netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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Am 17. Mai 1946 riefen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Babelsberger Filmatelier deutsche Filmschaffende<br />
<strong>in</strong> Anwesenheit von Vertretern<br />
aller vier Besatzungsmächte die<br />
„DEFA – Deutsche Filmaktiengesellschaft<br />
<strong>in</strong> Gründung“ <strong>in</strong>s Leben. <strong>Die</strong><br />
neue Firma sollte zu e<strong>in</strong>er deutschen<br />
Aktiengesellschaft werden, nach deutschem<br />
Aktienrecht <strong>in</strong> <strong>der</strong> sowjetischen<br />
Besatzungszone. Knapp 14 Tage vorher<br />
hatte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em benachbarten Atelier<br />
Wolfgang Staudte den ersten deutschen<br />
Nachkriegsfilm zu drehen begonnen,<br />
<strong>Die</strong> Mör<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d unter uns, mit Ernst<br />
Wilhelm Borchert und <strong>der</strong> damals noch<br />
unbekannten Hildegard Knef <strong>in</strong> den<br />
Hauptrollen.<br />
Der Welterfolg dieses ersten DEFA-<br />
Films wurde zu e<strong>in</strong>em Paukenschlag,<br />
dem so leicht nichts zu folgen vermochte.<br />
Der Film war, wie auch <strong>der</strong><br />
zweite, Kurt Maetzigs Ehe im Schatten<br />
(1947), ke<strong>in</strong> Ost-Film für Ost-Publikum,<br />
son<strong>der</strong>n richtete sich an alle Deutschen.<br />
Ehe im Schatten erhielt übrigens<br />
den allerersten Bambi, e<strong>in</strong>e Auszeichnung,<br />
die man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge eher mit<br />
etwas an<strong>der</strong>en Produktionen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
br<strong>in</strong>gen sollte.<br />
Bis etwa Ende 1946 wurde <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
ganz allgeme<strong>in</strong> dar<strong>auf</strong> h<strong>in</strong>gearbeitet,<br />
wie<strong>der</strong> Keimzelle e<strong>in</strong>er zentralen Reichsverwaltung<br />
zu werden – auch die Russen,<br />
die da zunächst „gesamtdeutscher“<br />
98<br />
REZENSIONS-ESSAY<br />
Der Ersatz für die Träume<br />
„Mit Ihnen würd’ ich mir sogar ‘nen DEFA-Film angucken.“<br />
„N’Abend, kle<strong>in</strong>e Chef<strong>in</strong>, schon schlafen<br />
gehen?“<br />
„Deshalb hab ich die Decke vorgehängt.“<br />
„Ich wollt’ Sie nämlich <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o e<strong>in</strong>laden.<br />
Mit Ihnen würd’ ich mir sogar ’nen DEFA-<br />
Film ansehen.“<br />
„Ich b<strong>in</strong> untröstlich, aber schon ausgezogen.“<br />
(Spur <strong>der</strong> Ste<strong>in</strong>e , 1966, Dialog: Manfred<br />
Krug und Krystyna Stypulkowska )<br />
Entschuldigung<br />
Durch e<strong>in</strong> bedauerliches Versehen<br />
wurde für die Rezension des Wehner-<br />
Buches von Friedemann Bedürftig <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Nummer 11 <strong>der</strong> GAZETTE nicht <strong>der</strong><br />
zutreffende Autor angegeben.<br />
Der Autor <strong>der</strong> Rezension ist Bert Hoppe,<br />
Berl<strong>in</strong><br />
dachten als die kommunistischen deutschen<br />
Remigranten aus Moskau. <strong>Die</strong><br />
DEFA als filmproduzierende AG, wenngleich<br />
nicht als Publikumsgesellschaft,<br />
das bedeutete 1946 ke<strong>in</strong>e sozialistische<br />
Verstaatlichungspolitik, son<strong>der</strong>n war die<br />
selbstverständliche Fortsetzung e<strong>in</strong>er<br />
deutschen Tradition, jener <strong>der</strong> UFA.<br />
Staats<strong>in</strong>itiative ist für die deutsche Filmgeschichte<br />
seit dem Ersten Weltkrieg, als<br />
die Oberste Heeresleitung, hierbei sehr<br />
mo<strong>der</strong>n, die Gründung <strong>der</strong> UFA zur<br />
Verbreitung ihrer Interessen anregte,<br />
ke<strong>in</strong> Skandalon. <strong>Die</strong> UFA wurde vom<br />
Sprachrohr des Generals Ludendorff<br />
bald zur größten deutschen Filmgesellschaft<br />
<strong>der</strong> Weimarer Republik und 1942<br />
dank e<strong>in</strong>er Goebbels’schen Zwangsfusionierung,<br />
zur e<strong>in</strong>zigen im Reich. Was<br />
also sollte an e<strong>in</strong>er staatlichen o<strong>der</strong><br />
halbstaatlichen Filmgesellschaft im Osten<br />
Nachkriegsdeutschlands Anstößiges<br />
se<strong>in</strong>? Außerdem hatte man zu jener Zeit<br />
an<strong>der</strong>e Sorgen.<br />
Beispielsweise die Aufgabe, die weith<strong>in</strong><br />
zerstörte Struktur e<strong>in</strong>er professionellen<br />
Filmproduktion so rasch wie möglich<br />
wie<strong>der</strong> <strong>auf</strong>zubauen. <strong>Die</strong> mit dem Neuanfang<br />
