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netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette

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Hubertus Mynarek hat e<strong>in</strong> Papst-Buch<br />

vorgelegt und musste wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal erfahren,<br />

dass fundierte Kirchenkritik <strong>in</strong><br />

Deutschland mit Problemen verbunden<br />

ist. Das Ersche<strong>in</strong>en des Buches zum avisierten<br />

Zeitpunkt, dem Tod von Johannes<br />

Paul II., fand nicht statt, jedenfalls<br />

nicht beim Auftraggeber, dem Fischer<br />

Taschenbuch Verlag. Es war zwar druckfertig,<br />

wurde aber im letzten Moment<br />

zurückgezogen. Das Buch erschien dann<br />

mit zeitlicher Verzögerung beim Ahriman<br />

Verlag <strong>in</strong> Freiburg, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reihe<br />

„Unerwünschte Bücher zur Kirchenund<br />

Religionsgeschichte“. Im Vorwort<br />

erklärt Mynarek se<strong>in</strong> Unverständnis über<br />

den Rückzug des Fischer Verlags und<br />

vermutet kirchliche Manipulationen, bei<br />

Fischer äußert man sich nicht – man<br />

habe sich mit dem Autor schon gee<strong>in</strong>igt.<br />

Vom großen Fischer zum kle<strong>in</strong>en Ahriman,<br />

das bedeutet weniger Publikum<br />

und somit weniger Aufmerksamkeit für<br />

e<strong>in</strong> Buch, das gewiss ke<strong>in</strong> Schnellschuss<br />

<strong>in</strong> Sachen Papstliteratur ist. Es gehört<br />

zum raren Genre kirchenkritischer Literatur,<br />

die ihr Dase<strong>in</strong> nicht nur <strong>der</strong> erklärten<br />

Opposition zur katholischen Kirche<br />

verdankt, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>schlägiger Sachkenntnis<br />

und detaillierter Vermittlung<br />

komplexer Zusammenhänge. Prof. Dr.<br />

Hubertus Mynarek (geb. 1929 <strong>in</strong> Oberschlesien)<br />

war selbst e<strong>in</strong> Kirchenmann,<br />

<strong>in</strong> Polen studierter Theologe, geweihter<br />

Priester, Professor <strong>in</strong> Bamberg und Dekan<br />

<strong>der</strong> Theologischen Fakultät <strong>der</strong> Universität<br />

Wien. Er hat allerd<strong>in</strong>gs die Theologie<br />

etwas eigenwillig verstanden, geriet<br />

mit dem Dogmatismus <strong>in</strong> Konflikt, trat<br />

im Jahr 1972 aus <strong>der</strong> katholischen Kirche<br />

aus, wurde sogleich zwangspensioniert<br />

und beendete damit se<strong>in</strong>en „langen<br />

Marsch durch die Institution Kirche“.<br />

1973 veröffentlichte er se<strong>in</strong> kirchenkritisches<br />

Buch <strong>Die</strong> Herren und Knechte <strong>der</strong><br />

Kirche, schon dieses Debüt hat e<strong>in</strong>e<br />

Publikationsgeschichte. Nachdem es<br />

trotz 50000-DM-Vorschuss, medienwirksamer<br />

Bewerbung und externer<br />

Vorprüfung – man hatte es schließlich<br />

mit <strong>der</strong> Kirche zu tun – vom Auftraggeber<br />

Bertelsmann Verlag zurückgezogen<br />

worden war, erschien es bei Kiepenheuer<br />

& Witsch. Der dortige Verleger Re<strong>in</strong>hold<br />

Neven DuMont hat dann auch teilweise<br />

an Julius Campe er<strong>in</strong>nernde Maß-<br />

Bilanz e<strong>in</strong>es Pontifikats<br />

<strong>Die</strong> Fülle <strong>der</strong> Offenbarung<br />

nahmen gegen kirchliche Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungsversuche<br />

ergriffen, <strong>der</strong> Anfang als freier<br />

Autor hat Mynarek dennoch wirtschaftlich<br />

ru<strong>in</strong>iert. Zum e<strong>in</strong>en überzogen ihn<br />

die Vertreter <strong>der</strong> Kirche jahrelang mit<br />

über e<strong>in</strong>em Dutzend hochdotierter Beleidigungsklagen<br />

vor bayerischen Gerichten,<br />

die relativ harmlose D<strong>in</strong>ge wie<br />

die angebliche Fistelstimme e<strong>in</strong>es höheren<br />

Klerikers o<strong>der</strong> die Bezeichnung Zappelphilipp<br />

ahndeten – nicht jedoch die<br />

sehr lesenswerten Tatbestände aus den<br />

Untiefen des klerikalen Systems. Zum<br />

an<strong>der</strong>en verlangte Bertelsmann den Vorschuss<br />

zurück, was wie<strong>der</strong> langwieriges<br />

Prozessieren bedeutete – <strong>der</strong> Konzern<br />

war allerd<strong>in</strong>gs nicht so erfolgreich wie die<br />

beleidigten Kleriker.<br />

Mynarek berichtet über diese und weitere<br />

Erfahrungen (Telefonterror, Zerstechen<br />

von Reifen, Hassbriefe, Pfändungen<br />

durch den eigenen Anwalt, Leben<br />

<strong>auf</strong> Sozialhilfeniveau) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erweiterten<br />

