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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Die reaganistische Politik hat dem Land einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen. Hätte man die<br />

Gelder für produktive Investitionen verwendet oder in Forschungsund Entwicklungsprogramme<br />

gesteckt, ließe sich das noch rechtfertigen, aber sie wurden für den Konsum von Luxusgütern, für<br />

Finanzmanipulationen und Schwindeleien verschwendet, ähnlich wie in Großbritannien unter<br />

Thatcher. Unter Reagan sanken bei Firmen, die sich mit Fusionen und Akquisitionen befaßten, die<br />

Ausgaben für Forschung und Entwicklung um fünf Prozent, während sie bei anderen um eben diesen<br />

Betrag stiegen. 137 Zugleich gingen die Reallöhne zurück, breiteten sich Hunger und Armut aus und<br />

wuchs die Dritte Welt im eigenen Land. Angesichts der Schulden dürfte selbst Clintons »moderate<br />

Zunahme der Ausgaben für infrastrukturelle Maßnahmen« auch ohne den Einspruch des Kongresses<br />

nicht machbar gewesen sein. 138<br />

Problematisch sind darüber hinaus die Auswirkungen der anti-etatistischen Propagandakampagnen der<br />

Privatwirtschaft. Antigouvernementale Gefühle nehmen zu: Im Mai 1992 befürwortete die Hälfte der<br />

Bevölkerung eine neue Partei, die Demokraten und Republikaner ersetzen könnte. Allerdings ist der<br />

damit einhergehende Haß auf »Bürokraten« und »Politiker« vor dem Hintergrund der Überzeugung<br />

von 80 Prozent der Bevölkerung zu sehen, die das Wirtschaftssystem für seinem Wesen nach unfair<br />

halten. Jedoch kommen Vorschläge zu einer faireren Gestaltung bestenfalls von jenen »Antiamerikanern«,<br />

die dem »amerikanischen Weg« kritisch gegenüberstehen und den Führern des Landes<br />

nicht mit der nötigen Ehrfurcht begegnen. 139<br />

2. Geschichtliche Lektionen<br />

Wie bereits erwähnt, konnten sich die Politstrategen der Nachkriegszeit bei der Rettung<br />

privatwirtschaftlicher Strukturen durch staatliche <strong>Mac</strong>ht auf Kosten der ökonomisch und politisch<br />

Schwachen auf eine solide historische Praxis stützen. Erfolgreiche Industriegesellschaften waren<br />

erfolgreich, weil sie selbst jene Marktdisziplin, die sie anderen auferlegten, vermissen ließen. 140<br />

Das Fundament für die britischen Auslandsinvestitionen und -verbindungen wurde, wie John Maynard<br />

Keynes einmal bemerkte, von den Piraten und Plünderern der Elisabethanischen Zeit gelegt, die heute<br />

möglicherweise als Terroristen gelten würden. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde Englands<br />

Vorherrschaft im Mittelmeer durch militärische Überlegenheit, Handelsmonopole und staatliche<br />

Unterstützung abgesichert. Das waren die Voraussetzungen für den Aufstieg zur Handelsmacht ein<br />

Jahrhundert später. Eben diese Faktoren schufen auch eine solide Basis für die Überlegenheit im<br />

Indischen Ozean, von wo aus dann Südasien in Angriff genommen werden konnte. Durch den Einsatz<br />

staatlich geförderter <strong>Mac</strong>ht konnten die handelsmäßig weiter entwickelten, aber militärisch<br />

schwächeren Holländer aus dem Nordatlantik vertrieben werden, was englischen Kauffahrtei-<br />

Abenteurern zuvor schon mit der Hanse sowie mit italienischen und flämischen Konkurrenten<br />

gelungen war. Die Eroberung Indiens im 18. Jahrhundert erwies sich als äußerst profitabel, und das<br />

Staatswesen entwickelte sich, im Gegensatz zu den Rivalen auf dem Kontinent, zu <strong>bis</strong>lang<br />

ungekannter Wirksamkeit und Umfänglichkeit. 141<br />

In den amerikanischen Kolonien vollzog sich eine ganz ähnliche Entwicklung, die von der Piraterie<br />

der Kolonialzeit zu massiven staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft nach der Unabhängigkeit führte,<br />

um die lokale Produktion, insbesondere vor billigen britischen Importen, zu schützen. So gelang es,<br />

»die Würfel zugunsten der Unternehmer rollen zu lassen und zugleich ihre Unternehmungen und<br />

Gewinne vor demokratischer Einmischung zu bewahren«, bemerkt der Historiker Charles Seilers. 142<br />

Das Baumwollkönigreich im Süden, das schon Großbritanniens industrielle Entwicklung gefördert<br />

hatte, war sicher kein Beitrag zu den Wundern des freien Markts. Es beruhte auf Sklaverei und der<br />

massenhaften Vertreibung und Ermordung der Urbevölkerung. Die Annexion von Texas sollte das<br />

Baumwollmonopol erzwingen - damals war Baumwolle das, was heute das Erdöl ist. 143<br />

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