netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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Editorial<br />
<strong>Die</strong>se Ausgabe <strong>der</strong> GAZETTE ist unter <strong>der</strong> Hand,<br />
also ungeplant, zu etwas wie e<strong>in</strong>em Themenheft geworden:<br />
Aus Textideen, Dokumenten, Begegnungen<br />
und den bekannten ungelösten politischen Fragen<br />
entwickelte sich, ohne dass dies zur Gewohnheit<br />
werden soll, fast e<strong>in</strong> Schwerpunktthema: Islamismus<br />
und Islam.<br />
Es begann mit dem Fund e<strong>in</strong>es außergewöhnlichen<br />
und <strong>in</strong> Deutschland weith<strong>in</strong> unbekannten Textes,<br />
<strong>der</strong> sogenannten Organisation <strong>der</strong> Barbarei. <strong>Die</strong>se<br />
detaillierte Anleitung zum bewaffneten Dschihad<br />
ist mit großer Sicherheit ke<strong>in</strong>e Fälschung. Wir br<strong>in</strong>gen<br />
e<strong>in</strong>ige Auszüge daraus (die ersten <strong>in</strong> deutscher<br />
Übersetzung) <strong>in</strong> den Fundsachen.<br />
Der Text zeigt bee<strong>in</strong>druckende Charakeristika. Er<br />
betont erstens die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er straffen zentralen<br />
Organisation und verurteilt jede aktionistische<br />
Eigenmächtigkeit. <strong>Die</strong> gefährliche Phase, „die die<br />
Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Gläubigen jetzt durchschreiten<br />
wird“ (wie <strong>der</strong> Untertitel lautet), erfor<strong>der</strong>e Verwaltungskenntnisse,<br />
die „Organisation“ – o<strong>der</strong> auch das<br />
„Management“– des chaotischen Übergangszustands,<br />
<strong>der</strong> hier „Barbarei“ genannt wird. Sodann beweist<br />
<strong>der</strong> Autor e<strong>in</strong>e hohe Vertrautheit mit <strong>der</strong> politischen<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Medien (<strong>in</strong> <strong>der</strong> westlichen<br />
Welt), die im Kampf bisher zu wenig beachtet worden<br />
sei.<br />
Der Text ist vor allem deshalb ke<strong>in</strong>e leichte Lektüre,<br />
weil er nicht, wie es <strong>der</strong> eurozentrische Leser von<br />
Sachtexten gewohnt ist, e<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>earen Sachlogik<br />
folgt, son<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong> die sprachlichen Mittel<br />
des blumigen Vergleichs, <strong>der</strong> Ermahnung und des<br />
frommen Appells e<strong>in</strong>setzt. Sich dem mith<strong>in</strong> schwierigen<br />
Text trotzdem auszusetzen, führt zu <strong>der</strong> Erfahrung<br />
e<strong>in</strong>er sehr eigentümlichen Text„stimmung“<br />
und Argumentationsweise.<br />
Der Brief Präsident Ahmad<strong>in</strong>edschads an Angela<br />
Merkel (ebenfalls <strong>in</strong> den Fundsachen) verwendet erkennbar<br />
ganz an<strong>der</strong>e sprachliche Mittel: die rhetorische<br />
Frage, die <strong>in</strong>direkte Frage sowie für wirksam gehaltene<br />
Komplimente an die Frau und die Deutsche.<br />
Das Argument <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Redaktion für die Veröffentlichung<br />
war nicht die politische Naivität, je<strong>der</strong><br />
solle sich hier „se<strong>in</strong> eigenes Urteil bilden“, son<strong>der</strong>n<br />
die Dokumentation e<strong>in</strong>es Schreibens, das vom<br />
Bundskanzleramt nicht beantwortet wurde, wohl<br />
nicht gut beantwortet werden konnte. Und fast wäre<br />
die Veröffentlichung noch an dem E<strong>in</strong>wand gescheitert,<br />
dadurch würde e<strong>in</strong> Staatschef <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>em diplomatischen<br />
Ungeschick vorgeführt.<br />
Der Beitrag von Siegl<strong>in</strong>de Eva Tömmel, e<strong>in</strong> kulturpsychoanalytischer<br />
Versuch, geht e<strong>in</strong>er Antwort <strong>auf</strong><br />
die Frage nach, ob e<strong>in</strong> ganzer Kulturkreis – wie etwa<br />
<strong>der</strong> arabische – durch historische Ereignisse e<strong>in</strong>e<br />
„narzisstische Kränkung“ erfahren und dar<strong>auf</strong> nur<br />
