netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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Es stimmt nicht, dass Englisch die l<strong>in</strong>gua<br />
franca <strong>der</strong> Welt ist. Es gibt nur fremdsprachliche<br />
Varianten davon.<br />
Am schlimmsten ist dabei die Imitation des Amerikanischen:<br />
Hier werden alle Rs so h<strong>in</strong>gebungsvoll<br />
zungengerollt, dass <strong>in</strong> diesem Dauerlaut alle Vokale<br />
<strong>auf</strong> Nimmerwie<strong>der</strong>hören verschw<strong>in</strong>den. Durchaus<br />
gewöhnungsfähig ist dagegen das, was Franzosen für<br />
Englisch halten: Man muss dabei nur wissen, dass sie<br />
alle Wörter, die irgendwie <strong>französisch</strong> aussehen<br />
(etwa „strategy“ o<strong>der</strong> „<strong>in</strong>formation society“), selbstbewusst<br />
<strong>französisch</strong> aussprechen; aber dar<strong>auf</strong> kann<br />
man sich ja e<strong>in</strong>stellen. Gut verständlich ist die polnische<br />
Englisch-Variante. Sie ist nüchtern, trocken,<br />
unaffektiert, zielt erst gar nicht <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>e Ähnlichkeit<br />
und ist deshalb auditiv durchsichtig.<br />
Im Augenblick b<strong>in</strong> ich gerade <strong>der</strong> US-Imitation<br />
ausgesetzt. Wir, e<strong>in</strong>e gute Handvoll Zuhörer, haben<br />
vor uns vier Personen <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>er Bühne und rechts,<br />
weiter vorne, den Mo<strong>der</strong>ator an e<strong>in</strong>em Pult stehend<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schier endlosen Redefluss gefangen. Es<br />
stört nicht, dass <strong>der</strong> Redner unverständlich redet,<br />
weil wir alles, was er sagt, auch <strong>auf</strong> den weltweit<br />
unvermeidlichen PowerPo<strong>in</strong>t-Projektionen mitlesen<br />
können.<br />
Wir s<strong>in</strong>d <strong>auf</strong> dem <strong>in</strong>ternationalen Ökonomischen<br />
Forum, das <strong>in</strong> diesem Jahr zum 16. Mal <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en<br />
südpolnischen Kurort stattf<strong>in</strong>det, <strong>in</strong> Krynica-<br />
Zdrój, fast an <strong>der</strong> grünen Grenze zur Slowakei. Im<br />
Kern besteht das Städtchen aus e<strong>in</strong>em etwa mandelförmigen<br />
Promenade-Platz, den neoklassizistische<br />
Gebäude und altmo<strong>der</strong>ne Neubauten e<strong>in</strong>rahmen:<br />
<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Ostseite das Neue Kurhaus, das Hauptgebäude<br />
und das Alte Badehaus und gegenüber vor<br />
allem das schöne Alte Kurhaus.<br />
In diesen Gebäuden treffen sich jährlich Anfang<br />
September etwa tausend Menschen. <strong>Die</strong> meisten<br />
kommen naturgemäß aus Polen (über e<strong>in</strong> Drittel),<br />
fast ebenso viele aus Osteuropa, etwa 20 Prozent<br />
s<strong>in</strong>d Westeuropäer, 10 Prozent Russen. E<strong>in</strong> gutes<br />
Drittel <strong>der</strong> Teilnehmer vertritt Industrie und Wirtschaft<br />
im weitesten S<strong>in</strong>n, aber auch die Abgesandten<br />
zahlreicher Universitäten, Forschungs<strong>in</strong>stitute und<br />
Th<strong>in</strong>k-Tanks s<strong>in</strong>d ebenso stark vertreten, zahlreicher<br />
als die Politiker (knapp 20 Prozent) o<strong>der</strong> die<br />
Presse (e<strong>in</strong> knappes Zehntel). Als Nachbarn <strong>in</strong><br />
Reportage<br />
Der an<strong>der</strong>e Wirtschaftsgipfel<br />
