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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Dennoch sind, <strong>zum</strong>indest auf der formellen Ebene, Fortschritte erzielt worden, was u. a. auch das<br />

Schicksal des kirchlichen Radiosenders zeigt. 1980 wurde der Sender, nachdem Erz<strong>bis</strong>chof Oscar<br />

Romero in einigen Predigten die Regierung - auch damals schon von Arena gestellt - kritisiert hatte,<br />

zweimal aus der Luft bombardiert und der Erz<strong>bis</strong>chof wenig später auf Befehl von Roberto<br />

D'Aubuisson, dem Begründer der Arena-Partei, umgebracht. 1994 waren die Regierenden ebenfalls<br />

nicht begeistert, als Romeros Nachfolger, Rivera Damas, dies alles verurteilte, ließen ihm aber bei der<br />

entscheidenden Predigt am Sonntag vor den Wahlen über die staatliche Telefongesellschaft einfach<br />

den Strom abdrehen, so daß die Predigt nicht im Rundfunk übertragen wurde. Nach dem Ende der<br />

Messe funktionierten die Leitungen dann natürlich wieder. 80<br />

Bei den Wahlen von 1994 unterstützten die Vereinigten Staaten Arena, die Partei der<br />

Todesschwadronen, was aus Propagandagründen jedoch geleugnet wurde. Schon im Februar 1985<br />

berichtete die CIA über das »terroristische Netzwerk« hinter Arena, das von »reichen<br />

salvadorianischen Auslandsbürgern, die ihren Wohnsitz in Guatemala und den Vereinigten Staaten<br />

haben, finanziert wird«. Ebenso deckte der Geheimdienst die engen Verbindungen zwischen dem<br />

regulären Militär und den Todesschwadronen auf, während die Regierung Reagan diese Beziehungen<br />

leugnete und nur von rechtsgerichteten Extremisten sprach.<br />

Aber Militär- und Polizeikräfte gehörten selbst <strong>zum</strong> Terrornetzwerk, das die Greueltaten gegen die<br />

Zivilbevölkerung beging. Und alles wurde von Washington finanziert, ausgebildet und instruiert. Die<br />

freigegebenen Dokumente enthüllen, daß die Arena-Partei noch <strong>bis</strong> 1990 in den Terror involviert war,<br />

auch der Präsidentschaftskandidat von 1994. 81<br />

Je näher die Wahlen rückten, desto häufiger wurden Morde und Morddrohungen im Stil der<br />

Todesschwadronen, die sich vor allem gegen die FMLN richteten, stellte die<br />

Menschenrechtsorganisation Americas Watch fest, die darin eine tiefgreifende »Bedrohung des<br />

Friedensprozesses« sah. Überdies gebe es »verläßliche« Beweise für die Verstrickung von Armee und<br />

nationaler Polizei in das Organisierte Verbrechen. 82<br />

Der politischen Opposition, die hauptsächlich von Rubén Zamoras Linkskoalition gebildet wurde,<br />

fehlte es nicht nur an Ressourcen für den von der Arena-Partei praktisch monopolisierten Wahlkampf,<br />

sondern sie konnte auch keine »Unterstützer oder Sympathisanten für Anzeigenkampagnen gewinnen,<br />

weil allgemein Angst vor Vergeltungsaktionen der Rechten herrschte« (New York Times). Das war<br />

angesichts des Terrors nicht unbegründet, und Jose Maria Mendez, von drei renommierten juristischen<br />

Organisationen zu El Salvadors »Anwalt des Jahrhunderts« ernannt, floh ins Exil, nachdem er mit dem<br />

Tod bedroht worden war, falls er nicht den Vizepräsidentschaftskandidaten der Linken <strong>zum</strong> Verzicht<br />

bewegen konnte.<br />

Ausländische Beobachter waren über das Desinteresse der Bevölkerung an den »Jahrhundertwahlen«<br />

erstaunt. Der Christian Science Monitor berichtete von Angst und Apathie. Viele befürchteten, daß der<br />

Krieg zurückkehren werde, wenn die Arena-Partei die Wahlen verlöre. Mit 45 Prozent lag der<br />

Nichtwähleranteil so hoch wie vor zehn Jahren, als die Gewalt am schlimmsten wütete. Die New York<br />

Times zitierte den Politologen Hector Dada, der die niedrige Beteiligung auf eine »bewußte<br />

Entrechtung der Bürger und ein Gefühl der Apathie bei den Wählern« zurückführte. Wer zur Wahl<br />

ging, stimmte, so Luis Cardenal, »in erster Linie für Ruhe und Sicherheit«. So interpretierte auch<br />

David Clark Scott vom Christian Science Monitor den Ausgang. Das ist durchaus plausibel, denn ein<br />

anderes Ergebnis hätte sehr wahrscheinlich zu neuem Aufflammen des Terrors geführt. 83<br />

»Ohne eine [starke] Zivilgesellschaft«, faßte Hector Dada die Lehre, die aus den Vorgängen gezogen<br />

werden konnte, zusammen, »gibt es keine freien und demokratischen Wahlen. Dieser Schluß liegt auf<br />

der Hand.« 84 Insbesondere für die herrschenden Mächte, die formaldemokratische Prozeduren am<br />

liebsten auf Situationen beschränken, in denen die Zivilgesellschaft zerstört wurde oder hinreichend<br />

eingeschüchtert ist, um das gewünschte Ergebnis zu gewährleisten. Die bereits erwähnten Ereignisse<br />

in Italien sprechen eine deutliche Sprache.<br />

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