netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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sche Armee wird nicht mehr wie bisher gefürchtet.<br />
Angesichts <strong>der</strong> überaus ernsten Zukunftsgefahren<br />
(<strong>der</strong> Atomprogramme Nordkoreas und des Iran),<br />
haben Amerika und se<strong>in</strong>e Verbündeten heute we<strong>der</strong><br />
die Legitimität noch das militärische Potenzial,<br />
diese beiden Krisen aus e<strong>in</strong>er Position <strong>der</strong> Stärke heraus<br />
anzugehen. <strong>Die</strong> Handschrift <strong>der</strong> Neo-Konservativen<br />
(und von Tony Blair) ist <strong>auf</strong> den Landkarten<br />
weith<strong>in</strong> erkennbar: Kabul, Bagdad, Basra, Teheran,<br />
Süd-Libanon, Gaza. Kompliment, me<strong>in</strong>e Herren!<br />
EINE NEUE MÄCHTEKONSTELLATION: Das ist <strong>der</strong><br />
Befund, <strong>der</strong> sich feststellen lässt. Aber jetzt treten wir<br />
e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Schritt zurück und versuchen, etwas<br />
aus ihm zu lernen.<br />
Es hat sich also <strong>in</strong> sehr kurzer Zeit e<strong>in</strong>e neue Konstellation<br />
vom Machtzentren ergeben o<strong>der</strong> doch<br />
<strong>der</strong>en Neubewertung. <strong>Die</strong> Politik <strong>der</strong> Neo-Konservativen<br />
hat e<strong>in</strong>e zweifellos unvermeidliche Tendenz<br />
nur beschleunigt. Ihre Absicht war es, e<strong>in</strong>en Vorteil<br />
im brutalen Gewaltmarsch auszunützen, aber damit<br />
beschleunigten George W. Bush und se<strong>in</strong>e Berater<br />
nur das Ende <strong>der</strong> unipolaren Welt, das auch ohne sie<br />
e<strong>in</strong>getreten wäre. <strong>Die</strong> unipolare Welt war ja das Ergebnis<br />
des Verschw<strong>in</strong>dens <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Mitspieler,<br />
gewissermaßen e<strong>in</strong>e automatisch unipolare Welt.<br />
Notwendigerweise musste <strong>der</strong> Tag kommen, an dem<br />
die früheren Akteure wie<strong>der</strong> <strong>auf</strong> die Bühne zurückkehren<br />
und zudem neue Mitspieler <strong>auf</strong>treten würden.<br />
Aber verlieren wir nicht die Größenordnungen<br />
aus dem Blick: Amerika bewahrt sich trotzdem e<strong>in</strong>e<br />
absolute militärische Übermacht (selbst wenn sie<br />
<strong>auf</strong> den Schauplätzen <strong>der</strong> aktuellen Krise nur<br />
schwierig e<strong>in</strong>zusetzen ist); das Land ist immer noch,<br />
wie Madele<strong>in</strong>e Albright sagte, „die unverzichtbare<br />
Großmacht“, <strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> globalisierten<br />
Welt. <strong>Die</strong> Politik <strong>der</strong> USA wird jetzt e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Kursän<strong>der</strong>ung erfahren. Condoleezza Rice als Außenm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />
symbolisiert e<strong>in</strong>e Wendung zum<br />
Realismus, auch wenn es noch zu früh ist für e<strong>in</strong>e abschließende<br />
Beurteilung <strong>der</strong> Tragweite dieser Verän<strong>der</strong>ung.<br />
Und jedenfalls wird e<strong>in</strong>e neue US-Regierung<br />
im Jahr 2009 die Karten wie<strong>der</strong> neu mischen.<br />
<strong>Die</strong> geostrategische Macht <strong>der</strong> USA ist also nicht<br />
mehr das, was sie e<strong>in</strong>mal war. Parallel dazu ist <strong>der</strong><br />
Schwung des amerikanischen Wirtschaftsmotors<br />
ebenfalls im Schw<strong>in</strong>den: Schon zeichnen sich die<br />
ökonomischen Schwergewichte von morgen ab,<br />
Ch<strong>in</strong>a und Indien. Man muss deshalb nicht gleich<br />
e<strong>in</strong>e neue Weltkarte zeichnen. Vor etwa e<strong>in</strong>em Jahrzehnt<br />
sprach man bereits vom Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> USA<br />
und von Japan als <strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest wirtschaftlichen<br />
Großmacht <strong>der</strong> Zukunft. Der Anteil von Indien<br />
und Ch<strong>in</strong>a am Welt-Bruttosozialprodukt beträgt<br />
aber lediglich 2 bzw. 4 Prozent gegenüber 29 Prozent<br />
für die USA. Gleichwohl ist es e<strong>in</strong>e Tatsache, dass die<br />
beiden asiatischen Riesen Indien und Ch<strong>in</strong>a, falls<br />
ihr Wirtschaftswachstum <strong>auf</strong> dem <strong>der</strong>zeitigen<br />
Niveau (6 bzw. 9,5 Prozent im Schnitt <strong>der</strong> letzten<br />
zehn Jahre) stetig bleibt, und unter Berücksichtigung<br />
ihres Bevölkerungsreichtums <strong>in</strong> dieselbe Liga<br />
