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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Eingriffe der Regierung in die Wirtschaft im Interesse privater <strong>Mac</strong>ht können noch viele andere<br />

Formen annehmen. Eines der interessantesten Beispiele ist die Motorisierung und Suburbanisierung<br />

Amerikas. Diese von Staaten und Konzernen gemeinsam betriebene Kampagne begann mit einer<br />

illegalen Verschwörung dreier Großkonzerne, nämlich General Motors, Firestone Rubber und<br />

Standard Oil of California. Sie wollten in 45 Städten die elektrisch betriebenen öffentlichen<br />

Transportmittel aufkaufen und durch Busse ersetzen. Die drei wurden wegen krimineller<br />

Verschwörung angeklagt und mußten 5000 Dollar Strafe zahlen. Dann nahm sich die Bundesregierung<br />

der Sache an und setzte die von GM-Chef Alfred Sloan entwickelten Pläne in die Tat um. In den Citys<br />

zerstörte man die Infrastruktur und vernichtete das Aktienkapital und verlagerte alles in die<br />

Stadtrandgebiete. Dann wurden große Schnellstraßen gebaut, die Interstate Highways, wobei, wie<br />

üblich, »Verteidigungszwecke« als Vorwand dienten. Die Eisenbahn wurde zugunsten der vom Staat<br />

finanzierten Beförderungsmittel Luft- und Straßenverkehr verdrängt. Mitte der sechziger Jahre war ein<br />

Sechstel aller Unternehmen direkt von der Automobilindustrie abhängig. Dieses umfangreiche<br />

Regierungsprogramm war ein weiteres Mittel, um das moribunde System der Privatwirtschaft, das in<br />

den dreißiger Jahren zusammengebrochen war, zu stützen. Außerdem beruhigte es Eisenhower, der<br />

eine nach dem Koreakrieg einsetzende Wirtschaftskrise befürchtete. Einer der Architekten des<br />

Straßenbauprogramms, ein Kongreßabgeordneter, bemerkte, man habe damit »der Wirtschaft in Zeiten<br />

der Rezession ein schön solides Fundament verschafft«. Die Auswirkungen auf Kultur, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft waren enorm und sind, was die Zukunft angeht, nach wie vor umstritten. 127<br />

Heute gehören neben Agrarwirtschaft und Dienstleistungen vor allem Pharmazie und Biotechnologie<br />

zu den aus Steuermitteln geförderten Bereichen der Ökonomie, die zudem darauf angewiesen sind,<br />

daß der Staat ihnen im Ausland Märkte verschafft, sei es durch »Entwicklungshilfe« oder Gewalt.<br />

Industriepolitik für die neunziger Jahre<br />

Nach dem Ende des Kalten Kriegs werden die traditionellen Formen industrieller Subventionierung<br />

problematisch. Es ist also nicht verwunderlich, daß im Augenblick ganz offen über die Notwendigkeit<br />

einer »Industriepolitik« diskutiert wird, d. h. über neue Formen, die sich nicht mehr hinter dem<br />

Pentagon-System verbergen. Dessen Nachteile konnten verkraftet werden, als die USA noch den<br />

Weltmarkt beherrschten; jetzt aber stoßen die US-Konzerne auf Konkurrenten, die direkt für den<br />

Markt produzieren können und nicht auf Nebenprodukte aus der Herstellung von High-Tech-Waffen<br />

und Weltraumraketen warten müssen. Außerdem verlagert sich die Speerspitze der industriellen<br />

Entwicklung auf biotechnologische Industrien, deren staatliche Subventionierung sich nicht mehr so<br />

einfach hinter dem Pentagon-System verstecken kann. Im Wahlkampf von 1992 zeigten Clintons<br />

Manager, daß sie bei diesen Themen konkretere Vorstellungen hatten als die Reagan-Ideologen,<br />

weshalb große Teile der Industrie die Demokraten favorisierten.<br />

Natürlich war die Regierung Reagan keineswegs zimperlich, wenn es darum ging, die Reichen vor den<br />

Unwägbarkeiten des Marktes zu schützen, wobei sie sich insbesondere der üblichen<br />

militärkeynesianischen Mittel bediente. Auch das Verteidigungsprogramm SDI, genannt »Star Wars«,<br />

war für solche Zwecke vorgesehen. Auf diese Weise hatte die Regierung bereits 1983 den Staatsanteil<br />

am Bruttosozialprodukt auf 35 Prozent erhöht; 1973 hatte er noch bei etwa 27 Prozent gelegen. Zudem<br />

wurden die Importbeschränkungen mit 23 Prozent fast verdoppelt, mehr als bei allen<br />

Nachkriegsregierungen zusammengenommen. Außerdem hatten sich die Reaganisten, wie Fred<br />

Bergsten vom Institute for International Economics bemerkt, auf »Vereinbarungen zur freiwilligen<br />

Exportbeschränkung« spezialisiert, also die »heimtückischste Form des Protektionismus«, die »Preise<br />

nach oben treibt, den Wettbewerb vermindert und zur Kartellbildung animiert«.<br />

Das britische Parlamentsmitglied Phillip Oppenheim wies darauf hin, daß »eine Untersuchung der<br />

Weltbank über nicht-zollgebundene Handelsschranken in Japan 9 Prozent aller Güter betraf, in den<br />

USA dagegen 34 Prozent«. Diese Handelsschranken, die Konkurrenten den Weg verlegen sollen,<br />

wurden unter Reagan in immer neuen Varianten erfunden. Dadurch wurde, wie Patrick Low vom<br />

GATT-Sekretariat erklärt, ein Gutteil der positiven Auswirkungen, die die Reduzierung von Zöllen auf<br />

die Handelspolitik der Nachkriegszeit hatte, wieder zunichte gemacht. OECD-Daten zeigen, daß in<br />

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