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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Bewußtsein sie reflektiert, enthüllt«. Dagegen ist der tatsächliche geschichtliche Verlauf nur der<br />

Mißbrauch der Realität, ein bedeutungsloses Artefakt. 48<br />

Solche Doktrinen sind also, wie bei den extremeren Formen des religiösen Fundamentalismus, gegen<br />

Kritik und Bewertung immun. Man kann sich kaum vorstellen, daß diese Bekundungen ernst gemeint<br />

sind, und vielleicht sind sie es nicht, wie Achesons zynischer Kommentar vermuten läßt. Ähnlich hatte<br />

Huntington einmal erklärt: »Man muß wahrscheinlich [die Intervention oder andere militärische<br />

Aktionen] so verkaufen, daß man den falschen Eindruck erweckt, man bekämpfe die Sowjetunion. So<br />

sind die Vereinigten Staaten seit der Truman-Doktrin verfahren.« Mit dieser Logik »können auch<br />

Gorbatschows PR-Strategien als für die amerikanischen Interessen in Europa ebenso bedrohlich gelten<br />

wie Breschnews Panzer.« Damit bietet Huntington weitere Einblicke in die Realität des Kalten<br />

Kriegs. 49<br />

Die Hysterie des Dokuments NSC 68 hielt sich auch während der Präsidentschaft von Eisenhower und<br />

wurde danach von Kennedy und dessen Umfeld aus liberalen Intellektuellen bedient. Kennedy warnte<br />

eindringlich vor der »monolithischen und rücksichtslosen Verschwörung«, deren Ziel die Eroberung<br />

der Welt sei. Seine engsten Mitarbeiter teilten diese Ansichten. Verteidigungsminister McNamara<br />

sagte in der Anhörung anläßlich seiner Ernennung vor dem Kongreß:<br />

»Es gibt keine historische Parallele <strong>zum</strong> Drang des sowjet-kommunistischen<br />

Imperialismus, die Welt zu kolonisieren ... Des weiteren ist die sowjetische Aggression so<br />

allumfassend, daß man, um sie zu verstehen, auf die frühe Geschichte zurückgreifen muß,<br />

in der kriegerische Stämme den Feind nicht nur besiegen, sondern gänzlich auslöschen<br />

wollten ... Der Sowjetkommunismus will die sorgsam gehegten Traditionen und<br />

Institutionen der freien Welt mit dem gleichen Fanatismus auslöschen, der früher<br />

siegreiche Armeen dazu brachte, Dörfer niederzubrennen und die Felder zu versalzen,<br />

damit sie nie wieder Früchte tragen würden. Diesen primitiven Plan totaler Auslöschung<br />

können die Kommunisten mit den Mitteln der modernen Technologie und Wissenschaft<br />

in die Tat umsetzen. Diese Kombination ist furchteinflößend. Das Wissen des 20.<br />

Jahrhunderts wird, wenn es aller moralischen Beschränkungen entledigt ist, zur<br />

gefährlichsten Gewalt, die jemals auf die Welt losgelassen wurde. Und in der gesamten<br />

Literatur des Sowjetkommunismus findet sich nicht der geringste Hinweis auf moralische<br />

Beschränkungen.«<br />

McNamara schloß mit den Worten: »In diesem Geist sollte das Bildungsprogramm unserer<br />

Verteidigungsinstitutionen durchgeführt werden.«<br />

Kennedys zweitwichtigster Berater in Sicherheitsfragen, General Maxwell Taylor, drängte auf eine<br />

radikale Erhöhung des Militärhaushalts. »Ich kann zwar keine genaue Schätzung abgeben«, meinte er,<br />

»doch wird die Gesamtsumme alle Friedensbudgets in der Geschichte der Vereinigten Staaten<br />

übertreffen.« 50 Das konnte angesichts »unserer« Vollkommenheit und »ihrer« Bösartigkeit nur klug<br />

sein.<br />

Die Intellektuellen um Kennedy betrieben also eine gigantische Aufrüstung, die sie mit dem Hinweis<br />

auf die »Raketenlücke« rechtfertigten. Das war insofern gelogen, als es sie zwar gab, aber zugunsten<br />

der Vereinigten Staaten. Unter Kennedy vollzog sich der zweite Aufrüstungsschub des Kalten Kriegs;<br />

den ersten hatte die Regierung Truman in Übereinstimmung mit NSC 68 ins Werk gesetzt. Als<br />

Vorwand diente damals der Koreakrieg, der kurz nach der Überreichung des Memorandums ausbrach<br />

und die These vom sowjetischen Streben nach Weltbeherrschung zu bestätigen schien. Diese<br />

Schlußfolgerung war damals so wenig plausibel wie heute, paßte aber in den Rahmen der politischen<br />

Erfordernisse. Die Reaganisten erfanden ein »Fenster der Verwundbarkeit«, als sie Präsident Carters<br />

Aufrüstungspläne in die Tat umsetzten, entdeckten dann aber, daß das Fenster geschlossen war, weil<br />

die Geschäftswelt sich über die Folgen des ausufernden Militärkeynesianismus Sorgen zu machen<br />

begann. Unterdessen erfanden Intellektuelle aus allen politischen Lagern Märchen über die immer<br />

stärker werdende Sowjetunion, die schon dabei sei, solche <strong>Mac</strong>htzentren wie Mosambik und Grenada<br />

sich einzuverleiben, während die freie Welt hilf- und machtlos zuschauen müsse. 51 Selbstverständlich<br />

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