Neu<strong>auf</strong>lage von Herren und Knechte<br />

<strong>der</strong> Kirche (Historia Verlag 2002). Auch<br />

diese existenzielle Erfahrung ist lesenswert<br />

und erklärt manches am religiösen<br />

Fanatismus <strong>in</strong> Deutschland, vor allem<br />

die ganz und gar unbarmherzigen Strategien<br />

<strong>der</strong> Kirche, die ihre spezielle Heilsgeschichte<br />

doch gerade mit christlicher<br />

Barmherzigkeit fundieren. Der zweite<br />

Aspekt, die Missionierung, sche<strong>in</strong>t effektiver<br />

zu l<strong>auf</strong>en, die Unterdrückung <strong>der</strong><br />

Kritiker jedenfalls, beson<strong>der</strong>s wenn diese<br />

aus den eigenen Reihen kommen und<br />

wissen, wovon sie schreiben.<br />

Der Autor ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en autobiografischen<br />

Perspektiven jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

rhetorisch wohlkalkulierten Opferperspektive,<br />

die – bei allem Respekt für das<br />

durchstandene Leid – e<strong>in</strong> wenig märtyrerhaft<br />

kl<strong>in</strong>gt. In <strong>der</strong> mit mehreren Vorund<br />

Begleitwörtern reichlich bestückten<br />

Neuausgabe von Herren und Knechte<br />

schreibt er dazu:<br />

„Wer mir unter H<strong>in</strong>weis <strong>auf</strong> den<br />

Umstand, dass manche Fakten dieses<br />

Buches mit me<strong>in</strong>em Leben eng verbunden<br />

s<strong>in</strong>d, den Vorwurf des Subjektivismus<br />

machen möchte, möge bedenken,<br />

dass e<strong>in</strong> solcher Vorwurf gegen die Struktur<br />

und Abfolge engagierten, hart an <strong>der</strong><br />

Sache bleibenden Denkens und Schreibens<br />

überhaupt gerichtet wäre. Denn es<br />

ist nun e<strong>in</strong>mal so, dass man erst am eige-<br />

nen Leib die Ungerechtigkeit e<strong>in</strong>es autoritären<br />

Systems erfahren haben muss, um<br />

ganz offen und sensibel für die Repressionen<br />

zu se<strong>in</strong>, die es an<strong>der</strong>en zufügt.“<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Unterdrückung „am<br />

eigenen Leib“ ist hier auch die Unterdrückung<br />

e<strong>in</strong>er nicht gerade naiv verfolgten<br />

theologischen Elitekarriere. Und das<br />

weckt den Verdacht, dass im Zeichen von<br />

theologischer Dissidenz und Zwangspensionierung<br />

allzu persönliche Geschichten<br />

ausgetragen werden, e<strong>in</strong> privater<br />

Rachefeldzug, <strong>der</strong> vielleicht den Boulevard<br />

<strong>in</strong>teressieren sollte und weniger<br />

die öffentliche Kritik. Wenn es dafür<br />

Indizien gibt, wären es jene persönlichen<br />

Angriffe, die <strong>der</strong> Spiegel damals <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Rezension <strong>der</strong> Herren und Knechte auch<br />

dankbar kolportiert hat. In se<strong>in</strong>en späteren<br />

Publikationen hat Mynarek jedoch<br />

<strong>der</strong>lei polemische Petitessen weise unterlassen,<br />

blieb „hart an <strong>der</strong> Sache“ <strong>der</strong> Kirchenkritik,<br />

publizierte weiterh<strong>in</strong> bei Verlagen<br />

wie Goldmann, Kiepenheuer &<br />

Witsch, Ullste<strong>in</strong>, Eichborn und Econ<br />

und beschritt auch neue religiöse Wege,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Kreisen als Öko-Religion<br />

o<strong>der</strong> auch ökologischer Humanismus<br />

bekannt. Mynareks neue Religion<br />

und ihre ideologischen Implikationen<br />

und Koalitionen können hier nicht weiter<br />

verfolgt werden, publizistisch liegt er<br />

damit <strong>in</strong>zwischen im Abseits solcher Verlage<br />

wie <strong>Die</strong> Blaue Eule, Das Weiße Pferd<br />

o<strong>der</strong> dem Historia-Fachverlag für Kirchenkritik.<br />

Hier soll es um die Frage<br />

gehen, ob Mynareks Papstbuch dieses<br />

Abseits auch verdient hat.<br />

Der polnische Papst ist e<strong>in</strong> sprechen<strong>der</strong><br />

Titel. Er enthält Mynareks Kernthese<br />

über Karol Wojtyla als Papst Johannes<br />

Paul II: Bei Wojtyla sei das nationalreligiöse<br />

Attribut immanent, <strong>der</strong> Katholizismus,<br />

<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Karriere motivierte, habe<br />

<strong>in</strong> dieser Form nur <strong>in</strong> Polen überlebt, und<br />

Johannes Paul II. als polnischer Papst sei<br />

se<strong>in</strong> Produkt. <strong>Die</strong>sen Papst trage e<strong>in</strong>e von<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne unberührte Glaubensdoktr<strong>in</strong>.<br />

Sie basiere <strong>auf</strong> Thomas von Aqu<strong>in</strong>,<br />

<strong>auf</strong> dem Dogma von e<strong>in</strong>em allwissenden,<br />

allmächtigen und allgütigen Gott, <strong>auf</strong><br />

dem mariologischen Pr<strong>in</strong>zip von <strong>der</strong><br />

Unschuld <strong>der</strong> Gottesmutter, vor allem<br />

aber <strong>auf</strong> <strong>der</strong> spezifisch katholischen Idee<br />

von <strong>der</strong> universalen Erbsünde, <strong>der</strong> man<br />

nur mithilfe spezifisch katholischer Religionsausübung<br />

beikommen kann. Mynarek<br />

charakterisiert Wojtylas Glaubensdoktr<strong>in</strong><br />

folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

Vor uns steht e<strong>in</strong> komplexes, unter musealarchäologischen<br />

Gesichtspunkten sogar hoch<br />

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