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netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette

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ehauptete ich, legte <strong>auf</strong> und buchte e<strong>in</strong>en<br />

Flug. – Falls übrigens e<strong>in</strong>er hier von<br />

Ihnen me<strong>in</strong>t, mit e<strong>in</strong>em Sachbuch e<strong>in</strong><br />

Geld verdienen zu können, vergessen Sie<br />

es! – Am angedrohten Freitag stand ich<br />

vor <strong>der</strong> Türe <strong>in</strong> Chelsea, kl<strong>in</strong>gelte und –<br />

me<strong>in</strong>e Verleger<strong>in</strong> öffnete mir die Türe. In<br />

ihrer Hand vier me<strong>in</strong>er Bücher. Ich<br />

nahm me<strong>in</strong>e Belegexemplare, fragte<br />

noch: Der letzte Scheck ist sicherlich<br />

schon zu mir unterwegs, gell? (Das war<br />

auch e<strong>in</strong> bisserl e<strong>in</strong> zäher Punkt gewesen.)<br />

Da lächelte me<strong>in</strong>e Verleger<strong>in</strong> ihr<br />

größtes Lächeln und me<strong>in</strong>te nur: Genau,<br />

schon unterwegs!<br />

Dann verabschiedeten wir uns, also<br />

me<strong>in</strong>e Bücher und ich, stiegen <strong>in</strong> die<br />

Circle L<strong>in</strong>e und ließen uns nach Westm<strong>in</strong>ster<br />

schaukeln. Dort stiegen wir<br />

dann aus, liefen Richtung Green Park,<br />

befreiten e<strong>in</strong>e Bank von Vogeldreck und<br />

setzten uns dar<strong>auf</strong>. Den ganzen Nachmittag<br />

saßen wir <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Bank, schauten<br />

den Touristen beim Schwäne- und Entenfüttern<br />

zu, verscheuchten wir kle<strong>in</strong>e<br />

„E<strong>in</strong> normales Gespräch ist nicht<br />

möglich. Selbst wenn die Schlagbohrer<br />

abgestellt s<strong>in</strong>d, muss ich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendlichen anschreien. Sie haben<br />

allesamt Hörprobleme, viele <strong>der</strong> Älteren<br />

s<strong>in</strong>d fast taub. Aber was heißt hier<br />

Ältere? Nach und nach erhalte ich H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen,<br />

die mich schockieren.<br />

<strong>Die</strong> Lebenserwartung <strong>der</strong><br />

Interviewten liegt bei 35 bis 38 Jahren,<br />

und bei genauerem H<strong>in</strong>sehen stelle ich<br />

fest, dass viele <strong>der</strong> Menschen, die <strong>in</strong>zwischen<br />

um mich herumstehen, nicht<br />

mehr alle zehn F<strong>in</strong>ger an ihren Händen<br />

haben. Abgerissene F<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />

Seltenheit. Das Schwarzpulver für die<br />

Sprengladungen wird mit Metallstäben<br />

verdichtet. Da sprengt es e<strong>in</strong>em schon<br />

mal die Hand weg, wenn <strong>der</strong> Stab, am<br />

Ste<strong>in</strong> reibend, Funken geschlagen hat.“<br />

So schrieb ich vor Jahren <strong>in</strong> me<strong>in</strong><br />

Tagebuch, als ich das erste Mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Ste<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> Süd<strong>in</strong>dien war, <strong>der</strong> für<br />

den Export nach Deutschland produziert.<br />

Ste<strong>in</strong>metze aus Freiburg, mittelständische<br />

Betriebe, die vor <strong>der</strong> Globalisierung<br />

nicht kapitulieren wollten,<br />

hatten bei mir, dem K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeitex-<br />

Importe<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die sich mit schmutzigen F<strong>in</strong>gern<br />

uns näherten und verweigerten<br />

e<strong>in</strong>em alten ch<strong>in</strong>esischen Ehepaar, sich<br />

neben uns zu setzten: Sorry, all seats<br />

taken. Danach waren wir noch essen, so<br />

zu fünft, und als ich abends <strong>in</strong>s Bett g<strong>in</strong>g,<br />

g<strong>in</strong>g ich nicht alle<strong>in</strong>.<br />

Kurz vor dem E<strong>in</strong>schlafen traute ich<br />

mich erstmals <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Buch zu lesen.<br />

Und nach nur fünf M<strong>in</strong>uten entdeckte<br />

ich bereits zwei Fehler und e<strong>in</strong>e Formulierung,<br />

von denen ich me<strong>in</strong>te, erstere<br />

nicht gemacht, und letztere nicht so<br />

geme<strong>in</strong>t zu haben. Auf me<strong>in</strong>em Rückflug<br />

nach München fiel mir dann e<strong>in</strong>,<br />

dass ich wohl künftig e<strong>in</strong>e gewisse Aversion<br />

gegen erzwungene Zufälle haben<br />

werde. Aber wurscht, Hauptsache, me<strong>in</strong><br />

Buch gibt es jetzt auch <strong>in</strong> München.<br />

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags<br />

aus: L<strong>in</strong>da Benedikt, Gedanken über die Liebe<br />

und an<strong>der</strong>e Absurditäten, Franz Schiermeier<br />

Verlag, München, Dezember 2006<br />

Grabste<strong>in</strong>e aus K<strong>in</strong><strong>der</strong>hand<br />

