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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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nach einem geschichtlichen Zwischenspiel, den globalen Kontext und schließlich die gegenwärtige<br />

Entwicklung und ihren möglichen weiteren Verlauf erörtern.<br />

1. Der Kampf an der Heimatfront<br />

Der Feind im Inneren<br />

Die innenpolitischen Probleme waren teils sozialer und ideologischer, teils ökonomischer Natur. Die<br />

Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre hatte sich zur Herausforderung, gar Infragestellung der<br />

Privatwirtschaft entwickelt. Das wurde als Schock empfunden, glaubte man doch, die<br />

Arbeiterbewegung und Forderungen nach mehr Demokratie ein für alle Mal erledigt zu haben. Aber<br />

1935 wurde das Wagner-Gesetz verabschiedet, das den Arbeitern Rechte einräumte, die in England<br />

und anderswo schon seit 50 Jahren selbstverständlich waren. Gleich warnte die National Association<br />

of Manufacturers, eine Industriellenorganisation, vor der Gefahr, die für die Wirtschaft von der »neu<br />

entstandenen politischen <strong>Mac</strong>ht der Massen« ausgehe. Deren Denken müsse in geeignete Bahnen<br />

gelenkt werden, sonst »steht uns eine Konfrontation ins Haus«.<br />

Die Konzerne starteten eine rasche Gegenoffensive, die weniger auf staatliche Gewaltmaßnahmen als<br />

auf Gedankenkontrolle setzte: »Wissenschaftliche Streikbrechermethoden« und »Human Relations«-<br />

Kampagnen sollten die Öffentlichkeit gegen »Außenseiter« mobilisieren, die »Kommunismus und<br />

Anarchie« predigten und das Gemeinschaftsgefühl nüchterner Arbeiter und Farmer, treusorgender<br />

Mütter und Hausfrauen, hart für das Wohl der Menschen arbeitender Manager - also jenen<br />

»Amerikanismus«, der uns alle in Harmonie und Freude vereint - vergiften wollten. Das Projekt griff<br />

auf frühere Erfolge der Public-Relations-Industrie zurück, einer amerikanischen Erfindung, die schon<br />

zu Beginn des Jahrhunderts und dann nach dem Ersten Weltkrieg der Geschäftswelt zu ideologischen<br />

Siegen verholfen hatte.<br />

Dazu beigetragen hatten Erfahrungen mit der ersten regierungsoffiziellen Propagandaagentur,<br />

Woodrow Wilsons Creel-Kommission, die während des Ersten Weltkriegs die Amerikaner von<br />

Pazifisten zu kriegsbegeisterten Nationalisten machen konnte. Wilsons Propagandamaschinerie<br />

beeindruckte die amerikanische Geschäftswelt, aber auch einen Adolf Hitler, der Deutschlands<br />

Niederlage auch propagandistischer Unterlegenheit im Vergleich zu den angloamerikanischen<br />

Anstrengungen zurechnete. Harold Lasswell, einer der führenden Politikwissenschaftler, der seine<br />

Karriere mit Untersuchungen zur Verwendung von Propaganda im Westen begonnen hatte, nannte<br />

Wilson den »großen Generalissimus an der Propagandafront«. Wie andere seriöse Wissenschaftler<br />

erkannte er, daß die Propaganda sich besonders gut für freiere und demokratischere Gesellschaften<br />

eignet, in denen die Bevölkerung nicht mit der Peitsche im Zaum gehalten werden kann. Folglich<br />

empfahl er den Einsatz dieses Instruments, um den Erhalt der Ordnung, den er aufgrund »der Ignoranz<br />

und des Aberglaubens ... der Massen« gefährdet sah, zu gewährleisten. In der Encyclopaedia of the<br />

Social Sciences erklärte er, wir sollten nicht »dem demokratischen Dogma« anhängen, daß »die<br />

Menschen selbst ihre Interessen am besten beurteilen könnten«; das ist vielmehr Sache der Eliten, so<br />

wie für Churchill nur die »reichen Leute in den reichen Nationen« wissen, was für die Welt gut ist.<br />

Mit der Geschäftswelt und führenden Intellektuellen teilte Lasswell Robert Lansings Furcht vor der<br />

»ignoranten und unfähigen Masse der Menschheit« und der Gefahr ihrer möglichen Vorherrschaft, die,<br />

wie Lansing irrtümlich annahm, von den Bolschewisten angestrebt wurde. Auch Walter Lippmann,<br />

eine der großen Gestalten des amerikanischen Journalismus und ein hoch geschätzter<br />

Demokratietheoretiker des progressiven Lagers, schloß sich diesen Bedenken an. »Die<br />

Öffentlichkeit«, meinte er, »muß auf den ihr zugehörigen Platz verwiesen werden«, damit die<br />

»verantwortlichen Männer ... von dem Getrampel und Gebrüll einer verwirrten Herde« nicht gestört<br />

werden. In einer Demokratie haben diese »ignoranten und aufdringlichen Außenseiter« lediglich die<br />

Funktion, »interessierte Zuschauer« in der politischen Arena zu sein, nicht aber »direkt Beteiligte«,<br />

außer, wenn sie alle Jahre wieder ihre Stimme einem Mitglied der Führungsschichten geben.<br />

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