gehören werden wie die USA und Japan. (...)<br />
DIE RÜCKKEHR DER LEIDENSCHAFTEN: Wenn wir<br />
e<strong>in</strong>s gelernt haben seit dem 11. September, dann<br />
dies: Über unsere traditionellen Erklärungsschablonen<br />
(wirtschaftliche, militärische, demografische<br />
Daten) hat sich e<strong>in</strong>e neue Sichtweise gelegt,<br />
e<strong>in</strong>e Erkenntnis kultureller Gegebenheiten. Freilich:<br />
<strong>Die</strong> Informierten unter uns mussten nicht <strong>auf</strong><br />
Professor Hunt<strong>in</strong>gton warten, um die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Kultur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geopolitik zu sehen. Milan Kun<strong>der</strong>a<br />
hat schon Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre die Lage <strong>der</strong><br />
osteuropäischen Län<strong>der</strong> brilliant beschrieben, als er<br />
von e<strong>in</strong>em „gekidnappten Westen“ sprach. Pierre<br />
Hassner hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schönen Untersuchung <strong>der</strong><br />
„Revanche <strong>der</strong> Leidenschaften“ die Diskussion <strong>auf</strong><br />
das richtige Niveau angehoben. Ganz im Gegensatz<br />
zu den Erwartungen <strong>der</strong> Aufklärung mil<strong>der</strong>t das<br />
vernünftige Interesse nicht immer die Leidenschaft,<br />
es kann sogar vorkommen, dass die Leidenschaften<br />
gegen das Interesse zum Zug kommen. <strong>Die</strong><br />
Globalisierung br<strong>in</strong>gt ethnische und religiöse<br />
Geme<strong>in</strong>schafts-Identitäten <strong>in</strong> helllichten Zorn.<br />
Wir verän<strong>der</strong>n den Titel von Hassners Studie nur<br />
e<strong>in</strong> wenig und stellen e<strong>in</strong>fach fest: <strong>Die</strong> Globalisierung<br />
bedeutet auch die Rückkehr <strong>der</strong> Leidenschaften.<br />
E<strong>in</strong>e dieser Leidenschaften haben wir bereits <strong>in</strong><br />
Aktion gesehen, e<strong>in</strong>e ansteckende Variante, und<br />
zwar <strong>auf</strong> dem weltweiten Schauplatz <strong>der</strong> Nach-<br />
Afghanistan-Zeit: die amerikanische Hybris. E<strong>in</strong>e<br />
an<strong>der</strong>e leidenschaftliche Kraft steckt <strong>in</strong> <strong>der</strong> antiwestlichen<br />
und anti-amerikanischen Haltung vieler<br />
Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dritten Welt. Solche Leidenschaften<br />
wurzeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em äußerst stark erregten Gefühl <strong>der</strong><br />
Ungerechtigkeit. Und sie werden nicht schwächer<br />
durch die E<strong>in</strong>beziehung dieser Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> die globalisierte<br />
Welt, im Gegenteil: Sie werden noch schärfer.<br />
Es wäre e<strong>in</strong>e Illusion, zu glauben, <strong>der</strong> Fortschritt <strong>der</strong><br />
westlichen Ideen g<strong>in</strong>ge Hand <strong>in</strong> Hand mit e<strong>in</strong>er<br />
wirtschaftlichen Verflechtung, ebenso wie <strong>der</strong> frühere<br />
Glaube an die Konvergenz <strong>der</strong> Systeme <strong>in</strong> Ost<br />
und West. (...)<br />
WAS ZU TUN IST: Wir wollen hier nicht e<strong>in</strong> Programm<br />
für die Außenpolitik Frankreichs präsentieren.<br />
Aber nachdem wir als ihr Ziel den Übergang<br />
von e<strong>in</strong>er Weltmacht zu e<strong>in</strong>er „globalen Macht“ vorschlagen,<br />
müssten unsere Landsleute und die Regierung<br />
ganz gehörig umdenken. Sehen wir uns e<strong>in</strong>ige<br />
Beispiele dafür an:<br />
- <strong>Die</strong> Beziehung zwischen Innen- und Außenpolitik:<br />
Sie for<strong>der</strong>t von uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> globalisierten Welt<br />
noch mehr als bisher. Wir können das Problem <strong>der</strong><br />
Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>tegration nicht anständig lösen ohne<br />
e<strong>in</strong>e große Mittelmeer-Politik und e<strong>in</strong>e Entwicklungspolitik<br />
für Afrika. Wir werden ke<strong>in</strong> selbsttragend<br />
Wirtschaftswachstum haben, ohne dass wir<br />
uns besser e<strong>in</strong>fügen <strong>in</strong> die globalisierte Welt. Im<br />
Augenblick erleben wir e<strong>in</strong>e schizophrene Zweiteilung<br />
zwischen e<strong>in</strong>em Frankreich, das sich <strong>auf</strong> den<br />
ausländischen Märkten zu behaupten sucht, und<br />
e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Frankreich, das im Zeitalter des Vorsorgestaats<br />
steckengeblieben ist. Wir können unse-