verbundenen Hoffnungen erhielten<br />
1947 e<strong>in</strong>en Dämpfer, als die<br />
Sowjets gemäß dem Potsdamer Abkommen<br />
die gerade mühsam wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Gang<br />
gesetzten Gewerke <strong>der</strong> Filmherstellung<br />
als Beute entdeckten. Kopierwerke und<br />
Technik wurden demontiert und <strong>in</strong> die<br />
Sowjetunion gebracht, die DEFA umgewandelt<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „Deutsch-Sowjetische<br />
Aktiengesellschaft für Herstellung, Vertrieb<br />
und Verleih von Filmen aller Art“.<br />
Zunächst hatten die Sowjets e<strong>in</strong>e Aktienmehrheit<br />
von 55, dann von 51 Prozent<br />
beansprucht. Es war beson<strong>der</strong>s das<br />
Verdienst Walter Jankas, dieses kulturpolitische<br />
Und<strong>in</strong>g vom Tisch zu bekommen,<br />
nach se<strong>in</strong>er Schil<strong>der</strong>ung eher mit<br />
e<strong>in</strong>em Gewaltstreich als <strong>in</strong> sanftem Abwandeln<br />
des bisher Vere<strong>in</strong>barten. „Wir<br />
diskutierten vierzehn Tage lang. Es entstand<br />
e<strong>in</strong> neuer Vertrag, <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>tprozentig<br />
<strong>in</strong> Ordnung war, den das Politbüro<br />
bestätigte und den die Russen<br />
akzeptierten.“ (S. 52)<br />
<strong>Die</strong> DEFA Deutsche Filmaktiengesellschaft<br />
war drei Jahre älter als <strong>der</strong> Staat,<br />
dessen e<strong>in</strong>zige Filmproduktionsgesellschaft<br />
sie werden sollte, und überlebte<br />
ihn als filmherstellen<strong>der</strong> Betrieb um<br />
nicht ganz e<strong>in</strong> Jahr. Alles, was bis 1992,<br />
bis zum Verk<strong>auf</strong> durch die Treuhand an<br />
e<strong>in</strong> <strong>französisch</strong>es Wasserunternehmen,<br />
noch nachfolgte, führt nur <strong>in</strong> anekdotisches,<br />
wenngleich bezeichnendes juristisch-wirtschaftliches<br />
Unterholz. So<br />
muten auch die beiden abschließenden<br />
Interviews <strong>in</strong> Poss/Warneckes Buch, mit<br />
den Nach-Wende-Geschäftsführern <strong>der</strong><br />
Babelsberger Studiobetriebe Volker<br />
Schlöndorff (1992 - 1997) und Carl<br />
Woebcken (ab 2004), wie e<strong>in</strong> neoliberales<br />
Satyrspiel über blühende Landschaften<br />
an.<br />
In den 45 Jahren ihres Bestehens hat<br />
die DEFA über 2000 Filme aller möglichen<br />
Genres hergestellt, darunter 1250<br />
Spielfilme für K<strong>in</strong>o und Fernsehen, von<br />
denen (<strong>in</strong> klug ausgewählten rund 100<br />
Beispielen) das vorliegende Buch alle<strong>in</strong><br />
berichtet. Dazu zählen aber auch Dokumentarfilme,<br />
Kurz- und Animationsfilme,<br />
die Reihe „Stacheltiere“ und nicht<br />
zu vergessen die Wochenschau „Der<br />
Augenzeuge“, die ab 1946 gegen die Propagandatradition<br />
<strong>der</strong> Nazis antreten<br />
sollte, bis auch sie zur Ankündigungstafel<br />
e<strong>in</strong>er Diktatur wurde.<br />
Man kann e<strong>in</strong>e Filmproduktion von<br />
über vier Jahrzehnten nicht mit wenigen<br />
Worten skizzieren. Und doch drängen<br />
sich jedem, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Auswahl von<br />
DEFA-Filmen gesehen hat, übere<strong>in</strong>stimmende<br />
Merkmale <strong>auf</strong>, wie bei <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> DDR selbst. Ihre<br />
Filme sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> vielfacher H<strong>in</strong>sicht<br />
„deutscher“ als die Westprodukte aus jenen<br />
Tagen.<br />
<strong>Die</strong> Westdeutschland erfassende Amerikanisierung<br />
wurde von <strong>der</strong> offiziellen<br />
Staatsdoktr<strong>in</strong> <strong>der</strong> sich formenden DDR<br />
vehement schon aus politischen Gründen<br />
wie auch aus Profilierungsgründen<br />
abgelehnt (mit allen Konsequenzen für<br />
das kollektive Unbewusste ihrer Bürger).<br />
Außerdem entsprach diese Ablehnung<br />
auch den Anschauungen <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
SED <strong>auf</strong>gegangenen Sozialdemokraten;<br />
genauso aber auch jenen <strong>der</strong> abseits verharrenden<br />
bürgerlichen Kreise. Das Bildungsideal<br />
des zu Monument und Leitfigur<br />
erhobenen Arbeiters war und blieb<br />
<strong>in</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger verbürgerlichtem<br />
Aussehen das Bildungsideal <strong>der</strong> DDR.<br />
Zusammen mit dem etatistischen Kulturverständnis<br />
wurde <strong>der</strong> ambitionierte<br />
DEFA-Spielfilm selbst da, wo er sozialdynamische<br />
Entlastungsfunktion hatte