Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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Bemerkenswert war auch, welche Rolle Rassismus und Heuchelei bei dem Unternehmen spielten.<br />
Saddams Angriff auf die Kurden im Nordirak fand ein breites Echo in den Medien, so daß Washington<br />
sich zu einigen zögernden Schritten gezwungen sah, um die Opfer zu schützen, während sein noch<br />
härteres Vorgehen gegen die schiitischen Araber im Süden von den US-Medien nahezu unbemerkt<br />
blieb, wie übrigens auch die türkischen Greueltaten gegen die Kurden in Ostanatolien. 24<br />
Allerdings ließ mit dem öffentlichen Druck auch die Besorgnis um die irakischen Kurden sehr schnell<br />
nach. Die kurdischen Gebiete sind den Sanktionen gegen den Irak und zudem noch einem irakischen<br />
Embargo ausgesetzt. Der Westen weigert sich, selbst die geringfügigen Summen zu zahlen, mit deren<br />
Hilfe die Grundbedürfnisse der Kurden befriedigt werden könnten. »Kurdische und westliche<br />
Spezialisten schätzen, daß etwa 50 Millionen Dollar benötigt würden, um soviel [kurdischen] Weizen<br />
zurückkaufen zu können, daß die ärmsten Kurden geschützt und Bagdad daran gehindert werden<br />
könnte, die Wirtschaft im Nordirak zu untergraben«, berichtet die Washington Post, aber <strong>bis</strong>lang sind<br />
nur knapp sieben Millionen aufgetrieben worden, ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach der<br />
Rückkehr von einer zweimonatigen Reise durch die Vereinigten Staaten, Europa und Saudi-Arabien,<br />
die dem Versuch galt, Gelder locker zu machen, aber ergebnislos verlief, meinte der Führer der<br />
Demokratischen Partei der Kurden, Massud Barsani, seine Leute müßten entweder »erneut im Iran<br />
und der Türkei Zuflucht suchen« oder »sich Saddam Hussein ergeben«. Unterdessen hält, wie der<br />
Leiter von Middle East Watch mitteilt, die UN im Südirak, wo die Lage höchst gespannt ist, keine<br />
Dauerpräsenz mehr aufrecht, und eine UN-Mission, die im März 1993 das Land besuchte, bat nicht<br />
einmal um Erlaubnis, jene Gebiete zu kontrollieren, in denen die Schiiten drangsaliert wurden. Die<br />
UN-Abteilung für humanitäre Probleme bereitete für die Kurden, Schiiten und die hungerleidenden<br />
Sunniten im Mittelirak ein Hilfsprogramm im Umfang von 500 Millionen Dollar vor, UN-Mitglieder<br />
sagten stolze 50 Millionen zu, und die Regierung Clinton bot 15 Millionen an, die »vom Beitrag zu<br />
einem vorherigen UN-Programm im Nordirak übriggeblieben waren«. 25<br />
So wird die irakische Bevölkerung zur Geisel einer Politik der ökonomischen Kriegführung, in der<br />
Washington durch vorangegangene Embargo-Strafaktionen gegen Kuba, Nicaragua und Vietnam<br />
reichlich Erfahrung besitzt. Das Embargo gegen den Irak hat Saddams <strong>Mac</strong>ht unangetastet gelassen,<br />
aber in der Bevölkerung für mehr Opfer gesorgt als die Bombardierungen. Eine von amerikanischen<br />
und ausländischen Spezialisten durchgeführte Untersuchung schätzte, daß »zwischen Januar und<br />
August 1991 über 46 900 Kinder gestorben sind«; die Zahl dürfte sich seitdem noch beträchtlich<br />
erhöht haben.<br />
Der Vertreter der UNICEF im Irak, Thomas Ekvall, berichtete, daß sich 1993 die Kindersterblichkeit<br />
verdreifacht habe und auf 92 Promille gestiegen sei, während fast ein Viertel aller Säuglinge bei der<br />
Geburt untergewichtig seien (1990 waren es noch fünf Prozent gewesen). Zudem hätten die<br />
Sanktionen »bei Kleinkindern zu Zehntausenden von Todesfällen geführt und die Bevölkerung noch<br />
weiter in die Armut gestürzt«. Das UNICEF-Hilfsprogramm krankt an akutem Geldmangel, weil<br />
<strong>bis</strong>lang nur sieben Prozent der in einem Aufruf vom April geforderten 86 Millionen Dollar<br />
eingegangen sind. Ekvalls Bericht blieb ebenso unbeachtet wie die spätere UNICEF-Studie über den<br />
Fortschritt der Nationen, die zu dem Schluß kam, daß »die Sterblichkeitsrate bei irakischen Kindern<br />
mit 14,3 Prozent nur noch von der in afrikanischen Ländern übertroffen wird« (AP). Als Tarn Dalyell<br />
(britischer Labour-Parlamentarier) und Tim Llewellyn (Nahostkorrespondent) im Mai 1993 aus dem<br />
Irak zurückkehrten, war die Todesrate bei Kindern schon auf über 100 000 gestiegen. Diese vom<br />
irakischen Gesundheitsminister genannte Zahl wurde später von der UNICEF bestätigt. Hinzu kamen<br />
wachsende Unterernährung, gefährlich niedrige Geburtsraten, Todesfälle infolge fehlender Impfung<br />
und durch verseuchtes Wasser, Ausbreitung von Malaria und anderen Krankheiten, die eigentlich<br />
längst besiegt waren, Krankenhäuser, die nicht betrieben werden konnten, weil der Irak keine<br />
Kinderbetten und Chemikalien für Arzneimittel mehr importieren durfte, weil daraus möglicherweise<br />
Vernichtungswaffen hergestellt werden könnten. 26<br />
Unterdessen fuhren die USA fort, den Irak nach Belieben zu bombardieren. Noch bevor Bush im<br />
Januar 1993 von Clinton abgelöst wurde, befahl er, einen Industriekomplex in der Nähe von Bagdad<br />
anzugreifen. Von 45 Tomahawk-Raketen trafen 35 das Ziel, eine jedoch das Raschid-Hotel, wobei<br />
zwei Menschen ums Leben kamen. Nach fünf Monaten im Amt demonstrierte Bill Clinton, daß auch<br />
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