Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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Den Vogel jedoch hatte Washington selbst abgeschossen, als UN-Botschafter Thomas Pickering<br />
anläßlich der Invasion in Panama den Sicherheitsrat darüber informierte, daß Artikel 51 »die<br />
Anwendung bewaffneter Gewalt vorsieht, um ein Land zu verteidigen, um unsere Interessen zu<br />
verteidigen« (Hervorhebung von mir). Das Justizministerium fügte hinzu, die Vereinigten Staaten<br />
hätten das Recht, Panama zu besetzen, um »dessen Territorium davor zu bewahren, als Basis für den<br />
Drogenschmuggel in die Vereinigten Staaten benutzt zu werden«. 31<br />
Ein paar Jahre später räumte das Außenministerium übrigens ein, daß das »mittlerweile demokratische<br />
Panama das aktivste Zentrum für mit dem Kokainhandel verbundene „Geldwäsche" in der westlichen<br />
Hemisphäre ist«, was das Weiße Haus herunterspielt, um, wie die Washington Post unter Berufung auf<br />
Kritiker mutmaßt, »den demokratischen Führern Panamas zu längerer Amtsdauer zu verhelfen«. Daß<br />
der Drogenhandel sich lohnt, ist »deutlicher wahrzunehmen als zur Zeit von Präsident Noriega«,<br />
vermerkt der Economist, und das gilt auch für harte Drogen. 32<br />
Viele Kommentatoren sahen in der Entscheidung, den Irak anzugreifen, einen politisch raffinierten<br />
Schachzug, mit dem der Präsident in einem schwierigen Augenblick die Unterstützung der<br />
Öffentlichkeit gewinnen wollte und sie deshalb um die Fahne scharte - unter der sie sich, genau<br />
genommen, verkroch -, was in Krisenzeiten eine übliche Reaktion ist. Aus einer ganz anderen<br />
Perspektive, nämlich aus London, fragte der amerikanische Fernsehkorrespondent Charles Glass:<br />
»Worin besteht die Verbindung zwischen einer irakischen Künstlerin namens Laila al-Attar und<br />
Rickey Ray Rector, einem Schwarzen, der 1992 in Arkansas wegen Mordes hingerichtet wurde?«<br />
Beide Male wollte, so lautet die Antwort, Bill Clinton seine Umfrageergebnisse verbessern, <strong>zum</strong> einen<br />
durch die Bombardierung Bagdads, <strong>zum</strong> anderen, indem er mitten im Wahlkampf in Arkansas die<br />
Hinrichtung eines geistig behinderten Gefangenen mit ansah, um zu beweisen, »daß auch ein<br />
Demokrat bei Verbrechern Härte zeigen kann«. 33<br />
Cintons PR-Spezialisten legen ihre Finger auf den Puls der Nation. Sie wissen, daß mehr Menschen<br />
als je zuvor skeptisch, enttäuscht und besorgt sind - wegen ihrer Lebensverhältnisse, ihrer<br />
offenkundigen <strong>Mac</strong>htlosigkeit und des Zerfalls der demokratischen Institutionen. Diese Gefühle haben<br />
sich nach acht Jahren Reagan noch beträchtlich verstärkt. Ebenso wissen die Image-Spezialisten, daß<br />
die Regierung Clinton sich den Problemen der Durchschnittsbürger nicht annehmen wird, weil<br />
grundlegende Maßnahmen die Vorrechte der hauptsächlichen Wählerschichten beschneiden würden,<br />
was nicht in Frage kommt. Für die Manager transnationaler Konzerne und andere privilegierte<br />
Vertreter der <strong>Mac</strong>htstruktur muß die Welt ihren Bedürfnissen entsprechend diszipliniert sein, während<br />
die entwickelten Industriesektoren auch weiterhin auf öffentliche Fördermittel angewiesen sind und<br />
die Reichen sich in Sicherheit wiegen wollen. Folglich kann das öffentliche Erziehungs- und<br />
Gesundheitswesen dem Verfall anheimgegeben werden, können überflüssige Bevölkerungsschichten<br />
in Slums und Gefängnissen verrotten und die Grundlagen für eine lebenswerte Gesellschaft noch<br />
weiter erodieren. Diese Politik betreibt die gegenwärtige Regierung, und darin unterscheidet sie sich<br />
nicht von ihren Vorgängerinnen.<br />
Einige Kommentatoren betonten, daß Clinton durchaus eine sehr viel stärkere Bombardierung<br />
Bagdads hätte anordnen können, dies jedoch nicht im Interesse Washingtons gewesen wäre. Der<br />
Präsident »wollte keine ernsthaften Verluste in der Zivilbevölkerung riskieren«, bemerkte Thomas<br />
Friedman. Ein solcher Schlag »hätte vermutlich keine derart weitreichende Unterstützung für<br />
Washington, sondern eher Mitgefühl für den Irak ausgelöst«, und wäre daher unklug gewesen. 34<br />
Trotz dieses starken Arguments gegen einen Massenmord wurde Clintons Zurückhaltung nicht überall<br />
mit Beifall begrüßt. In der New York Times kritisierte William Safire den »armseligen Schlag aufs<br />
Handgelenk«, während ein richtiger Angriff auf »Saddams Kriegsmaschinerie und wirtschaftliche<br />
Basis die Hoffnung auf Erholung um Jahre zurückgeworfen hätte«. Auch der New Republic, eine<br />
führende Stimme des amerikanischen Liberalismus, bedauerte Washingtons Vorsicht, zeigte sich<br />
jedoch erfreut über das »Schweigen der ara<strong>bis</strong>chen Welt«, die damit dem entschiedenen Handeln des<br />
Präsident ihre Zustimmung erteilt habe. 35<br />
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