netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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steuern. Das Interesse an Pilgerfahrten beschränkt<br />
sich dabei nicht <strong>auf</strong> die ältere Generation, auch<br />
Jugendliche und junge Erwachsene unternehmen<br />
sie im Kreise <strong>der</strong> Familie o<strong>der</strong> mit Freunden, weil<br />
sich dabei Geme<strong>in</strong>schaft und Vergnügen mit religiösen<br />
Interessen verb<strong>in</strong>den lassen.<br />
<strong>Die</strong> Breitenwirkung <strong>der</strong> Medien und<br />
neuen Technologien – das Internet, mythologische<br />
Comics, Fernsehserien und K<strong>in</strong>ofilme – führen<br />
nicht nur zu e<strong>in</strong>er stärkeren Homogenisierung h<strong>in</strong>duistischer<br />
Rituale, son<strong>der</strong>n sie s<strong>in</strong>d für die jüngere<br />
Generation auch die wichtigste Quelle <strong>der</strong> Vermittlung<br />
religiösen Wissens. Charismatische Fernseh-<br />
Gurus rezitieren täglich <strong>in</strong> diversen Fernsehkanälen<br />
Textstellen aus den heiligen Schriften und bauen<br />
sich, ähnlich wie die Medienpriester Amerikas, e<strong>in</strong><br />
schillerndes Imperium <strong>auf</strong>, mit Anhängern, die vornehmlich<br />
aus <strong>der</strong> traditionellen Mittelklasse stammen.<br />
Mit e<strong>in</strong>em täglichen Fernsehkonsum von etwa<br />
zwei bis drei Stunden und e<strong>in</strong>er Vorliebe für religiöse<br />
Sendungen und Familiendramen s<strong>in</strong>d es die Hausfrauen,<br />
die diesen medialen E<strong>in</strong>flüssen am stärksten<br />
ausgesetzt s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> Breitenwirkung <strong>der</strong> Massenmedien,<br />
die bestimmte Gottheiten und Heilige <strong>in</strong>s<br />
Zentrum ritueller Verehrung stellen, begünstigt <strong>in</strong><br />
den schnelllebigen Metropolen Götter- und Heiligenmoden,<br />
die sich wie an<strong>der</strong>e Moden über e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Zeitraum <strong>auf</strong>bauen und genauso auch<br />
wie<strong>der</strong> „entladen“ können.<br />
Bemerkenswert an <strong>der</strong> gegenwärtigen religiösen<br />
Entwicklung ist, dass Heiler und Wun<strong>der</strong>gurus wie<br />
Mata Nirmala Devi, Shri Shri Ravi Shankar o<strong>der</strong><br />
Sathya Sai Baba <strong>in</strong> ihrer Popularität und Anziehungskraft<br />
die kontemplativen, meditierenden<br />
Gurus – beispielsweise den bedeutenden Heiligen<br />
Ramana Maharishi – weitgehend abgelöst haben.<br />
Puja-Zeremonie, Mumbai, November 2002<br />
Kontemplative Gurus, die mit <strong>der</strong> Upanischaden-<br />
Tradition verbunden werden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> jüngeren<br />
Generation <strong>der</strong> Mittel- und Oberschicht nicht länger<br />
<strong>der</strong> Fokus spiritueller Interessen. Vielmehr wendet<br />
sich <strong>der</strong> flexible H<strong>in</strong>du solchen Gurus und religiösen<br />
Praktiken zu, die wenig Zeit<strong>auf</strong>wand, dafür<br />
aber hohes religiöses Verdienst versprechen. Gurus<br />
wie Sathya Sai Baba o<strong>der</strong> Shri Shri Ravi Shankar treffen<br />
mit ihren Weltanschauungen das „religiöse<br />
Gefühl“ des flexiblen H<strong>in</strong>dus, da sie sich auch ganz<br />
an den zwei großen Themen des h<strong>in</strong>duistischen<br />
grand récit orientieren: <strong>der</strong> Toleranz und <strong>der</strong> Universalität.<br />
So vere<strong>in</strong>en sich beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sathya-<br />
Sai-Baba-Bewegung – e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> größten Guru-<br />
Bewegungen <strong>der</strong> Gegenwart – religiöse Stilelemente<br />
aus verschiedensten Traditionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wilden<br />
Eklektizismus. Aspekte des Shivaismus, Vaishnavismus,<br />
Shaktismus und des Christentums werden –<br />
ganz im S<strong>in</strong>ne des postmo<strong>der</strong>nen Relativismus –<br />
neu ausgelegt und als „Universalismus“ deklariert.<br />
<strong>Die</strong>ser Anspruch <strong>auf</strong> Universalität, den wir bereits<br />
beim H<strong>in</strong>du-Nationalisten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er hoffnungsvollen<br />
Vision e<strong>in</strong>er weltweiten Vorherrschaft des H<strong>in</strong>duismus<br />
gesehen haben, drückt sich auch <strong>in</strong> dem<br />
religiösen Symbol <strong>der</strong> Sathya-Sai-Baba-Geme<strong>in</strong>schaft<br />
aus: e<strong>in</strong>em fünfblättrigen Lotus, <strong>auf</strong> dessen<br />
Blättern das h<strong>in</strong>duistische Om-Zeichen, das christliche<br />
Kreuz, das zoroastrische Feueremblem, das<br />
buddhistische Rad und <strong>der</strong> islamische Halbmond<br />
mit Stern abgebildet s<strong>in</strong>d.<br />
Ähnlich wie die Sathya-Sai-Baba-Bewegung und<br />
an<strong>der</strong>e religiöse Geme<strong>in</strong>schaften ist das Sammelbecken<br />
New Age, das seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 90er Jahre<br />
zunehmend auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen Mittelschicht<br />
Fuß fasst, exemplarisch für e<strong>in</strong>e postmo<strong>der</strong>ne Religiosität,<br />
die im h<strong>in</strong>duistischen Relativismus und<br />
Inklusivismus bereits vorweggenommen sche<strong>in</strong>t.<br />
WHO/P. Virot