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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Entwicklungspolitik von dem Modell des »freien Unternehmertums«, das wir sonst anderen<br />

aufzwingen, etwas abweicht. Im Januar 1963 argumentierte Kennedy, jetzt Präsident, ganz ähnlich, als<br />

er den Kongreß ermahnte, »sehr sorgfältig« die Folgen zu bedenken, die uns drohen, wenn Länder<br />

»kommunistisch werden, nur weil wir ihnen ein gewisses Maß an Hilfe verweigerten«. Wir müssen<br />

»darauf achten, daß Entwicklungshilfe unseren Interessen am besten nützt«. 158<br />

Der beste Weg dazu sind indirekte Subventionen der öffentlichen Hand für US-Konzerne, was in den<br />

Vorstandsetagen nicht unbekannt ist. Im Fall Indiens beschrieben Vertreter des »Wirtschaftsrats für<br />

internationale Verständigung« - Orwell läßt grüßen - im Februar 1966 vor dem US-Kongreß ihre<br />

Schwierigkeiten und Erfolge. Indien würde »wahrscheinlich lieber Techniker und Know-how<br />

importieren statt ausländische Konzerne«, bemerkten sie, da das aber nicht möglich sei, »akzeptiert<br />

Indien ausländisches Kapital als notwendiges Übel«.<br />

Als Beispiel für den Gesinnungswandel führten sie Verhandlungen zur Verdoppelung von<br />

Düngemittellieferungen an, die »in Indien dringend benötigt werden«. Diese Düngemittel sollten<br />

Eigentum der Lieferfirmen bleiben, was Indien gar nicht gefiel, weil, so der Einwand, »die<br />

amerikanische Regierung und die Weltbank offensichtlich bestrebt sind, sich das Recht<br />

herauszunehmen, den Rahmen, innerhalb dessen unsere Wirtschaft funktioniert, festzulegen«. Aber<br />

der Widerstand fruchtete nichts, und Indien mußte nachgeben, weil USA und Weltbank »den bei<br />

weitem größten Teil des Devisenhandels kontrollierten, den Indien zur Entwicklung seiner Wirtschaft<br />

und Industrie brauchte«. Die amerikanischen Firmen, die Indien auf Druck der USA ins Land lassen<br />

mußte, bestanden darauf, ihre eigenen Maschinen mitzuliefern, obwohl Indien selbst über<br />

entsprechende Gerätschaften verfügte. Ebenso mußte es Flüssigammoniak importieren, obwohl der<br />

einheimische Rohstoff Naphtha entwicklungsfähig war und zur Unabhängigkeit beigetragen hätte.<br />

Aber die New York Times war von dem Handel begeistert und sah Indien auf dem Weg »vom<br />

Sozialismus <strong>zum</strong> Pragmatismus«. 159<br />

In den achtziger Jahren unterwarf sich Indien dem Regiment des Weltwährungsfonds und geriet<br />

ebenfalls in den weltweiten Strudel des Katastrophen-Kapitalismus. Die Auswirkungen schilderte<br />

Michel Chossudovsky, Spezialist für Entwicklungspolitik an der Universität von Ottawa, im<br />

führenden indischen Wirtschaftsjournal: »Unter der britischen Kolonialherrschaft hatte die indische<br />

Regierung ein faires Maß an Autonomie, während unter der Vormundschaft von Weltwährungsfonds<br />

und Weltbank der Finanzminister unter Umgehung des Parlaments direkt [am Hauptsitz der Weltbank]<br />

in Washington Bericht erstattet. Die Budgetvorschläge der indischen Regierung sind nichts als<br />

Wiedergaben von mit der Weltbank geschlossenen Übereinkommen. In Schlüsseldokumenten der<br />

Regierung, die direkt aus Washingtoner Büros stammen, finden sich zunehmend amerikanische<br />

stilistische Eigenarten und Schreibweisen. Wichtige Ministerien beschäftigen ehemalige Angestellte<br />

von IWF und Weltbank, die mittlerweile eine Art »Parallelregierung« bilden. Diese kann, ohne sich<br />

von demokratischen Verfahrensweisen hindern zu lassen, die »Armen in Stadt und Land« noch weiter<br />

niederdrücken und zur Bereicherung der Reichen beitragen. Die Landbevölkerung leidet hunger,<br />

während der Export von Lebensmitteln boomt. Bauern werden in den Ruin getrieben, und die<br />

Reallöhne der Arbeiter fallen. Selbst in prosperierenden ländlichen Gebieten sind Hungertode keine<br />

Seltenheit mehr. Die erzwungenen »strukturellen Anpassungsprogramme« führen zur Kürzung von<br />

Sozialhaushalten und treffen, wie indische Ökonomen feststellen, »die Kinder der Armen in der<br />

indischen Gesellschaft besonders hart«.<br />

Aber es gibt auch Nutznießer: die indischen Eliten, ausländische Investoren und Konsumenten. Ein<br />

besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Diamantenindustrie. Sieben von zehn im Westen verkauften<br />

Diamanten werden in Indien geschnitten, zu Niedrigstlöhnen. »Erzielte Preisvorteile reichen wir an<br />

unsere Kunden in Übersee weiter«, bemerkt einer der führenden Diamantenexporteure. Dank der<br />

Wunder des Markts kann Diamantschmuck in den New Yorker Boutiquen billiger angeboten<br />

werden. 160<br />

Daß die Entwicklungshilfe im wesentlichen den Geberländern nützt, wurde noch deutlicher, als der<br />

Westen nach dem Ende des Kalten Kriegs die globale Vorherrschaft antrat. 1991 waren drei Viertel<br />

der britischen Entwicklungshilfe an britische Waren und Dienstleistungen gebunden. Der Economist<br />

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