Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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In diesem Zusammenhang sollte man sich auch an die Rechtfertigungen erinnern, die vor dem Church-<br />
Komitee für die Attentatsversuche auf Castro gegeben wurde, als der Senat die Sache 1975<br />
untersuchen ließ. John McCone, unter Kennedy Leiter der CIA, bezeichnete Castro als jemanden, der<br />
»jedes Mikrophon und jeden Fernsehauftritt nutzte, um die Vereinigten Staaten auf<br />
höchst gewaltsame, unfaire und unglaubliche Weise zu beleidigen und zu kritisieren. Er<br />
tat sein Äußerstes, um jeden verfügbaren Kommunikationskanal jedes lateinamerikanischen<br />
Landes dazu zu verwenden, diese Länder den Prinzipien, für die wir<br />
eintraten, abspenstig zu machen und sie dem Kommunismus in die Arme zu treiben. Er<br />
war derjenige, der 1962 die geheiligte Erde Kubas den Sowjets zur Installierung von<br />
atomaren Kurzstreckenraketen überließ«.<br />
Allerdings sollten diese Raketen der Verteidigung gegen einen erwarteten Angriff der USA auf Kuba<br />
dienen (der aus kubanischer und sowjetischer Sicht durchaus plausibel erschien, wie Verteidigungsminister<br />
Robert McNamara später einräumte). Überdies hatte die CIA zuvor terroristische Angriffe auf<br />
Kuba lanciert. 38<br />
Ebenso entlarvend war der Verweis der Medien auf Reagans Luftschlag gegen Libyen im Jahre 1986,<br />
bei dem Dutzende von Zivilisten getötet wurden. Thomas Friedman vermerkt: »Oberst Ghaddafi<br />
persönlich war das Ziel, Mitglieder seiner Familie kamen ums Leben, und er selbst wäre beinahe<br />
mitsamt seinem Zelt in die Luft gesprengt worden.« Insofern ist der Mordversuch an Ghaddafi ein<br />
ehrenwerter Vorläufer für Clintons Raketenangriff auf Bagdad. 39<br />
Hier nun betreten wir eine wahrlich surreale Welt, deren Normen zu begreifen man erst einmal lernen<br />
muß: Mordanschläge, Terrorismus, Folter und Aggression sind hart zu bestrafende Verbrechen, wenn<br />
sie sich gegen Personen von vordringlicher Bedeutung richten; begeht sie jedoch der Mafiaboß<br />
höchstpersönlich, sind sie keiner Erwähnung wert oder sogar lobenswerte Akte der Selbstverteidigung.<br />
Diese Wahrheiten gelten als so selbstverständlich, daß nahezu einhundert Prozent der Berichte und<br />
Kommentare über Clintons Angriff daran festhielten, wobei sogar Mordanschläge auf ausländische<br />
politische Führer als Rechtfertigung für die Bombardierung Bagdads herhalten mußten. Von dieser<br />
Leistung wären Diktatoren höchst beeindruckt.<br />
Thomas Friedman erläuterte, warum Clinton Saddam Hussein nicht persönlich angegriffen hatte: »Die<br />
amerikanische Politik ist immer davon ausgegangen, daß Mr. Hussein nützlich ist, weil er den Irak mit<br />
eiserner Faust zusammenhält«, womit, wie Regierungsbeamte privatim versichern, »die Vereinigten<br />
Staaten besser bedient sind als mit einem Land, das in seine Bestandteile - kurdische, schiitische und<br />
sunnitische Regionen - auseinanderbricht und dadurch vielleicht den ganzen Nahen Osten<br />
destabilisiert«. 40 Diese Erwägungen galten natürlich auch schon, als Saddam noch der große Freund<br />
Washingtons und Londons war, die ihn zusammen mit ihren Verbündeten nach Kräften unterstützten,<br />
während er Giftgas gegen die Kurden einsetzte und Dissidenten foltern ließ. Nach dem Golfkrieg<br />
schauten die Sieger zu, wie er die Schiiten und die Kurden niedermetzelte und hofften, jedoch<br />
vergeblich, auf »die beste aller Welten: eine Junta mit eiserner Faust und ohne Saddam Hussein«. Sie<br />
begnügten sich dann mit der zweitbesten Lösung.<br />
Die Taktik der Regierung Clinton wurde auch durch die Erwägung des Verteidigungsministers<br />
bestimmt, das Leben von amerikanischen Soldaten nicht aufs Spiel zu setzen, nur um die Zahl der<br />
zivilen Opfer möglichst gering zu halten. Dahinter steht indes ein umfassenderes Prinzip:<br />
Menschliches Leben ist von Wert, insofern es Reichtum und <strong>Mac</strong>ht der Privilegierten vermehrt.<br />
Letztlich bestimmen die Interessen der Reichen die grundlegenden Konturen der Politik.<br />
Das zeigt sich auch im Umgang mit Saddam Hussein, Noriega und zahlreichen anderen Tyrannen: Es<br />
sind prima Typen, solange sie unseren Interessen dienen, wenn sie uns jedoch in die Quere kommen,<br />
müssen sie beseitigt werden, wie Unkraut. Diese moralischen Leitlinien berechtigen die Vereinigten<br />
Staaten dazu, den Invasoren von Kuweit zu bombardieren und seine Untertanen auszuhungern,<br />
während Indonesiens viel schlimmere Verbrechen, die bei der Annektierung von Ost-Timor begangen<br />
wurden, unbeachtet bleiben. Statt Djakarta zu bombardieren, leisteten Washington und London,<br />
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