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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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sie nicht gibt« - also mittlerweile kaum noch irgendwo - »ist noch nicht klar, welche Art von<br />

Organisation die Arbeiter repräsentieren sollte«, führt Robert Brown, Handelsminister und auch so ein<br />

»neuer Demokrat«, aus.<br />

Parallel zu den erwähnten Nachkriegskampagnen gab es noch einen erfolgreichen Angriff auf jede<br />

offene Infragestellung privatwirtschaftlicher Vorherrschaft, an dem sich große Teile der<br />

Intellektuellenschicht ebenso begeistert beteiligten wie die Gewerkschaftsbürokratie. Dieser Feldzug<br />

wurde fälschlicherweise »McCarthyismus« genannt; tatsächlich aber stieß Senator McCarthy erst sehr<br />

spät dazu und nutzte lediglich das bereits bestehende Klima der Repression aus, konnte jedoch<br />

beträchtlichen Schaden anrichten, bevor er abserviert wurde. Diese Kampagne stellte im wesentlichen<br />

die Atmosphäre der zwanziger Jahre wieder her, <strong>bis</strong> die Gärungen der sechziger Jahre neue Hysterie<br />

und neue Versuche zur Rückgewinnung der ideologischen Vorherrschaft entfachten.<br />

Eine vom Kongreß in Auftrag gegebene Untersuchung kam 1978 zu dem Ergebnis, daß die<br />

amerikanische Geschäftswelt pro Jahr eine Milliarde Dollar für »Grassrootspropaganda«, also<br />

Propaganda für die breiten Bevölkerungsschichten ausgab. Ergänzt wurden diese Bemühungen durch<br />

das, was Alex Carey »Baumwipfelpropaganda« nennt. Sie zielte auf die Bildungsschichten und wollte<br />

deren Angehörigen das »freie Unternehmertum« schmackhaft machen. Zu diesem Zweck wurden<br />

entsprechende Professuren gestiftet und Kampagnen gegen die üblichen verdächtigen Ziele lanciert:<br />

gegen Steuererhöhungen, wirtschaftliche Regulierungsmaßnahmen, Wohlfahrt (für die Armen),<br />

»bürokratische« Behinderungen des kreativen Unternehmers, gewerkschaftliche Korruption und<br />

Gewalt, Apologeten unserer Feinde usw. 123<br />

Das hatte tiefgreifende Auswirkungen insofern, als nach dem »S«-Wort (»sozialistisch«) nun auch das<br />

»L«-Wort (»liberal«) der Verdammnis anheimfiel. Allerdings hat die Rechte die ideologischen<br />

Institutionen noch nicht vollständig erobert, weshalb es in Großbritannien und den USA auch zu<br />

diesen so heftigen wie leicht komischen Aufrufen führt, das Allerheiligste gegen den Ansturm der<br />

»linken Faschisten« zu verteidigen, die sich leider, wie auch die Arbeiterorganisationen, immer noch<br />

regen.<br />

Sind funktionierende Demokratien schon in ausländischen Gesellschaften ein Greuel, so erst recht im<br />

eigenen Land. Als in den sechziger Jahren <strong>bis</strong>lang marginalisierte Schichten der Bevölkerung den<br />

Versuch unternahmen, die politische Arena zu betreten, sprachen liberale Eliten angstschlotternd von<br />

einer »Krise der Demokratie« und beschworen das Gespenst der »Unregierbarkeit« herauf. Passivität<br />

und Gehorsam müßten, so befand die von David Rockefeller gegründete Trilaterale Kommission in<br />

ihrer ersten Studie mit dem Titel Die Krise der Demokratie, wiederhergestellt werden. Der<br />

Kommission gehörten Vertreter von Eliten aus den USA, Europa und Japan an; Jimmy Carter war<br />

Mitglied, und seine Regierung rekrutierte sich fast ausschließlich aus dieser Kommission. Ihr<br />

amerikanischer Berichterstatter, Samuel Huntington von der Universität Harvard, blickte mit einiger<br />

Nostalgie auf das goldene Zeitalter zurück, als »Truman das Land mit der Kooperation einer Handvoll<br />

von Anwälten und Bankiers der Wall Street regieren konnte«. Damals gab es natürlich keine »Krise«.<br />

Freies Unternehmertum, freie Märkte<br />

Neben sozialen und ideologischen Problemen gab es nach dem Zweiten Weltkrieg gravierende<br />

wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Weltwirtschaftskrise hatte die Überlebensfähigkeit des<br />

Kapitalismus in Frage gestellt, die Maßnahmen des New Deal waren nur begrenzt wirksam gewesen,<br />

und erst die massiven Kriegsausgaben konnten, verbunden mit staatlich gelenkter Wirtschaft, zu einem<br />

neuen Boom führen. Nach dem Krieg hielt der Nachholbedarf an Konsum die Wirtschaft<br />

einigermaßen über Wasser, doch schon gegen Ende der vierziger Jahre ging man von einer<br />

Wiederkehr der Rezession aus. Einflußreiche Kreise in Politik und Wirtschaft hielten eine abermalige<br />

Intervention des Staats zur Rettung des privaten Unternehmertums für selbstverständlich.<br />

Die Unternehmer erkannten, daß eine Erhöhung des Sozialbudgets die Wirtschaft ankurbeln könnte,<br />

doch zogen viele die militärkeynesianische Variante vor, was nicht »ökonomischer Rationalität«<br />

entsprang, sondern einem Denken in <strong>Mac</strong>ht- und Privilegienkategorien. Also erhöhte man den<br />

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