netzwerke in der demokratie diewelt auf französisch ... - Die Gazette
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nung, sich mit se<strong>in</strong>er Religion zum Weltenführer<br />
<strong>auf</strong>zuschw<strong>in</strong>gen. An<strong>der</strong>erseits liegt ihm aber daran,<br />
sich klar gegen das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen aller fremden E<strong>in</strong>flüsse<br />
abzugrenzen. So betrachtet <strong>der</strong> H<strong>in</strong>du-Nationalist<br />
den H<strong>in</strong>duismus als universal, weil er <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ewigen, mystischen Wahrheit beruht: <strong>der</strong> grundlegenden<br />
E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> gesamten belebten und unbelebten<br />
Schöpfung. Wenn alle Religionen also verschiedene<br />
Wege zur gleichen Wahrheit s<strong>in</strong>d – ekam sat,<br />
viprah bahudda vadanti (e<strong>in</strong>e Wahrheit, viele Wege,<br />
sie zu erreichen) –, dann ist <strong>der</strong> „fremde Glaube“<br />
zuletzt nur e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> unendlichen Ersche<strong>in</strong>ungsformen<br />
des H<strong>in</strong>duismus. Alle Religionen dieser Welt<br />
ersche<strong>in</strong>en ihm <strong>in</strong> ihrem Kern h<strong>in</strong>duistisch. Entsprechend<br />
wird e<strong>in</strong> religiöser Pluralismus nicht nur<br />
vom Traditionalisten und vom flexiblen H<strong>in</strong>du,<br />
son<strong>der</strong>n genauso vom H<strong>in</strong>du-Nationalisten akzeptiert.<br />
Denn schließlich ist es nur e<strong>in</strong> Pluralismus <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Ersche<strong>in</strong>ung.<br />
Der H<strong>in</strong>du-Nationalist würde allerd<strong>in</strong>gs argumentieren,<br />
dass man über die äußere Ersche<strong>in</strong>ung<br />
h<strong>in</strong>ausgehen müsse, um die höheren Ebenen spiritueller<br />
Evolution zu erreichen. Er schließt also e<strong>in</strong>e<br />
Hierarchie <strong>der</strong> verschiedenen Glaubensrichtungen<br />
nicht aus: Es gibt zwar viele Wege, aber nicht alle dieser<br />
Wege s<strong>in</strong>d gleichwertig. Se<strong>in</strong>e Toleranz gegenüber<br />
„ger<strong>in</strong>geren religiösen Ordnungen“ steht entsprechend<br />
mit <strong>der</strong> Hoffnung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung, dass<br />
<strong>der</strong> h<strong>in</strong>duistische dharma sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Universalismus<br />
<strong>in</strong> naher Zukunft global durchsetzen wird.<br />
Der H<strong>in</strong>du-Nationalist sieht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Globalisierung<br />
nicht nur e<strong>in</strong>e Gefahr <strong>der</strong> Überfremdung, son<strong>der</strong>n<br />
genauso se<strong>in</strong>e Chance, das „H<strong>in</strong>du-Ethos“ weltweit<br />
als universales ethisches Wertesystem <strong>der</strong> Menschheit<br />
zu etablieren. Er ist <strong>der</strong> Überzeugung, dass sich<br />
bei <strong>der</strong> ethisch-religiösen Globalisierung, die die<br />
<strong>der</strong>zeitige ökonomische Globalisierung ablösen<br />
wird, <strong>der</strong> H<strong>in</strong>duismus weltweit durchsetzten wird.<br />
So formulierte K. S. Sudarshan (für lange Zeit e<strong>in</strong>er<br />
<strong>der</strong> Hauptideologen des RSS und nun ihr Vorsitzen<strong>der</strong>),<br />
dass <strong>in</strong> den kommenden Jahren „<strong>der</strong> Welt H<strong>in</strong>dutva<br />
als höchste Philosophie und höchster Lebensweg<br />
(gelten) wird“, wobei „<strong>der</strong> Glaube im endgültigen<br />
Sieg des H<strong>in</strong>du-Denkens nicht <strong>auf</strong> bl<strong>in</strong>dem<br />
Glauben <strong>auf</strong>baut, son<strong>der</strong>n <strong>auf</strong> tiefer <strong>in</strong>nerer Bewusstwerdung,<br />
dass die H<strong>in</strong>du-Philosophie <strong>auf</strong> Gesetzen<br />
beruht, die nicht e<strong>in</strong>fach H<strong>in</strong>du-Gesetze<br />
s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n universale Gesetze, die für alle gelten“.<br />
Verglichen mit dem Traditionalisten und dem flexiblen<br />
H<strong>in</strong>du drückt <strong>der</strong> Nationalist e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Beunruhigung gegenüber e<strong>in</strong>igen Folgen <strong>der</strong> Universalität<br />
aus. Er fragt sich, ob H<strong>in</strong>dus die Thematik<br />
<strong>der</strong> Universalität mit ihrem vedischen Diktum vasudhaiva<br />
kutumbkam (Das Universum ist e<strong>in</strong>e Familie)<br />
nicht zu stark <strong>auf</strong> Kosten <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />
h<strong>in</strong>duistischen Geme<strong>in</strong>schaftsgefühls betont haben<br />
– e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>schaftsgefühls, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen<br />
