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netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette

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Was ist die Sachdef<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terreligiösen Dialogs?<br />

Das hängt zunächst am Begriff <strong>der</strong> Religion. Wir<br />

können e<strong>in</strong>en materialen und e<strong>in</strong>en funktionalen Religionsbegriff<br />

unterscheiden. Religion als Glaube an<br />

Gott wäre e<strong>in</strong>e materiale Def<strong>in</strong>ition, was aber nicht <strong>auf</strong><br />

alle Religionen zutrifft. Der funktionale Begriff lautet:<br />

Religion bewirkt S<strong>in</strong>norientierungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />

sie hält Gesellschaften zusammen, sie schafft e<strong>in</strong><br />

Wertesystem, das selbst nicht weiter begründet werden<br />

muss. Aber auch <strong>in</strong> diesen Funktionen unterscheiden<br />

sich Religionen, weshalb man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Religionswissenschaft<br />

von jedem Def<strong>in</strong>itionsversuch abgekommen ist.<br />

Trotzdem braucht man Def<strong>in</strong>itionen.<br />

Me<strong>in</strong>es Erachtens s<strong>in</strong>d Religionen unterschiedliche<br />

Arten von Systemen, menschliche Kont<strong>in</strong>genz zu bewältigen.<br />

Das kann sich <strong>in</strong> Institutionen ausdrücken,<br />

es kann sich <strong>in</strong> Lebensformen ausdrücken, die eher<br />

unausgesprochen s<strong>in</strong>d, etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kunst, <strong>in</strong> ungeschriebenen<br />

Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens,<br />

wie zum Beispiel <strong>in</strong> Stammesgesellschaften.<br />

Wenn man also vom <strong>in</strong>terreligiösen Dialog spricht,<br />

muss man wissen, dass man es mit ganz unterschiedlichen<br />

Größen zu tun hat, die hier mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Dialog treten. Dialog heißt zunächst e<strong>in</strong>mal Begegnung,<br />

und zwar bewusste, gewollte Begegnung, die<br />

manchmal ergebnisoffen, manchmal ergebnisorientiert<br />

ist. Dialog ist nicht nur das Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>-Sprechen,<br />

son<strong>der</strong>n Kommunikation mit allen S<strong>in</strong>nen und<br />

<strong>in</strong> sozialen Kontexten.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne hat es <strong>in</strong>terreligiöse Dialoge schon<br />

immer gegeben. Dort, wo Religionen <strong>auf</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treffen,<br />

reiben sie sich ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>; sie müssen sich <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

übersetzen, und so ist letztlich jede Sprachform <strong>der</strong><br />

Übersetzung e<strong>in</strong>e Form des <strong>in</strong>terreligiösen Dialogs.<br />

Religionen s<strong>in</strong>d weltweite Institutionen, die über<br />

Macht und sowohl über ökonomische als auch über<br />

Def<strong>in</strong>itionsmittel verfügen, die e<strong>in</strong>e Gesellschaft bestimmen.<br />

Sie begegnen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> im Dialog, meistens<br />

ergebnisorientiert mit <strong>der</strong> Absicht, etwas Gutes zu tun,<br />

Frieden zu stiften (zum Beispiel das Projekt „Weltethos“),<br />

<strong>in</strong> Konfliktsituationen e<strong>in</strong>en Ausgleich zu<br />

suchen, manchmal aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dialog, <strong>der</strong> –<br />

sagen wir es etwas pathetisch: – <strong>der</strong> Wahrheitsf<strong>in</strong>dung<br />

dient.<br />

Es gibt Dialoge von verschiedener politischer Brisanz,<br />

auch <strong>in</strong>terkonfessionelle Dialoge, und daneben die Dialoge,<br />

die im Augenblick beson<strong>der</strong>s laut gefor<strong>der</strong>t werden,<br />

Interreligiöse Dialoge<br />

Reden ist Gold<br />

Ist das öffentliche Verlangen nach <strong>in</strong>terkulturellen und <strong>in</strong>terreligiösen „Dialogen“ <strong>der</strong> Ausdruck e<strong>in</strong>es wirklichen Bedarfs o<strong>der</strong><br />

nur e<strong>in</strong>er Krise? Und bewirkt er, was er zwischen Menschen manchmal stiften kann, auch für Kollektive: e<strong>in</strong> friedliches Leben?<br />

Interview mit Professor Dr. Michael von Brück<br />

genauer: den Dialog zwischen e<strong>in</strong>em – noch undef<strong>in</strong>ierten<br />

– Christentum und e<strong>in</strong>em – schwer zu def<strong>in</strong>ierenden<br />

– Islam. Wer führt diesen Dialog?<br />

Ich muss hier weiter ausholen. Schon die Frage, ob es<br />

sich um e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terreligiösen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terkonfessionellen<br />

Dialog handelt, verschiebt sich im L<strong>auf</strong> <strong>der</strong><br />

Geschichte. Im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t treten Katholizismus<br />

und Protestantismus, die mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> streitenden<br />

Gruppen, als unterschiedliche Religionen <strong>auf</strong>. Sie<br />

haben unterschiedliche Machtansprüche, unterschiedliche<br />

Def<strong>in</strong>itionen, unterschiedliche Kriterien,<br />

wie man zu gültigen Überzeugungen kommt. In diesem<br />

Kontext, <strong>in</strong> diesem europäischen Rahmen damals<br />

s<strong>in</strong>d sie zwei Religionen, die <strong>auf</strong>grund des militärischen<br />

Patts gezwungen waren, mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Dialog zu treten. Ähnliches sehen wir auch <strong>in</strong>nerhalb<br />

des protestantischen Lagers, etwa zwischen Lutheranern<br />

und Calv<strong>in</strong>isten. Wir wissen heute auch, dass <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen asiatischen Kulturen Protestantismus und<br />

Katholizismus als zwei verschiedene Religionen wahrgenommen<br />

werden. Es hängt also sehr an dem sozialen<br />

und kulturellen Kontext, wer hier als Sprecher wahrgenommen<br />

wird, <strong>in</strong> welcher Weise und mit welcher Def<strong>in</strong>itionsmacht.<br />

Wenn man diese historischen Zusammenhänge<br />

im H<strong>in</strong>terkopf hat, dann weiß man, dass<br />

solche Unterscheidungen (Wer ist hier eigentlich <strong>der</strong>

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