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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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USA ihre »Wirtschaftscharta für die Amerikas« vor, in der sie ein Ende des Wirtschaftsnationalismus<br />

»in all seinen Formen« forderten. Die Nutznießer der Ressourcen eines Landes müßten die US-<br />

Investoren und ihre Verbündeten vor Ort sein, nicht aber »die jeweilige Bevölkerung«.<br />

Angesichts der <strong>Mac</strong>htverhältnisse konnte Washingtons Position sich durchsetzen. Die Folge ist, daß in<br />

Lateinamerika »die Einkommensverhältnisse so ungleich verteilt sind wie sonst nirgendwo auf der<br />

Welt«, berichtete die Weltbank im September 1993 und sagte »Chaos« vorher, falls die Regierungen<br />

nicht »aggressive Maßnahmen gegen die Armut« ergriffen. 153<br />

Schon die Regierungen Truman und Eisenhower richteten sich gegen eine »exzessive industrielle<br />

Entwicklung« in Lateinamerika, die den US-Wirtschaftsinteressen zuwiderlaufen würde. Die Länder<br />

des Südens sollten die Wirtschaft des Nordens ergänzen und nicht etwa mit ihr konkurrieren. Das galt<br />

natürlich auch für andere Weltregionen, wo jedoch die Interessen der Industrienationen berücksichtigt<br />

werden mußten, weshalb die USA »aus eigenem Interesse die Verantwortung für das Wohlergehen des<br />

kapitalistischen Systems übernahmen«, bemerkt der Historiker Gerald Haines.<br />

Für Asien sah eine Studie des Nationalen Sicherheitsrats aus dem Jahre 1949 eine Politik<br />

»gegenseitigen Austauschs zu beiderseitigem Vorteil« vor. Die Aussichten für eine unabhängige<br />

industrielle Entwicklung hielt man für gering: »Keines [dieser Länder] besitzt ausreichende Rohstoffe<br />

für eine allgemeine Industrialisierung«, befand die Studie, obwohl Indien, China und Japan »sich<br />

seiner solchen Entwicklung annähern könnten«. Allerdings galten gerade Japans Aussichten für<br />

ziemlich begrenzt; das Land könne, meinten US-Experten 1950, bestenfalls Nippsachen für die<br />

unterentwickelten Staaten herstellen. Dahinter steckte natürlich einiger Rassismus, ganz unrealistisch<br />

war die Annahme jedoch nicht, denn erst nach dem Koreakrieg kam Japans stagnierende Wirtschaft in<br />

Schwung.<br />

Die wirtschaftlichen Hilfsprogramme folgten denselben Prioritäten. Der Marshall-Plan entsprach den<br />

bereits erwähnten strategischen Imperativen. Westeuropa konnte wirtschaftlich davon profitieren,<br />

mußte dafür aber die Arbeiterorganisationen in Schach halten und durfte weltpolitisch nur die zweite<br />

Geige spielen. Mehr als zehn Prozent der Gelder des Marshall-Plans wurden für Ölimporte verwendet,<br />

was dem Zweck diente, die westeuropäische Wirtschaft stärker auf diesen Rohstoff zu gründen, um<br />

die als politisch unzuverlässig geltenden Gewerkschaften der Kohlearbeiter zu schwächen und den<br />

USA, die die Erdölreserven kontrollierten, stärkere Einflußmöglichkeiten zu verschaffen. Von den<br />

<strong>zum</strong> Wiederaufbau Europas vergebenen Krediten der Weltbank profitierten US-Konzerne. Zwischen<br />

1946 und 1953 dienten 77 Prozent dieser Kredite dem Kauf amerikanischer Waren und<br />

Dienstleistungen; die Finanzpolitik »war darauf bedacht, direkt oder indirekt private Investitionen und<br />

Unternehmen zu fördern«. 154 Die amerikanischen Steuerzahler finanzierten diese Leistungen, während<br />

die Konzerne auf doppelte Weise Gewinn machten, nämlich durch Exporte sowie durch verbesserte<br />

Investitionsbedingungen.<br />

Wie der Marshall-Plan wird auch das Programm »Lebensmittel für Frieden« (Food for Peace, PL 480)<br />

gerne als »eine der größten humanitären Taten, die jemals von einer Nation für die Bedürftigen<br />

anderer Nationen vollführt wurden« beschrieben. Trotz dieser hehren Worte Ronald Reagans sah die<br />

Wirklichkeit anders aus: Das Programm war eine öffentliche Subventionierung der USamerikanischen<br />

Landwirtschaft und diente darüber hinaus der Durchsetzung politischer Ziele, indem<br />

die Bevölkerungen der betreffenden Länder von diesen Lebensmittellieferungen abhängig gemacht<br />

werden sollten, wie Senator Hubert Humphrey in schöner Offenheit betonte. Humphrey war eine der<br />

führenden Persönlichkeiten des amerikanischen Liberalismus und vertrat im Senat die Interessen<br />

seiner Wähler, überwiegend Farmer aus Massachussetts. Und noch andere Zwecke erfüllte das<br />

Programm: Indem es die einheimische Landwirtschaft und deren Produktion für den Binnenmarkt<br />

untergrub, zwang es die Länder der Dritten Welt <strong>zum</strong> Agrarexport, wovon die transnationalen US-<br />

Lebensmittelkonzerne ebenso profitierten wie die Hersteller von Düngemitteln und Chemikalien;<br />

ferner trug es zur Finanzierung von Antiguerilla-Operationen bei, indem in einheimischer Währung<br />

angelegte Ausgleichsfonds (»counterpart funds«) für Militär- und Aufrüstungsausgaben verwendet<br />

wurden; dadurch konnte im Endeffekt »ein globales militärisches Netzwerk kapitalistischer<br />

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