netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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DIE LANGFRISTIGEN<br />
KOSTEN DER VERNETZUNG<br />
WERDEN DIE VORTEILE<br />
BEI WEITEM ÜBERSCHIESSEN<br />
26<br />
kunft zu sichern. <strong>Die</strong> hoheitlichen Aufgaben des Staates werden <strong>auf</strong> diese Weise<br />
„feudalisiert“, und <strong>der</strong> Verfall <strong>der</strong> staatlichen Ordnung beschleunigt sich. Am<br />
Schluss s<strong>in</strong>d die Reste des Staatsapparats damit beschäftigt, Ressourcen für ihre<br />
Versorgung abzuschöpfen, ohne dafür e<strong>in</strong>e Gegenleistung zu erbr<strong>in</strong>gen. Aus <strong>der</strong><br />
Tauschbeziehung zwischen politischer Klasse und Volk ist e<strong>in</strong> bloßes Ausplün<strong>der</strong>ungsverhältnis<br />
geworden.<br />
Was den Zerfall von Staatlichkeit an den Rän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wohlstandszonen<br />
kennzeichnet, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> OECD-Welt so nicht zu beobachten. Aber auch hier<br />
erodiert die frühere Korruptionsresistenz. Es ist zu fragen, <strong>in</strong>wieweit die zunehmende<br />
Netzwerkbildung, die ke<strong>in</strong>eswegs <strong>auf</strong> wirtschaftliche und wissenschaftliche<br />
Fel<strong>der</strong> begrenzt bleibt, Formen von Kooperation und Vertrauensbildung hervorbr<strong>in</strong>gt,<br />
die nicht nur zu e<strong>in</strong>er Korrumpierung von E<strong>in</strong>zelpersonen, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> gesamten politischen Ordnung führt. E<strong>in</strong> Indikator solcher Netzwerkbildung<br />
ist die Ausbreitung von Nichtregierungsorganisationen, die sich unter Verweis<br />
<strong>auf</strong> die von ihnen verfolgten ethisch hochstehenden Ziele dem <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Misstrauen entziehen. Unter <strong>der</strong> Parole <strong>der</strong> Privatisierung und <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
nach Effektivierung greift das schnell <strong>auf</strong> die klassische Bürokratie über.<br />
Netzwerke können Misstrauen als funktionales Element des politischen<br />
Systems nicht <strong>in</strong>tegrieren; Elitenzirkulation ist ihnen ebenso fremd wie <strong>in</strong>stitutionell<br />
abgesicherte Karrieren. Dabei ist <strong>auf</strong>fällig, dass unter dem Diktat von<br />
Beschleunigungszwängen das e<strong>in</strong>stige Wissen um die Vorteile von Entschleunigung<br />
verlorengegangen ist. Angesichts <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>in</strong>ternationaler Konkurrenz<br />
und unter dem hegemonialen E<strong>in</strong>fluss neoliberaler Ideologien kommt es so<br />
zu e<strong>in</strong>em schrittweisen Abbau nicht nur bürokratischer Großorganisationen,<br />
son<strong>der</strong>n auch des <strong>in</strong> sie verwobenen Netzes von Kompetenzverteilungen und<br />
Kontrollmechanismen. <strong>Die</strong> unerwünschten Effekte dieser Entwicklung werden<br />
uns <strong>in</strong> Form steigen<strong>der</strong> Korruption mit Sicherheit ereilen. <strong>Die</strong> Folge werden eilig<br />
<strong>in</strong> Gang gesetzte Prozesse des Umsteuerns se<strong>in</strong>. Das Fatale daran ist jedoch, dass<br />
das Heilmittel dann im Aufbau neuer Bürokratien und nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
o<strong>der</strong> Erneuerung des kunstvollen Gewebes <strong>der</strong> Gewaltenteiligkeit liegen<br />
wird. <strong>Die</strong> Gewaltenteilung war e<strong>in</strong>e effektive Lösung für den E<strong>in</strong>bau von Misstrauen<br />
<strong>in</strong> das politische System bei gleichzeitiger Neutralisierung <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
negativen Effekte. Vor dieser Herausfor<strong>der</strong>ung erweist sich Netzwerkbildung<br />
als unterkomplex und kontraproduktiv. <strong>Die</strong> langfristigen Kosten <strong>der</strong><br />
Vernetzung werden <strong>der</strong>en kurzfristige Vorteile bei weitem überschießen. <strong>Die</strong><br />
politische Vernunft ist dabei, den Suggestionen ökonomischer Anreize zu erliegen.<br />
Das wird uns teuer zu stehen kommen.<br />
<strong>Die</strong> österreichische Frauenm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Maria Rauch-Kallat beim Network<strong>in</strong>g<br />
Bundeskanzleramt Wien, 30. 11. 2005<br />
www.bmgf.gv.at