perten des bischöflichen Hilfswerks<br />

Misereor, nachgefragt, ob es vielleicht<br />

dort irgendwelche „Schwe<strong>in</strong>ereien“ bei<br />

<strong>der</strong> Produktion gebe. Großimporteure<br />

überschwemmen seit Ende <strong>der</strong> 90er<br />

Jahre Deutschland mit Billigware aus<br />

Indien. Inzwischen kommen e<strong>in</strong> bis<br />

zwei Drittel aller Grabste<strong>in</strong>e von dort.<br />

Den deutschen Ste<strong>in</strong>metzen bleibt oft<br />

nur die Wahl, entwe<strong>der</strong> bankrottzumachen<br />

o<strong>der</strong> ebenfalls die <strong>in</strong>dische Ware<br />

anzubieten. Schnell hatte ich mich <strong>in</strong>formiert<br />

und herausgefunden, dass mit<br />

45 Kilo schweren Schlagbohrern 20 bis<br />

40 Tonnen schwere Rohblöcke <strong>in</strong> den<br />

Ste<strong>in</strong>brüchen abgesprengt werden, dass<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> dort nichts zu suchen haben<br />

und dass diese Art von Arbeit gänzlich<br />

unmöglich für K<strong>in</strong><strong>der</strong> sei. Dennoch,<br />

ich wollte mir selber e<strong>in</strong> Bild machen:<br />

In allen Ste<strong>in</strong>brüchen, die ich unangekündigt<br />

besuchte, traf ich K<strong>in</strong><strong>der</strong> an.<br />

Oft waren mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />

Arbeitenden weniger als 16 Jahre alt.<br />

<strong>Die</strong> Idee, e<strong>in</strong> Prüfsiegel e<strong>in</strong>zuführen,<br />

das es dem europäischen Endkunden<br />

ermöglicht, zwischen e<strong>in</strong>em Grabste<strong>in</strong><br />

mit und e<strong>in</strong>em ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Skla-<br />

venarbeit zu unterscheiden, ist <strong>in</strong>zwischen<br />

<strong>in</strong> die Realität umgesetzt. XertifiX<br />

hat unabhängige Kontrolleure vor<br />

Ort im E<strong>in</strong>satz, die unangekündigt diejenigen<br />

Ste<strong>in</strong>brüche besuchen, die sich<br />

verpflichtet haben, ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und<br />

Sklavenarbeit zu produzieren und M<strong>in</strong>deststandards<br />

des Arbeitsschutzes und<br />

Arbeitsrechts e<strong>in</strong>zuhalten.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die täglich ungeschützt dem<br />

Ste<strong>in</strong>staub ausgesetzt s<strong>in</strong>d, erkranken<br />

später häufig an Ste<strong>in</strong>staublunge und<br />

sterben daran. Auch Arbeitsunfälle s<strong>in</strong>d<br />

ke<strong>in</strong>e Seltenheit. Bei den Sprengungen<br />

werden kle<strong>in</strong>ere, abgesprengte Trümmerste<strong>in</strong>e<br />

oft so weit herumgeschleu<strong>der</strong>t,<br />

dass sie die Arbeiter im Nachbarste<strong>in</strong>bruch<br />

treffen, die sich nicht <strong>in</strong><br />

Sicherheit br<strong>in</strong>gen konnten.<br />

XertifiX geht es nicht nur darum, dem<br />

Konsumenten <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong> gutes Gewissen<br />

beim E<strong>in</strong>k<strong>auf</strong> e<strong>in</strong>es Grabste<strong>in</strong>s<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Küchenplatte aus Granit zu<br />

verschaffen. XertifiX möchte vor allem<br />

auch an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> Indien die<br />

Möglichkeiten geben, ihre fundamentalen<br />

Grundrechte wahrzunehmen.<br />

Das Recht <strong>auf</strong> Unversehrtheit zum Beispiel<br />

und das Recht <strong>auf</strong> Bildung. Oft<br />

gibt es aber gar ke<strong>in</strong>e Schulen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nähe <strong>der</strong> Exportste<strong>in</strong>brüche, und so arbeitet<br />

XertifiX heute eng mit dem<br />

Hilfswerk Misereor zusammen, das se<strong>in</strong>e<br />

Anstrengungen <strong>in</strong> Bezug <strong>auf</strong> Bildungsprogramme<br />

für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

Ste<strong>in</strong>brüchen <strong>in</strong> den vergangenen Jahren<br />

stark ausgebaut hat.<br />

Das Innovative daran: XertifiX ist ausschließlich<br />

mit ehrenamtlichem Engagement<br />

<strong>in</strong> die Tat umgesetzt worden. Es<br />

geht nicht darum, noch mehr Bürokratie<br />

und e<strong>in</strong>en großen Apparat <strong>auf</strong>zubauen,<br />

son<strong>der</strong>n mit Begeisterung und<br />

Tatkraft denjenigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die aus<br />

dieser Form <strong>der</strong> Sklaverei befreit werden<br />

konnten, Schulbildung und die<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>er Berufsausbildung zu<br />

geben. Für die Endverbraucher wird<br />

<strong>der</strong> XertifiX-Ste<strong>in</strong> ohne verbotene K<strong>in</strong><strong>der</strong>-<br />

und Sklavenarbeit gerade mal zwei<br />

Prozent teurer. Nur bei Ste<strong>in</strong>en mit<br />

dem XertifiX-Siegel können sie sicher<br />

se<strong>in</strong>, dass er unter legalen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

hergestellt wurde. E<strong>in</strong>ige kürzlich <strong>auf</strong>getauchte<br />

Selbstbesche<strong>in</strong>igungen <strong>der</strong><br />

Exporteure s<strong>in</strong>d das Papier nicht wert,<br />

<strong>auf</strong> das sie geschrieben wurden. Wer<br />

besche<strong>in</strong>igt sich schon gern selbst, dass<br />

er bestehende Gesetze verletzt?<br />

Benjam<strong>in</strong> Pütter<br />

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