>in</strong>eswegs nur im Innern des<br />

e<strong>in</strong>zelnen Menschen <strong>der</strong> Glaube an höhere Wesen o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>es, vielmehr – soweit wir die dokumentierte Geschichte<br />

<strong>der</strong> Religionen kennen – haben Religionen<br />

immer auch <strong>auf</strong> Rechtssysteme e<strong>in</strong>gewirkt o<strong>der</strong> gar<br />

Rechtssysteme selbst geschaffen. Im vor<strong>der</strong>en Orient,<br />

von Hammurabi bis zum Alten Testament, s<strong>in</strong>d Religionen<br />

auch Rechtskulturen gewesen, und sie s<strong>in</strong>d es<br />

bis heute. Religionen stiften Recht, <strong>in</strong>dem sie den<br />

Umgang zwischen Menschen als nicht zufällig, son<strong>der</strong>n<br />

als e<strong>in</strong>e Struktur des göttlichen Willens o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

universalen Harmonie formulieren.<br />

Das ist heute das Problem. Es treffen heute unterschiedliche<br />

Rechts<strong>auf</strong>fassungen <strong>auf</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, unterschiedliche<br />

Konzepte, wie das Zusammenspiel von<br />

Individuum und Gesellschaft geregelt wird. Wie<br />

gesagt: Das war bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reformationszeit zwischen<br />

Katholizismus und Protestantismus <strong>der</strong> Fall, so<br />

auch jetzt wie<strong>der</strong> zwischen Islam und Christentum.<br />

Dabei entstehen natürlich Konfliktpotenziale, und<br />

man hat den E<strong>in</strong>druck, da muss etwas geklärt werden,<br />

ohne dass man genau weiß, was hier geklärt werden soll<br />

und vor allem: durch wen.<br />

Wie stellt sich das heute <strong>in</strong> Mitteleuropa dar? Würden Sie<br />

auch für die heutigen Verfassungen dieser Län<strong>der</strong> sagen,<br />

dass hier Religionen noch Rechtsnormen schaffen, wie das<br />

wohl im Islam <strong>der</strong> Fall ist?<br />

So e<strong>in</strong>fach: „wie es im Islam <strong>der</strong> Fall ist“ lässt sich das<br />

nicht von diesen Län<strong>der</strong>n sagen, son<strong>der</strong>n etwas an<strong>der</strong>s:<br />

<strong>Die</strong> Art und Weise, wie die verschiedenen Gewalten im<br />

Staat o<strong>der</strong> überhaupt Menschen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> umgehen,<br />

wie Individuum und Kollektiv <strong>auf</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zugeordnet<br />

s<strong>in</strong>d, die Rolle <strong>der</strong> Geschlechter und an<strong>der</strong>es<br />

mehr – das s<strong>in</strong>d natürlich Folgerungen aus <strong>der</strong> Geschichte<br />

des Christentums <strong>in</strong> Europa. Ich sage bewusst<br />

nicht: Werte, die das Christentum verkündet hat, denn<br />

das wäre falsch. Wir haben es hier <strong>in</strong> Europa mit e<strong>in</strong>er<br />

langen Entwicklung zu tun, die auch gegen die <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

Formen des Christentums durchgesetzt<br />

werden musste, etwa die Wissenschaftsfreiheit, die<br />

Me<strong>in</strong>ungsfreiheit, die Demokratie. Das heißt aber<br />

nicht (das muss man genau sehen), dass die Werte, die<br />

hier ausgehandelt wurden, nicht doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Diskurskultur<br />

entstanden s<strong>in</strong>d, an <strong>der</strong> das Christentum <strong>in</strong><br />

Europa ganz erheblichen Anteil hatte, wenn nicht <strong>in</strong><br />

bestimmten Phasen sogar <strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> Entwicklung<br />

war.<br />

Das ist natürlich im Islam auch so, aber doch an<strong>der</strong>s.<br />

Weil nämlich die islamische Rechtsprechung <strong>in</strong> sich<br />

hoch differenziert ist, aber ganz an<strong>der</strong>s funktioniert als<br />

im Römischen Recht, <strong>auf</strong> dem letztlich unsere Mo<strong>der</strong>ne<br />

fußt. Insofern kann man sagen: Beide Religionen<br />

o<strong>der</strong> Traditionen, die islamische Tradition <strong>auf</strong> <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en Seite und <strong>auf</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die christlichabendländische<br />

Tradition, die jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> säkularisierten<br />

Gesellschaft <strong>auf</strong>gegangen ist, setzen, wenn nicht<br />

Rechtsnormen, dann doch jeweils e<strong>in</strong>en Rechtsrahmen,<br />

wenn auch <strong>auf</strong> verschiedene Weise.<br />

Kommen unsere Probleme mit dem Islam also auch daher,<br />

dass im europäischen Westen e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Diskurskultur<br />

herrscht als <strong>in</strong> vielen islamischen Län<strong>der</strong>n?<br />

E<strong>in</strong>e Charakterisierung dieser an<strong>der</strong>en Diskurskultur<br />

überträfe me<strong>in</strong>e Kompetenz, weil ich ke<strong>in</strong> Islamwissenschaftler<br />

b<strong>in</strong>. Außerdem stellen wir hier große<br />

Unterschiede fest. In vom Osmanischen Reich geprägten<br />

Län<strong>der</strong>n haben wir e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Situation als<br />

beispielsweise <strong>in</strong> <strong>in</strong>disch-islamischen Kulturen. E<strong>in</strong>e<br />

gewisse Pluralität kommt hier schon dadurch zustande,<br />

dass wir im Islam mehrere unterschiedliche<br />

Rechtsschulen haben, die gegenwärtiges positives<br />

Recht dadurch suchen, dass <strong>in</strong> Analogie zu Koranstellen<br />

und zur früheren Rechtsprechung e<strong>in</strong>e Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

– ich möchte fast sagen: – herbeizitiert<br />

wird. Das ist e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Verfahren als dasjenige, das<br />

sich <strong>in</strong> unserem Rechtsstaat herausgebildet hat. Man<br />

kann hier aber auch sehen, dass auch <strong>in</strong> islamischen<br />

Kulturen die Rechtsprechung, genauer: die Sozialisierung<br />

von Rechtsf<strong>in</strong>dungsprozessen und Rechtsnormen,<br />

im Fluss ist, dass <strong>der</strong> Islam hier verän<strong>der</strong>ungsbedürftig<br />

und verän<strong>der</strong>ungsfähig ist.<br />

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