noch durch e<strong>in</strong>en Ausbruch „ohnmächtiger Wut“ reagieren<br />
kann (wie wir es von Individuen kennen).<br />
E<strong>in</strong>e politische Agenda ergibt sich aus diesem Versuch<br />
noch nicht, aber möglicherweise e<strong>in</strong> erster Ansatz<br />
zu e<strong>in</strong>em besseren Verständnis.<br />
In e<strong>in</strong>en historischen Rahmen stellt <strong>der</strong> Religionswissenschaftler<br />
Professor Dr. Michael von Brück im<br />
Interview den „<strong>in</strong>terreligiösen Dialog“. Mit erfreulicher<br />
Klarheit: Was Mitteleuropäer heute zum Beispiel<br />
als „nur noch“ konfessionellen Unterschied<br />
erfahren, war vor wenigen Jahrhun<strong>der</strong>ten <strong>der</strong><br />
Grund für e<strong>in</strong>en blutigen Kampf zweier christlicher<br />
„Religionen“. E<strong>in</strong>gehend behandelt <strong>der</strong> Wissenschaftler<br />
die Beziehungen zwischen Religion und<br />
Rechtsprechung (die es auch im Westen gibt) und<br />
die <strong>der</strong>zeit herrschende Angst vor <strong>der</strong> Überfremdung<br />
durch e<strong>in</strong>en „als eroberungswillig<br />
wahrgenommenen“ Islam. Gleichwohl erleben wir<br />
heute die Nachbarschaft e<strong>in</strong>er vierten Religion nicht<br />
nur <strong>in</strong> Europa (gewissermaßen „bei den an<strong>der</strong>n“),<br />
son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> Deutschland. <strong>Die</strong> gewaltige Bildungs<strong>auf</strong>gabe<br />
jedoch, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same, nicht-ausschließende<br />
Geschichte Europas zu schreiben, aus<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Islam nicht weggeblendet wird, dieser Bildungsprozess<br />
steht dem alten Kont<strong>in</strong>ent noch<br />
bevor.<br />
Literarisch umkreist <strong>Die</strong>trich Krusche den „Islamismus“<br />
mit se<strong>in</strong>er Erzählung Woh<strong>in</strong> gehst du, Bru<strong>der</strong>?.<br />
Dem Ich-Erzähler, e<strong>in</strong>em deutschen Literaturwissenschaftler,<br />
fällt e<strong>in</strong> ernsthafter, politisch engagierter<br />
Student <strong>auf</strong>, „mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund“<br />
und verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Mudschahedd<strong>in</strong>.<br />
Nachdem er ihn e<strong>in</strong>e Zeitlang aus den<br />
Augen verloren hat, trifft er ihn, anlässlich e<strong>in</strong>er<br />
Gastprofessur, <strong>in</strong> den USA wie<strong>der</strong>. Der Student hat<br />
sich verän<strong>der</strong>t: Er ist verschlossener, aber auch wesentlicher<br />
geworden. E<strong>in</strong> offenbar kurz bevorstehendes<br />
Attentat <strong>in</strong> London, <strong>in</strong> das <strong>der</strong> Student<br />
womöglich verwickelt ist, kann <strong>der</strong> Erzähler nicht<br />
mehr verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. – Wir br<strong>in</strong>gen zwei kurze Auszüge<br />
aus <strong>der</strong> noch ungedrucktenErzählung.<br />
Schließlich noch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis <strong>auf</strong> Andreas Zumachs<br />
Analyse <strong>der</strong> Lage Irans. Er untersucht die Situation<br />
aus – <strong>in</strong> deutschen Medien eher seltener –<br />
iranischer Perspektive, räumt e<strong>in</strong>ige auch bei uns gebräuchliche<br />
Falschmeldungen beiseite und kommt<br />
zu dem Ergebnis: E<strong>in</strong>e politische Lösung kann nur<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kollektiven Sicherheitsabkommen gefunden<br />
werden (an dem selbstverständlich Israel beteiligt<br />
se<strong>in</strong> muss, auch wenn diese Vorstellung heute noch<br />
utopisch kl<strong>in</strong>gt).<br />
Wir, Redaktion, Beirat und Verlag, freuen uns,<br />
dass wir mit dieser Nummer 12 den dritten Jahrgang<br />
<strong>der</strong> Zeitschrift vollenden und immer noch <strong>auf</strong> eigenen<br />
Be<strong>in</strong>en stehen. Und am 15. März 2007 ersche<strong>in</strong>t<br />
die nächste GAZETTE.<br />
Wir wünschen Ihnen allen e<strong>in</strong> glückliches Neues<br />
Jahr.<br />
Fritz R. Glunk<br />
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