netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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zur Macht o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>em sechsstelligen<br />
Jahresgehalt stolpern und <strong>in</strong> den<br />
Armen e<strong>in</strong>es Versicherungsmaklers im<br />
Peek&Cloppenburg-Anzug landen werden,<br />
müssen wir ihnen ja nicht <strong>auf</strong>s operativ<br />
begradigte Näschen b<strong>in</strong>den, o<strong>der</strong>?<br />
Und wenn sie Glück haben, verprügelt<br />
<strong>der</strong> sie nicht (dieser „Frauen-Notruf“,<br />
<strong>der</strong> jeden Tag im Service-Kästchen <strong>der</strong><br />
Tageszeitung steht, gleich neben <strong>der</strong><br />
Telefonnummer vom Roten Kreuz und<br />
den Anonymen Alkoholikern, sei doch<br />
Ich komme langsam <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Alter, <strong>in</strong><br />
dem es nicht mehr ‚die an<strong>der</strong>en’ s<strong>in</strong>d,<br />
son<strong>der</strong>n me<strong>in</strong>e Bekannten, me<strong>in</strong>e<br />
Freunde und ich, denen D<strong>in</strong>ge passieren,<br />
die D<strong>in</strong>ge passieren lassen, die<br />
früher eben den unbestimmten, entfernt<br />
bekannt an<strong>der</strong>en passiert s<strong>in</strong>d.<br />
Als K<strong>in</strong>d hörte man immer von Bekannten<br />
<strong>der</strong> Eltern, Verwandten von<br />
Freunden, K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> Nachbarschaft,<br />
dass sie schreckliche Schicksale e<strong>in</strong>holten,<br />
ihnen Väter und Söhne starben,<br />
Freunde sich <strong>in</strong> viel zu früh ausgehobene<br />
Gräber tranken, junge, vielversprechende<br />
Leben verglühten o<strong>der</strong> achtlos<br />
beiseite gelebt wurden.<br />
Es gab Geschichten von armen Wesen,<br />
die man vielleicht, e<strong>in</strong> zweimal im Leben<br />
gesehen hatte, <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Straße, beim E<strong>in</strong>k<strong>auf</strong>,<br />
die Wochen, Monate, vielleicht<br />
Jahre später, am Mittagstisch wie<strong>der</strong> <strong>auf</strong>erstanden,<br />
als tragische Figuren im Lebenskarussell,<br />
von denen berichtet wurde,<br />
dass ihnen jetzt erneut e<strong>in</strong>e Frau<br />
davongel<strong>auf</strong>en, e<strong>in</strong> Haus abgebrannt<br />
war o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Krankheit ihnen ihre sieben<br />
S<strong>in</strong>ne nahm. An<strong>der</strong>e Menschen wie<strong>der</strong>um,<br />
die die ersten K<strong>in</strong><strong>der</strong>heitser<strong>in</strong>nerungslandschaften<br />
bevölkerten, s<strong>in</strong>d,<br />
so hörte man, <strong>der</strong> Liebe, dem Kummer,<br />
dem Suff verfallen, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />
aus all diesen D<strong>in</strong>gen und noch<br />
mehr, und nichts und niemand wird sie<br />
mehr vom Leben überzeugen können.<br />
Und man wird sich er<strong>in</strong>nern, dass man<br />
sie noch häufig traf, sie aber immer weni-<br />
Zwei Skizzen<br />
eher was für Unterschichtler, glaubt me<strong>in</strong><br />
Lebensgefährte), son<strong>der</strong>n geht <strong>in</strong>s Fitness-Studio<br />
o<strong>der</strong> macht Lockerungsübungen<br />
am – k<strong>in</strong><strong>der</strong>leeren – K<strong>in</strong><strong>der</strong>spielplatz.<br />
Was an sich schon wahns<strong>in</strong>nig<br />
zivilisiert ist von ihm, angesichts <strong>der</strong><br />
Wut, die sich mit <strong>der</strong> Zeit <strong>in</strong> so e<strong>in</strong>em<br />
Mann anstaut, wenn er begreift, dass<br />
(und wie!) er verarscht worden ist. Ne<strong>in</strong>,<br />
wir brauchen ke<strong>in</strong>e Angst zu haben vor<br />
Männern <strong>in</strong> Anzügen. Erst mal.<br />
Eva Herold<br />
<strong>Die</strong> an<strong>der</strong>en, das s<strong>in</strong>d jetzt wir<br />
und<br />
Zufallstreffen<br />
ger wurden, immer seltsamer und man<br />
sich von ihnen, dem Bild, das man von<br />
ihnen hatte, langsam verabschiedete –<br />