Welt vonnöten ist, um den Herausfor<strong>der</strong>ungen militanter<br />
Glaubensrichtungen als geschlossene Front<br />
begegnen zu können. Er sorgt sich, ob das Konzept<br />
des vishvabandhutva (<strong>der</strong> universellen Bru<strong>der</strong>schaft)<br />
nicht zu e<strong>in</strong>er Schwächung des deshband-<br />
hutva (<strong>der</strong> nationalen Bru<strong>der</strong>schaft) geführt hat –<br />
also zu e<strong>in</strong>em Mangel an Nationalgefühl. Im H<strong>in</strong>du-Nationalisten<br />
wohnen also zwei mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> im<br />
Wi<strong>der</strong>spruch bef<strong>in</strong>dliche Seelen: die des Universalismus<br />
<strong>der</strong> H<strong>in</strong>du-dharma-Toleranz und die des<br />
Nationalismus <strong>der</strong> H<strong>in</strong>dutva-Militanz.<br />
DER FLEXIBLE HINDU: Neben den „H<strong>in</strong>du-Nationalisten“<br />
möchten wir den „flexiblen H<strong>in</strong>du“ stellen:<br />
städtisch, <strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ner Weise gebildet und zur<br />
wachsenden Mittelklasse gehörend. Der flexible<br />
H<strong>in</strong>du kann Traditionalist se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem er spezifische<br />
h<strong>in</strong>duistische Rituale <strong>in</strong> se<strong>in</strong> religiöses Leben <strong>auf</strong>nimmt<br />
o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>belebt. Er kann ebenso e<strong>in</strong><br />
Nationalist se<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Sympathie für gewisse<br />
Haltungen <strong>der</strong> VHP – beispielsweise die Ablehnung<br />
christlicher und muslimischer Missionstätigkeit.<br />
Von beiden unterscheidet ihn jedoch, dass er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
religiösen Ansichten und Glaubensvorstellungen<br />
eklektischer ist als <strong>der</strong> Traditionalist und weniger<br />
ideologisch als <strong>der</strong> Nationalist.<br />
Der flexible H<strong>in</strong>du betrachtet religiöse Festlichkeiten<br />
und Rituale als wichtigen Ausdruck se<strong>in</strong>er Identität.<br />
<strong>Die</strong> häuslichen Rituale und Fastenpraktiken,<br />
das Feiern religiöser Feste und das Aufsuchen von<br />
Pilgerstätten, die den h<strong>in</strong>duistischen Festkalen<strong>der</strong><br />
strukturieren, werden von ihm auch als e<strong>in</strong>e willkommene<br />
Abwechslung zur täglichen Rout<strong>in</strong>e gesehen.<br />
<strong>Die</strong> sich wandelnden Lebensumstände <strong>der</strong><br />
städtischen Mittelschicht erlauben ihm aber kaum,<br />
die Vorbereitungen und Umstände zu bewältigen,<br />
die mit den Festlichkeiten o<strong>der</strong> dem E<strong>in</strong>halten von<br />
Fastenpraktiken verbunden s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> zunehmende<br />
Berufstätigkeit von Frauen und weniger helfende<br />
Hände von an<strong>der</strong>en Frauen <strong>der</strong> erweiterten Familie<br />
und die Hektik des Großstadtlebens haben entsprechend<br />
zu e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>nisierung e<strong>in</strong>er Vielzahl von<br />
Ritualen und Festabläufen geführt. Der flexible<br />
H<strong>in</strong>du begrüßt diese – oft kreativen – Verän<strong>der</strong>ungen<br />
und passt die herkömmlichen Rituale se<strong>in</strong>en<br />
verän<strong>der</strong>ten Lebensumständen an.<br />
<strong>Die</strong> stärkere Orientierung an den eigenen Bedürfnissen<br />
statt an traditionellen Vorschriften wird von<br />
e<strong>in</strong>igen befürwortet, von an<strong>der</strong>en als Verfall <strong>der</strong> Tradition<br />
und als konsumorientierte Vergnügungssucht<br />
beklagt. Überwiegend jedoch – was uns wie<strong>der</strong><br />
zum Toleranz-Thema des grand récit führt –<br />
wird verän<strong>der</strong>ten Ritualabläufen und <strong>der</strong> Verkürzung<br />
<strong>auf</strong>wendiger religiöser Praktiken mit Toleranz<br />
begegnet. Der flexible H<strong>in</strong>du argumentiert, dass die<br />
<strong>in</strong>nere Haltung (die bhakti und <strong>der</strong> Glaube) ausschlaggebend<br />
s<strong>in</strong>d und weniger die Aufrechterhaltung<br />
von Regeln, die die Älteren festgelegt haben.<br />
Ähnlich verhält es sich mit Pilgerfahrten, die e<strong>in</strong><br />
beliebtes Ziel familiärer Ausflüge und Urlaubsreisen<br />
s<strong>in</strong>d. Erst die Mo<strong>der</strong>ne ließ Pilgerfahrten zu e<strong>in</strong>em<br />
echten Massenphänomen werden: Stärkere Mobilität,<br />
e<strong>in</strong> verbessertes öffentliches Transportsystem,<br />
mehr Geld und die überwiegend geregelten Berufsverhältnisse<br />
erlauben es dem flexiblen H<strong>in</strong>du, an<br />
verlängerten Wochenenden o<strong>der</strong> während <strong>der</strong><br />
Ferien touristische Pilgerziele mit <strong>der</strong> Familie anzu-<br />
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