Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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Beteiligung der Bürger an der Politik auf den gelegentlichen Akt des Wählens reduziere, wonach dann<br />
wieder die Experten das Sagen haben. Er dagegen möchte darunter die Beteiligung an der<br />
Zivilgesellschaft »außerhalb der politischen Sphäre« verstehen. Hier nämlich »vollzieht sich die<br />
Aktivität der Bürger ... nicht episodisch oder gelegentlich, wie beim Wählen, sondern konstant und<br />
regelmäßig«: auf dem Markt, bei der Arbeit, im Familienleben, bei kirchlichen, schulischen und<br />
anderen Versammlungen. Hier finden »anständige Bürger« ihre »Aufgabe«.<br />
Und die »politische Sphäre« ? Sie verschwindet aus dem Blickfeld, bleibt unbekannten, unsichtbaren<br />
Mächten überlassen. Allerdings nicht ganz: Joyce warnt vor »arroganten, paternalistischen<br />
Sozialwissenschaftlern, Therapeuten, Freiberuflern und Bürokraten, die das ausschließliche Recht<br />
beanspruchen, von feindseligen sozialen Mächten geschlagene Wunden zu heilen«. Sie bilden die<br />
»aufgeblähten, korrupten, zentralisierten Bürokratien« des »Fürsorgestaats«. »Korrupte intellektuelle<br />
und kulturelle Eliten in den Universitäten, den Medien und anderswo ... fordern noch mehr<br />
Regierungsprogramme - und noch mehr bürokratische Experten zur Heilung der Wunden, die hilflosen<br />
Opfern angeblich vom Industrialismus, Rassismus, Sexismus usw. geschlagen wurden - und berauben<br />
dabei die Bürger und ihre Institutionen immer weiterer Befugnisse.«<br />
Während die Bürger sich um ihre Arbeit kümmern und zur Kirche gehen, muß der »Fürsorgestaat«<br />
von Therapeuten und Sozialwissenschaftlern, die im Augenblick noch alle Fäden in der Hand halten,<br />
befreit werden. In wessen Händen aber liegt er dann? Bezeichnenderweise klammert Joyce die<br />
tatsächlichen Zentren, in denen <strong>Mac</strong>ht und Reichtum sich ballen, aus, nämlich jene Personen und<br />
Institutionen, die entscheiden, was in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft geschieht, sei es, daß sie<br />
direkt an der <strong>Mac</strong>ht beteiligt sind, sei es, daß sie die politischen Alternativen auf ein Minimum<br />
beschränken und so einen mächtigen, interventionsbereiten »Fürsorgestaat« schaffen, der sich ihrer<br />
Bedürfnisse bereitwillig annimmt. Joyces PR-Operation gleicht einer Analyse der Sowjetunion, in der<br />
Kreml, Militär und Kommunistische Partei keine Rolle spielen. Daß diese Farce überhaupt möglich<br />
ist, zeigt, wie wirksam die von der Privatwirtschaft betriebene Gedankenkontrolle sein muß. 117<br />
In den freieren Gesellschaft übt der Staat nur selten direkte Kontrolle aus. »Wirklich düster an der<br />
Pressezensur in England«, schrieb George Orwell, »ist die Tatsache, daß sie weitgehend freiwillig<br />
ausgeübt wird. Unpopuläre Ideen können <strong>zum</strong> Schweigen gebracht und unangenehme Tatsachen im<br />
Dunkeln gehalten werden, ohne daß es dazu eines offiziellen Bannspruchs bedürfte.« Das verdankt<br />
sich u. a. der Konzentration der Presse in den Händen von »reichen Leuten, die bei bestimmten<br />
Themen alle möglichen Motive für ihre Unaufrichtigkeit haben«. Deshalb »wird jeder, der die<br />
vorherrschende Orthodoxie in Frage stellt, mit überraschender Effektivität <strong>zum</strong> Schweigen gebracht«.<br />
Schon ein Jahrzehnt früher hatte sich John Dewey ganz ähnlich über »unsere unfreie Presse« geäußert:<br />
»Die einzig wahre und grundlegende Methode, mit diesem Problem umzugehen, besteht in der<br />
Erforschung der notwendigen Auswirkungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems auf das gesamte<br />
System des Pressewesens; auf die Beurteilung dessen, was eine Nachricht eigentlich ist, auf die<br />
Auswahl dessen, was zur Veröffentlichung ansteht, auf den Umgang mit Nachrichten in Kommentaren<br />
und Berichten.« Wir sollten fragen, »ob unter dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Regime wirkliche<br />
intellektuelle Freiheit und soziale Verantwortung in größerem Umfang überhaupt möglich sind«. Das<br />
sei, meinte Dewey, wohl kaum der Fall. 118<br />
Der australische Sozialwissenschaftler Alex Carey, der sich eingehend mit dem Problem<br />
privatwirtschaftlicher Propaganda befaßt hat, kommt zu dem überzeugenden Schluß, daß »das 20.<br />
Jahrhundert durch drei Entwicklungen von großer politischer Bedeutung gekennzeichnet ist: durch den<br />
Zuwachs an Demokratie, den Zuwachs an konzernspezifischer <strong>Mac</strong>ht und den Zuwachs an<br />
konzernspezifischer Propaganda als Mittel <strong>zum</strong> Schutz dieser <strong>Mac</strong>ht vor der Demokratie«. Die von<br />
den Konzernen in den dreißiger Jahren betriebene Gegenoffensive ist eins von vielen einleuchtenden<br />
Beispielen für seine These.<br />
Diese Offensive mußte aufgrund des Kriegseintritts dann eingestellt werden, wurde nach 1945 dann<br />
aber wiederbelebt. In großen Kampagnen, bei denen Radiosender, das Kino und andere Medien<br />
eingespannt wurden, verkaufte man das »freie Unternehmertum« - d. h. die staatlich subventionierte<br />
Herrschaft des privaten Managements - als den »amerikanischen Weg«, der von gefährlichen<br />
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