dabei sagte man nicht unbed<strong>in</strong>gt Auf<br />
Wie<strong>der</strong>sehen zu diesem, e<strong>in</strong>em Menschen,<br />
son<strong>der</strong>n eher zu se<strong>in</strong>er Statistenrolle,<br />
die er spielte, und die man ihm <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Leben zugewiesen hatte.<br />
Dann die Nachbarschaft. Alle vertraut,<br />
e<strong>in</strong>e bewohnte Oberflächlichkeit, h<strong>in</strong>ter<br />
<strong>der</strong>en Fassade man nie blicken konnte,<br />
und von <strong>der</strong> man annahm, dass ihre<br />
Äußerlichkeit, ihre hübsche, von e<strong>in</strong>er<br />
ebenso hübschen Innerlichkeit gestützt<br />
wurde. Aber dann, mit zunehmenden<br />
Jahren, wird aus <strong>der</strong> so<br />
freundlichen Nachbar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unglücklich<br />
geprügelte Frau, <strong>der</strong> so<br />
tüchtige Ehemann e<strong>in</strong> seelenkranker<br />
Mensch, die junge Dame von<br />
gegenüber, e<strong>in</strong>st so hoffnungsvoll<br />
beim Plausch über den Gartenzaun,<br />
im Munde ihre Mutter geführt,<br />
scheitert kläglich an <strong>der</strong> Illusion<br />
ihrer künstlerischen A<strong>der</strong>. Sie sucht<br />
und sucht, und f<strong>in</strong>det nicht, we<strong>der</strong><br />
sich, noch Erfüllung. Ihre Träume<br />
werden begraben, ihr Leben gleich<br />
mit, und sie endet, gescholten und<br />
unglücklich, bei e<strong>in</strong>er Bürotätigkeit.<br />
Anfänglich noch sich und die<br />
an<strong>der</strong>en mit ihren Wünschen belügend,<br />
scheitert sie – langfristig –<br />
von da ab fast täglich bereits beim<br />
Versuch des morgendlichen Aufstehens.<br />
Am Ende verliert sie Büro und<br />
e<strong>in</strong>en letzten Resthalt. Man wendet sich<br />
ab, sie taucht, als Talent, als lebensunfähiges,<br />
ab <strong>in</strong> die Vergessenheit und wird<br />
nur mehr als Ran<strong>der</strong>sche<strong>in</strong>ung, als frühe<br />
Hoffnung und späterer Absturz geführt.<br />
Dann gab es e<strong>in</strong>en väterlichen Freund,<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en als K<strong>in</strong>d kurzfristig sicher<br />
durch das Leben geleitete, <strong>der</strong> stark und<br />
übermächtig schien, <strong>der</strong> so laut lachte,<br />
dass man me<strong>in</strong>te, im Zimmer, ja im<br />
ganzen Haus sei nicht Platz genug, um<br />
dieses Lachen zu beherbergen. Später<br />
heißt es auch von diesem Menschen, e<strong>in</strong><br />
armer Hund, e<strong>in</strong> armer! Weitere Erklärungen<br />
werden we<strong>der</strong> gegeben, noch<br />
als nötig empfunden: auch er verschw<strong>in</strong>det<br />
e<strong>in</strong>fach, wird zu traurigen Anekdote.<br />
Und jetzt ist man es selber, die Hoffnung<br />
und das Scheitern, die verpasste<br />
Chance, das e<strong>in</strong>gewechselte Glück. Jetzt<br />
ist <strong>der</strong> eigene Freundeskreis voll von<br />
Müttern ohne Väter, obwohl doch genau<br />
diese Freund<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>stmals schworen:<br />
Ne<strong>in</strong>, mir wird dies nie passieren!, platzt<br />
<strong>der</strong> Kreis aus allen Nähten mit: ich wollt,<br />
ich wünscht, ich war e<strong>in</strong>mal. <strong>Die</strong> Künstler<br />
unter ihnen, die planten, bauten,<br />
schrieben, auch sie, manche nach kurzen<br />
Ausflügen <strong>in</strong> ihre Traumwelten, zurück,<br />
am Boden, meist mit <strong>der</strong> Nase vornean.<br />
O<strong>der</strong> auch lächelnd, ne<strong>in</strong>, ne<strong>in</strong>, das war<br />
damals, ich b<strong>in</strong> jetzt e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er! Gescheiterte<br />
Existenzen, Unpässlichkeiten,<br />
<strong>auf</strong>geräumte Traumgebilde, gibt es<br />
plötzlich auch <strong>in</strong> nächster Nähe, Geldsorgen,<br />
Arbeitslosigkeit, für immer zerbrochene<br />
Herzen und zertrümmerte<br />
Seelen liegen brach und so nah, ganz<br />
ohne den Schutz bekanntschaftlicher<br />
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