Alle reden, e<strong>in</strong>mal im Jahr, von Davos und se<strong>in</strong>em Weltwirtschaftsforum. Kaum jemand vom Ökonomischen Forum, das seit<br />
dem Ende des Kommunismus alljährlich <strong>in</strong> Krynica (Südpolen) stattf<strong>in</strong>det. Es ist im Begriff, se<strong>in</strong>en eigenen Stil und se<strong>in</strong>e eigene<br />
Agenda zu f<strong>in</strong>den (http://www.forum-ekonomiczne.pl).<br />
Von Fritz R. Glunk<br />
europa diskutieren sie <strong>in</strong> 140 kle<strong>in</strong>en und großen<br />
Veranstaltungen drei Tage lang Mikro- und Makroökonomie,<br />
<strong>in</strong>ternationale Beziehungen, Bildung<br />
und Kultur sowie Sicherheits-, Energie- und gesellschaftliche<br />
Fragen.<br />
Wichtig ist hier, wer e<strong>in</strong>e Assistent<strong>in</strong> herbeiw<strong>in</strong>ken<br />
kann, um dem Journalisten e<strong>in</strong>e Antwort (o<strong>der</strong> auch<br />
nur e<strong>in</strong>e Visitenkarte) zu geben. Am liebsten tun das<br />
prom<strong>in</strong>ente russische Teilnehmer.<br />
<strong>Die</strong> Plenumssitzung am 7. September morgens ist<br />
überraschend dünn besucht; im ehrwürdigen<br />
Balowa-Saal im ersten Stock des Alten Kurhauses<br />
belegen 80 Zuhörer erkennbar nicht die 170 Sitze.<br />
<strong>Die</strong> Statements <strong>auf</strong> dem Podium s<strong>in</strong>d von unterschiedlichem<br />
Gewicht. Viviane Red<strong>in</strong>g, EU-Kommissar<strong>in</strong><br />
für Informationsgesellschaft und Medien,<br />
trägt eher Bekanntes vor: Sie lobt Europas Lebensqualität,<br />
nennt Ch<strong>in</strong>a und Indien „Herausfor<strong>der</strong>ungen“,<br />
beklagt das Fehlen von 50 000 europäischen<br />
Ingenieuren, hält die fernsehfähigen Handys für<br />
e<strong>in</strong>en Durchbruch (sie sagt: e<strong>in</strong>e killer-application)<br />
und sieht durch die Breitband-Internet-Anb<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> den nächsten Jahren 250 000 neue Jobs entstehen.<br />
Frau Professor Gronkiewicz-Waltz (Polen) hält<br />
dem alten Kont<strong>in</strong>ent se<strong>in</strong>en Protektionismus vor<br />
und lobt den freien Markt <strong>in</strong> den USA. Der frühere<br />
Premierm<strong>in</strong>ister <strong>der</strong> Slowakei, Mikulás Dzur<strong>in</strong>da,<br />
hält die Gesundheit für den höchsten Wert (wenn<br />
auch für teuer), und im Übrigen komme es nicht<br />
dar<strong>auf</strong> an, Geld auszugeben, son<strong>der</strong>n Geld „zu<br />
schaffen“. Der polnische Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Andrzej<br />
Kaczmarek plädiert für e<strong>in</strong>en Wissenstransfer<br />
nach Polen, getragen durch private Investitionen, da<br />
öffentliches Geld nicht mehr vorhanden sei. Durch<br />
den Saal zieht sich e<strong>in</strong> spürbarer Duft von Neoliberalismus<br />
und die Angst, Europa werde die Lissabon-<br />
Agenda verlieren, also das Ziel verfehlen, bis 2010<br />
<strong>der</strong> wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum <strong>der</strong> Welt<br />
zu werden.<br />
Ergiebiger s<strong>in</strong>d die kle<strong>in</strong>en Veranstaltungen mit<br />
zwei o<strong>der</strong> drei Dutzend Zuhörern. Hier ist auch die<br />
Themenstellung zupacken<strong>der</strong>, nicht selten provokant:<br />
„Europa – Erweiterung o<strong>der</strong> Untergang?“ zum<br />
Beispiel. Es herrschen auch an<strong>der</strong>e, weniger nur allgeme<strong>in</strong>gültige<br />
Töne vor. Josef Hochgerner, Wissenschaftlicher<br />
Leiter des Wiener Zentrums für Soziale