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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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In vielen Ländern entstanden bevölkerungsnahe Bewegungen, die sich im Kampf gegen die tradierten<br />

<strong>Mac</strong>htstrukturen mit den lokalen Kommunisten sowjetischer oder, später, chinesischer Provenienz<br />

verbündeten. Selbst eingefleischte Antikommunisten hielten das sowjetische Entwicklungsmodell für<br />

übertragbar auf die Dritte Welt. Die USA sahen das alles mit großer Sorge und waren darauf bedacht,<br />

jene Doktrinen, die zunächst nur in ihrer Einflußsphäre gegolten hatten, nunmehr weltweit<br />

durchzusetzen: Demokratie und soziale Reformen sind akzeptabel, wenn dadurch tiefgreifenderer<br />

Wandel vermieden werden kann. Aber die Reformen müssen von oben nach unten durchgesetzt<br />

werden und die Vasallen an der <strong>Mac</strong>ht bleiben. Aus diesen Erwägungen heraus wurde in Westeuropa<br />

und Asien die traditionelle Ordnung wiederhergestellt.<br />

Im Juli 1945 warnte eine vom US-Außen- und Kriegsministerium durchgeführte Untersuchung vor der<br />

russischen Gefahr. Überall auf der Welt strebe, so hieß es, der gemeine Mann nach Höherem, und man<br />

wisse nicht, ob Rußland vielleicht mit dem Gedanken spiele, sich mit diesen gefährlichen Strömungen<br />

zu verbünden und »expansionistische Bestrebungen« zu hegen. Folglich gehen wir kein Risiko ein,<br />

umgeben die Sowjetunion mit einem Kordon von Militärstützpunkten und gestatten ihr keine<br />

Kontrolle über ihren einzigen Zugang zu südlichen Gewässern bei den Dardanellen.<br />

Natürlich hatte man nicht unbedingt Angst vor der Militärmacht Sowjetunion. Im Juni 1956 sagte US-<br />

Außenminister John Foster Dulles zu Konrad Adenauer, daß die wirtschaftliche Gefahr, die von der<br />

Sowjetunion ausgehe, möglicherweise größer sei als die militärische. Die UdSSR verwandle sich mit<br />

großer Geschwindigkeit in einen modernen und effizienten Industriestaat, während Westeuropa immer<br />

noch stagniere. Zur gleichen Zeit wies ein Bericht des Außenministeriums darauf hin, daß »die<br />

wirtschaftlichen Erfolge der UdSSR für die weniger entwickelten Länder Asiens von großer<br />

Bedeutung sind, weil das Land offenbar in der Lage war, aus dem Stand sich sehr schnell zu<br />

industrialisieren«. 1961 meinte der britische Premierminister Harold <strong>Mac</strong>millan zu Präsident<br />

Kennedy: »Die Russen haben eine florierende Wirtschaft und werden die kapitalistische Gesellschaft<br />

bei der Jagd nach materiellem Reichtum bald hinter sich gelassen haben.« Zur gleichen Zeit galt China<br />

als möglicherweise attraktives Entwicklungsmodell für Drittweltländer wie etwa Nordvietnam.<br />

Die von Rußland und China ausgehende Infektionsgefahr wurde noch vergrößert durch die unfairen<br />

Vorteile, die Kommunisten in den Staaten der Dritten Welt genossen, waren sie doch fähig, »direkt an<br />

die Massen zu appellieren«, wie sich Präsident Eisenhower beschwerte, was »wir«, wie Außenminister<br />

Dulles monierte, leider »nicht nachmachen können«. Die Kommunisten wenden sich nämlich »an die<br />

armen Leute, und sie waren immer schon darauf aus, die Reichen auszuplündern« - das große Problem<br />

der Weltgeschichte. Es wäre eine erstrangige Aufgabe der PR-Industrie, die Ausplünderung der<br />

Armen durch die Reichen als wohlfahrtsstaatliches Highlight zu verkaufen. 110<br />

In einer Diskussion mit seinem Stab über Schwierigkeiten mit der ara<strong>bis</strong>chen Welt jammerte<br />

Eisenhower: »Das Problem ist, daß gegen uns eine Haßkampagne läuft, die nicht von den<br />

Regierungen, sondern von der Bevölkerung ausgeht.« Die nämlich stand »auf Nassers Seite«, und<br />

Nasser war, wie John Foster Dulles im August 1956 verlauten ließ, »ein äußerst gefährlicher<br />

Fanatiker«, weil er eigensinnig auf einem neutralistischen Kurs beharrte. Immerhin war er noch nicht<br />

so schlimm wie Chruschtschow, der »Hitler mehr gleicht als irgendein russischer Führer vor ihm«,<br />

meinte Dulles ein Jahr später vor dem Nationalen Sicherheitsrat. 111<br />

Eisenhowers Besorgnisse manifestierten sich am 15. Juli 1958, als 10 000 Marines vor Beirut an Land<br />

wateten, nachdem ein Putsch im Irak das anglo-amerikanische Erdölmonopol im Nahen Osten<br />

durchbrochen und in London und Washington für Entgeisterung gesorgt hatte. Die Briten waren<br />

daraufhin entschlossen, »rücksichtslos zu intervenieren«, falls sich die nationalistische Fäulnis <strong>bis</strong><br />

nach Kuweit ausbreiten sollte. Die USA unterstützten diese Haltung, waren sie doch hinsichtlich der<br />

sehr viel reicheren, von ihnen kontrollierten Regionen derselben Auffassung. Eisenhowers Problem<br />

wurde 1990/91 erneut virulent. Von Marokko <strong>bis</strong> Indonesien reichte die Opposition gegen den von<br />

Washington und London geführten Golfkrieg, die in den halbwegs demokratisierten ara<strong>bis</strong>chen<br />

Staaten kaum einzudämmen war. Insofern ist die Abneigung der amerikanischen und britischen<br />

Führung gegen eine Demokratie in der ara<strong>bis</strong>chen Welt durchaus verständlich. 112<br />

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