Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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Diese Methoden sind höchst einfach. Da das Kapital im Gegensatz zur Arbeiterschaft und ihren<br />
Organisationen höchst mobil ist, können Unternehmer die Arbeitskräfte einer Nation gegen die einer<br />
anderen ausspielen und so den Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit erheblich herabdrücken.<br />
Interessant dabei ist, daß die klassische Wirtschaftstheorie das Verhältnis von Mobilität und<br />
Immobilität noch völlig anders sah: Zu Ricardos Zeit galt, realistischerweise, die Arbeitskraft als<br />
mobil im Gegensatz <strong>zum</strong> eher immobilen Kapital, weshalb der Freihandel als vorteilhaft galt.<br />
General Motors will zwei Dutzend Fabriken in den USA und Kanada schließen, ist aber <strong>zum</strong> größten<br />
Arbeitgeber in Mexiko geworden. Der Konzern konnte das dortige »Wirtschaftswunder« nutzen, das<br />
in den letzten zehn Jahren zu einem starken Absinken des Lohnniveaus geführt hat. Mitte der siebziger<br />
Jahre lag der Anteil der Löhne am Privateinkommen noch bei 36 Prozent, 1992 nur noch bei 23<br />
Prozent, berichtet der Ökonom David Barkin, während 94 Prozent der Aktienanteile in nichtstaatlicher<br />
Hand von weniger als 8000 Eignern (darunter 1500 ausländische) kontrolliert werden.<br />
Unterdessen ist auch Osteuropa interessant geworden. In Ostdeutschland hat GM für 690 Millionen<br />
Dollar eine Montagefabrik errichtet, weil die Arbeiter in der Region bereit sind, »länger zu arbeiten als<br />
ihre verhätschelten Kollegen im Westen« und das zu weit geringeren Löhnen, wie die Financial Times<br />
erklärt. Polen ist sogar noch verlockender, weil dort die Löhne 10 Prozent der im Westen üblichen<br />
betragen, was sich, wie die Financial Times schreibt, auch einer restriktiveren Regierungspolitik<br />
verdankt. Zwar ist Polen in puncto Unterdrückung der Arbeiter noch nicht so weit wie Mexiko, aber<br />
man darf ja hoffen. Die »Gewerkschaft Solidarität«, bei ihrem Kampf gegen die Kommunisten der<br />
Liebling des Westens, ist jetzt <strong>zum</strong> Feind geworden, es sei denn, die Gewerkschaftsführer helfen bei<br />
der Durchsetzung der Reformen mit, in welchem Falle sie von der polnischen Arbeiterschaft und<br />
Bevölkerung als Feind angesehen werden. 201<br />
Außerdem gibt es Steuererleichterungen und andere Geschenke für die Investoren. Als GM bei<br />
Warschau eine Autofabrik kaufte, gehörte zu den nicht öffentlich gemachten Bedingungen ein von der<br />
Regierung gewährter dreißigprozentiger Zollschutz, bemerkt Alice Amsden. VW wiederum nutzt die<br />
niedrigen Lohnkosten in der Tschechischen Republik und konnte zudem der Regierung die Kosten für<br />
Schulden und Umweltverschmutzung aufbürden. Ähnlich profitable Geschäfte machte jüngst Daimler-<br />
Benz mit Alabama. 202<br />
Aber die Hauptanziehungskraft ist billige, nicht von gewerkschaftlichen Organisationen geschützte<br />
Arbeit. »Direkt vor unserer Haustür haben wir jetzt <strong>zum</strong> ersten Mal eine beträchtliche Menge billiger<br />
und gut ausgebildeter Arbeitskräfte«, bemerkte der BDI-Präsident in Köln, der darauf verwies, daß die<br />
Lohnkosten im Westen sinken müßten, wenn die westeuropäischen Arbeiter überhaupt noch<br />
international konkurrenzfähig sein sollten. Die Gewerkschaften haben die Botschaft schon<br />
vernommen. »Jedesmal, wenn wir aufgefordert werden, der Streichung von Vergünstigungen<br />
zuzustimmen, sagt man uns, daß wir im direkten Wettbewerb mit Taiwan stehen«, wo die Löhne ein<br />
Drittel der britischen und ein Fünftel der westdeutschen betragen, bemerkte ein britischer<br />
Gewerkschaftsfunktionär und fügte hinzu: »Die Botschaft des Managements an die Arbeiter lautet:<br />
Wenn ihr bei den Lohnkosten nicht nachgebt, gehen wir eben woanders hin.« 203<br />
Die zu lernenden Lektionen lassen sich in Business Week nachlesen: Europa muß »hohe Löhne und<br />
Konzernsteuern senken, luxuriöse Sozialprogramme kürzen, die Arbeit flexibilisieren und die<br />
Arbeitszeiten verlängern«. In Großbritannien hat man das schon begriffen, in den Vereinigten Staaten<br />
ist man dabei, und die Angleichung der Arbeitsbedingungen an Drittweltstandards hat es südöstlichen<br />
US-Staaten mit schwachen Gewerkschaften ermöglicht, ausländische Konzerne ins Land zu holen.<br />
Den Deal von Daimler-Benz mit Alabama erwähnten wir bereits; die versprochenen Subventionen und<br />
Steuererleichterungen wird der Staat »teuer bezahlen«, zitierte das Wall Street Journal eine Gruppe für<br />
Wirtschaftsentwicklung aus North Carolina, die Alabamas Triumph über die Mitbewerber als<br />
»Pyrrhussieg« bezeichnete. »So etwas kann der geschwächten Wirtschaft nicht auf die Beine helfen.<br />
Die ökonomischen Bedingungen gleichen denen in der dritten Welt. Da geht Geld verloren, das in<br />
Menschen, Straßen, staatliche Einrichtungen investiert werden müßte. Und auch für die Bildung fehlt<br />
Alabama das Geld.« 204<br />
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