Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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dadurch dreiseitige Handelsbeziehungen wiederbeleben, bei denen die Industriegesellschaften Waren<br />
aus den USA beziehen und durch den Export von Rohstoffen aus ihren traditionellen Kolonialgebieten<br />
Dollar verdienen. Dadurch könnte, wurde feinsinnig argumentiert, den ehemaligen Kolonien<br />
<strong>zum</strong>indest die nominelle politische Selbstbestimmung gewährt werden, allerdings nur selten mehr als<br />
das. 151<br />
Für diese ehemaligen Kolonien planten die globalen Strategien die Unterdrückung<br />
»ultranationalistischer« Tendenzen. Die amerikanischen Interessen galten als durch »radikale und<br />
nationalistische Regimes« bedroht, die den Forderungen der Bevölkerung nach »sofortiger<br />
Verbesserung der Lebensbedingungen der Massen« und einer Wirtschaftsentwicklung zugunsten<br />
einheimischer Bedürfnisse Tribut zollten. Solche Tendenzen stehen natürlich im Widerspruch zur<br />
notwendigen Herstellung »eines politischen und wirtschaftlichen Klimas, das private Investitionen<br />
begünstigt«, die »angemessene Rückführung von Gewinnen« (NSC 5432/1, 1954) und den »Schutz<br />
unserer Rohstoffe« gewährleistet. So argumentierte damals George Kennan, der 1948 in einem<br />
Geheimbericht an die Regierung davor warnte, ȟber vage ... und irreale Zielsetzungen wie<br />
Menschenrechte, Verbesserung der Lebensbedingungen und Demokratisierung« zu reden. Statt dessen<br />
empfahl er eine strikte <strong>Mac</strong>htpolitik, die sich »von idealistischen Slogans ... über Altruismus und<br />
Weltverbesserung« nicht beeindrucken läßt. Immerhin müssen wir die »Position der Disparität«, den<br />
Unterschied zwischen unserem Reichtum und der Armut der anderen, aufrecht-erhalten.<br />
Ergebnis dieser und ähnlicher Überlegungen war die antidemokratische Stoßrichtung der US-Politik in<br />
der Dritten Welt, wozu auch die terroristische Vernichtung »linker«, d. h. bevölkerungsorientierter<br />
Bewegungen gehörte.<br />
Diese Politik wurde ganz unabhängig von den Strategien, die der Kalte Krieg hervorrief, betrieben und<br />
dürfte auch weiterhin fortbestehen.<br />
Der »unabhängige Nationalismus« wird um so mehr zur Bedrohung für die »nationale Sicherheit« der<br />
Vereinigten Staaten, je mehr die »Stabilität« durch die von den Strategen befürchteten positiven<br />
Auswirkungen unabhängiger Entwicklung in Gefahr gerät. Auch hier sprechen Geheimdokumente<br />
eine eindeutige Sprache. 1954 wies das Außenministerium darauf hin, daß Guatemala sich »zu einer<br />
ernsthaften Bedrohung für die Stabilität von Honduras und El Salvador entwickelt hat. Seine<br />
Agrarreform ist eine wirksame Propagandawaffe; sein umfassendes Sozialprogramm für die Arbeiter<br />
und Bauern, das <strong>zum</strong> Sieg über die Oberschichten und ausländischen Unternehmen beitragen soll,<br />
besitzt große Anziehungskraft für die Bevölkerung der mittelamerikanischen Nachbarn, wo ähnliche<br />
Bedingungen herrschen.« Will man die »Stabilität« bewahren, muß man die »Oberschichten und<br />
ausländischen Unternehmen« schützen, d. h., das »nationale Interesse« berücksichtigen. Das tat<br />
Washington und machte mit dem demokratischen Experiment in Guatemala kurzen Prozeß.<br />
Auf diese Weise war der Konflikt zwischen der amerikanischen Außenpolitik und<br />
Unabhängigkeitsbestrebungen in der Dritten Welt vorprogrammiert. Ebenso absehbar war, daß die<br />
USA im Konfliktfall zu militärischen Gewaltmaßnahmen und ökonomischer Kriegsführung bereit sein<br />
würden.<br />
Besonders deutlich zeigten sich diese Verwerfungslinien in Lateinamerika, wo es den USA schon<br />
gleich nach dem Krieg gelang, ihre seit langem bestehenden Ziele durchzusetzen, nämlich die<br />
Konkurrenten auszubooten und die Monroe-Doktrin auszuweiten. Robert Lansings diesbezügliche<br />
Argumente fand schon Präsident Wilson »unwiderlegbar«, hielt es aber nicht für »politisch opportun«,<br />
sie an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Lansing meinte, die USA würden in Lateinamerika ihre<br />
eigenen Interessen verfolgen, wobei die Integrität anderer Nationen kein Zweck an sich sein dürfe.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Lateinamerika, so der Historiker Stephen Rabe, die Funktion,<br />
»seine Rohstoffe zu verkaufen« und überschüssiges US-Kapital aufzusaugen. 152<br />
Die Bewohner Lateinamerikas hatten andere Vorstellungen. Sie wollten ihre Wirtschaft entwickeln,<br />
um den Reichtum gerechter verteilen und den Lebensstandard der Massen erhöhen zu können. Das<br />
entsprach natürlich nicht den Plänen Washingtons. In einer Konferenz vom Februar 1945 legten die<br />
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