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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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subversiven Elementen bedroht sei. Natürlich war den PR-Spezialisten die Methode, Furcht und Haß<br />

zu erzeugen, die gegen »Ausländer«, »Kommunisten« und »Anarchisten« gerichtet wurden, seit<br />

langem vertraut, und dies um so mehr, als die politische Kultur selbst seit ihren frühesten Tagen Züge<br />

von Manichäismus gezeigt hatte, wovon allein schon Begriffe wie »unamerikanisch« oder<br />

»antiamerikanisch« zeugen. 119<br />

Im Wissen um diese Besonderheiten der politischen Kultur in Amerika verteilte die US-<br />

Handelskammer gleich nach dem Krieg Pamphlete in millionenstarker Auflage mit Titeln wie<br />

»Kommunistische Infiltration in die Vereinigten Staaten« und »Kommunisten in der Regierung«. Im<br />

April 1947 kündigte der Werberat (Advertising Council) eine 100 Millionen Dollar teure Kampagne in<br />

allen Medien an, um der Bevölkerung das amerikanische Wirtschaftssystem zu »verkaufen«; offiziell<br />

wurde das Programm als »Großprojekt zur Unterrichtung des amerikanischen Volks über die<br />

Tatsachen des Wirtschaftslebens« beschrieben. Konzerne »starteten umfangreich Programme zur<br />

Indoktrinierung der Angestellten«, wußte das Wirtschaftsmagazin Fortune zu berichten, während die<br />

Management-Organisation AMA (American Management Association) herausfand, daß in den<br />

Führungsetagen vielfach »Propaganda« und »wirtschaftliche Unterrichtung« für Synonyme gehalten<br />

wurden: »Wir wollen, daß unsere Leute das Richtige denken.« Außerdem berichtete die AMA, daß<br />

Kommunismus, Sozialismus sowie bestimmte politische Parteien und Gewerkschaften »zu den<br />

Angriffszielen dieser Kampagnen gehören«, die »manche Arbeitgeber ... als eine Art „Kampf um<br />

Loyalität" mit den Gewerkschaften betrachten« - was angesichts der Ressourcenverteilung ein höchst<br />

ungleicher Kampf gewesen sein dürfte. 120<br />

Andere führten diesen Kampf auf ihre Weise. Bekanntlich sind die Vereinigten Staaten die einzige<br />

Industrienation, die über kein gesellschaftlich umfassendes Gesundheitssystem verfügt. Trumans<br />

Versuche, hier Anschluß an die Moderne zu finden, wurden von der American Medical Association<br />

als »erster Schritt hin ... zu jener Reglementierung« angegriffen, »die in Deutschland <strong>zum</strong><br />

Totalitarismus und <strong>zum</strong> Niedergang dieser Nation führte«. Die Zeitschrift der Vereinigung warnte vor<br />

»medizinischen Sowjeträten« und den »Gauleitern«, die sie führen würden, und unterstellte den<br />

Befürwortern einer nationalen Gesundheitsvorsorge Tendenzen zu einer sozialistischen Revolution.<br />

Ihre Werbeagentur lancierte die <strong>bis</strong> dahin größte Anzeigenkampagne in der amerikanischen<br />

Geschichte, um die Gesetzesvorhaben zu verhindern. Mit gefälschten Lenin-Zitaten wurde an<br />

protestantische Geistliche appelliert und der Eindruck erweckt, Politiker wollten an der »Heiligkeit des<br />

Lebens« rütteln. 54 Millionen Exemplare einer Propagandaschrift wurden verteilt. Die Kampagne<br />

stand unter dem Slogan »Freiwilligkeit ist der amerikanische Weg«; ihr Leitmotiv hieß: »Die<br />

amerikanische Medizin steht im Brennpunkt eines fundamentalen Kampfs, dessen Ausgang vielleicht<br />

darüber entscheidet, ob Amerika frei bleibt, oder ob wir ein sozialistischer Staat werden.« Trumans<br />

Vorhaben scheiterte.<br />

Weil die Kosten des höchst ineffizienten und bürokratisierten kapitalistischen Gesundheitssystems für<br />

die Geschäftswelt zur Last wurden, kam das Thema in den neunziger Jahren erneut zur Sprache. Nun<br />

machten sich die Mainstream-Medien über die damaligen Kampagnen lustig, und die Regierung<br />

Clinton versuchte sich an Gesundheitsreformen, beachtete dabei aber zwei wesentliche Bedingungen:<br />

Zum einen mußte das Ergebnis streng regressiv sein, was bei Programmen, die auf steuerlichen<br />

Belastungen oder Lohnabzügen beruht hätten, nicht der Fall gewesen wäre; <strong>zum</strong> andern durfte den<br />

großen Versicherungsfirmen nicht die Kontrolle entzogen werden. Diese aber tragen mit ihren teuren<br />

Anzeigenkampagnen, hohen Managergehältern, Gewinnen und den Kosten ihres bürokratischen<br />

Apparats, der darauf achtet, daß die Leistungen auf ein Minimum beschränkt bleiben, ebenso zur<br />

Verteuerung des Gesundheitswesens bei wie der umfangreiche Regulierungsapparat der Regierung,<br />

dem es obliegt, die Interessen der Allgemeinheit wenigstens einigermaßen mit dem<br />

privatwirtschaftlichen Profitstreben in Einklang zu bringen. Das Ganze wird »geregelter Wettbewerb«<br />

genannt, ein Euphemismus, der die Hindernisse verbergen soll, die einer ausgewogeneren und<br />

effizienteren Gesundheitsvorsorge, welche in den Händen der Regierung läge, im Wege stehen.<br />

Gerade diese aber ist, trotz aller Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit, »politisch nicht<br />

durchsetzbar«.<br />

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