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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Auch der ideologische Rahmen, der diesem Drang nach Überlegenheit seine Richtung vorgibt, war<br />

schon lange vor dem Kalten Krieg verfertigt worden. Da die Vereinigten Staaten sich als so groß- und<br />

einzigartig begriffen, war es ein höchst ehrenwertes Unterfangen, den Kontinent von einem »der<br />

Auslöschung bestimmten« Volk, einer »der Erhaltung unwerten Rasse«, die »der angelsächsischen<br />

Rasse ihren Wesen nach unterlegen ist«, zu säubern, handelt es sich doch um ein »unverbesserliches<br />

Gezücht«, dessen »Verschwinden aus der Familie der Menschen kein großer Verlust wäre«. Das<br />

jedenfalls meinte Präsident John Quincy Adams, der später diese Äußerungen bereute und die von ihm<br />

betriebene Politik zu den »scheußlichen Sünden dieser Nation« rechnete, »für die sie, wie ich glaube,<br />

eines Tages vor Gottes Richterstuhl wird treten müssen«. Er hoffe, meinte er weiter, daß diese späte<br />

Einsicht »der unglücklichen Rasse der amerikanischen Eingeborenen, die wir mit so gnadenloser und<br />

perfider Grausamkeit vernichten« irgendwie helfen könnte. Indes verkündete Präsident Monroe die<br />

Ausrottung für legal, weil die unterlegene Rasse »dem Recht nach« der »dichteren und kompakteren<br />

Form und der größeren Kraft der zivilisierten Bevölkerung« weichen müsse, weil »die Erde der<br />

Menschheit überlassen wurde, um die größtmögliche Anzahl zu ernähren, und kein Stamm oder Volk<br />

hat das Recht, dem Begehren anderer mehr zu entziehen als für den je eigenen zufriedenstellenden<br />

Lebensunterhalt nötig ist«. Folglich »verlangen die Rechte der Natur, was niemand verhindern kann«,<br />

nämlich die »schnelle und enorme« Ausweitung der weißen Siedlungstätigkeit auf das Gebiet der<br />

Indianer, der die gerechte Ausrottung unvermeidlich folgt.<br />

Solche Ideen, bei denen sich frühe Ideologen auf John Locke beriefen, finden auch heute noch ihr<br />

Echo, wobei sie mit feinsinniger Trennschärfe verwendet werden.<br />

Nachdem der Kontinent von der Indianerplage befreit worden war, konnte der Rest der Welt ins Visier<br />

genommen werden. Die Eroberung des Westens sollte <strong>zum</strong> Sprungbrett für die »Emanzipation der<br />

Welt« durch Amerikas »pekuniäre und moralische <strong>Mac</strong>ht« werden, erklärte der einflußreiche<br />

Geistliche Lyman Beecher 1835 in jener religiös getönten Sprache, die sich, etwas gröber, auch bei<br />

seinen weltlichen Nachfolgern in NSC-68 und vielen öffentlichen Diskursen findet. 54<br />

Während des Kalten Kriegs wurden diese ideologischen Fäden zur Forderung nach amerikanischer<br />

Vorherrschaft zusammengeknüpft. Sie ist unser Recht und unser Bedürfnis - unser Recht aufgrund des<br />

uns per definitionem innewohnenden Adels, und unser Bedürfnis aufgrund der unmittelbaren<br />

Bedrohung, die von vernichtungswütigen Feinden ausgeht. Der konventionelle Begriff, der das alles<br />

abdeckt, heißt »Sicherheit«.<br />

Nun, nach dem Ende des Kalten Kriegs, kann die Maske ein wenig gelüftet werden, und elementare<br />

Wahrheiten, die in der seriösen Forschung hier und da bereits ihren Ausdruck fanden, dürfen an die<br />

Öffentlichkeit gelangen.<br />

Dazu gehört die Tatsache, daß die Berufung auf Sicherheit großenteils geheuchelt war. Die Doktrin<br />

diente im wesentlichen dazu, den unabhängigen Nationalismus zu unterdrücken, sei es in Europa,<br />

Japan oder der Dritten Welt. »Nach dem Verschwinden der UdSSR ... sind die außenpolitischen Eliten<br />

der USA gezwungen, bei der Formulierung der amerikanischen Strategie sich freimütiger zu äußern«,<br />

heißt es in einem Leitartikel in Foreign Policy. Wir können nicht länger verhehlen, daß »die<br />

amerikanische Weltordnungsstrategie auf der Annahme beruht, daß Amerika in wirtschaftlich<br />

kritischen Regionen im wesentlichen ein Militärprotektorat aufrechterhalten muß, damit seine<br />

lebenswichtigen Handels- und Finanzbeziehungen nicht durch politische Unruhen gefährdet werden«.<br />

Diese »von Wirtschaftsinteressen determinierte Strategie, die von der außenpolitischen<br />

Führungsschicht vertreten wird, entspricht (vielleicht unwissentlich) einer quasi-marxistischen,<br />

genauer gesagt, leninistischen Interpretation der amerikanischen Außenpolitik«. Zudem bestätigt sie<br />

die oft geschmähten »linksradikalen« Analysen von William Appleman Williams und anderen<br />

linksorientierten Historikern. 55<br />

Dem ist nur der bereits zitierte Vorbehalt von Adam Smith hinzuzufügen: Die schützenswerten<br />

Handels- und Finanzbeziehungen sind »lebenswichtig« für die Architekten der Politik und die<br />

staatlichen und privatwirtschaftlichen Interessen, denen diese Baumeister dienen. Für die allgemeine<br />

Bevölkerung sind sie oftmals durchaus nicht »lebenswichtig«, sondern eher schädlich, wie es etwa der<br />

25

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