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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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Als drittes Land in Lateinamerika, das einen traditionell recht gut entwickelten Lebensstandard für die<br />

Bevölkerung besaß, wurde Costa Rica zu neoliberalen Maßnahmen gezwungen. Der Begründer der<br />

costaricanischen Demokratie, Jose Figueres, verurteilte Washingtons »Versuch, unsere sozialen<br />

Institutionen und unsere ganze Wirtschaft den Geschäftsleuten zu überlassen« und das Land in die<br />

Hände ausländischer Konzerne zu geben. Vergebens. 169<br />

Während also die USA in Lateinamerika Staatsterroristen Unterstützung angedeihen ließen, wurden<br />

Kuba, Nicaragua und Costa Rica ins Fadenkreuz genommen, um durch Krieg, Terror und<br />

wirtschaftliche Strangulierung, bzw. im Falle Costa Ricas durch Druck und Subversion,<br />

Wohlverhalten zu erzwingen (was bei Kuba <strong>bis</strong> jetzt nicht gelungen ist). Das liegt nicht daran, daß<br />

Washington gern Kinder sterben oder Erwachsene gefoltert sieht. Treibendes Motiv ist vielmehr die<br />

prinzipielle Abneigung gegen eine unabhängige, den Interessen der Privatwirtschaft zuwiderlaufende<br />

Entwicklung, die zeigt, daß ein Land der Dritten Welt sich weigert, die ihm zugewiesene »Funktion«<br />

in der globalen Ökonomie zu spielen.<br />

Ein weiteres signifikantes Beispiel für die Prärogativen der <strong>Mac</strong>ht ist Brasilien. 170 Dieses Land mit<br />

seinen außergewöhnlichen natürlichen Ressourcen, dieser potentielle »Koloß des Südens« war von<br />

den USA schon lange als »Region unbegrenzter Möglichkeiten« in Augenschein genommen worden.<br />

»Kein Territorium auf der Welt ist für die Ausbeutung besser geeignet als Brasilien«, schwärmte das<br />

Wall Street Journal schon 1924.<br />

1945 nahmen sich die Vereinigten Staaten der Sache an, indem sie die traditionellen europäischen<br />

Rivalen aus dem Weg räumten und den Koloß in ein »Testgebiet für moderne wissenschaftliche<br />

Methoden der industriellen Entwicklung« verwandelten, bemerkt Gerald Haines in seiner hoch<br />

gelobten Monographie. Unter Anleitung durch die USA folgte Brasilien den neoliberalen Doktrinen,<br />

von denen es jedoch zeitweilig abweichen mußte, um katastrophale Folgen für die Gesamtgesellschaft<br />

(Reiche inbegriffen) abzuwehren. Seit den sechziger Jahren unterstützten die USA eine<br />

Militärdiktatur, deren Fundamente schon von der Regierung Kennedy gelegt worden waren. Die<br />

neofaschistischen Generäle konnten die erwünschten wirtschaftlichen Maßnahmen leichter<br />

durchsetzen, <strong>zum</strong>al sie die Opposition mit Folter, Mord und »Verschwindenlassen« von Personen <strong>zum</strong><br />

Stillschweigen gebracht hatten. Brasilien wurde <strong>zum</strong> vielbestaunten »Wirtschaftswunder« und <strong>zum</strong><br />

»Liebling der internationalen Geschäftswelt«, wußte Business Latin America 1972 zu berichten. Auch<br />

der Vorsitzende der US-Bundesbank (der »Fed«), Arthur Burns, pries das »Wunderwerk« der<br />

Folterknechte und ihrer neoliberalen Technokraten, die brav die Vorstellungen der »Chicago Boys«<br />

umsetzten. Diese fanden schon ein Jahr später, in Chile, ein weiteres Betätigungsfeld und verkauften<br />

den Chilenen Brasilien als leuchtendes Beispiel für Wirtschaftsliberalismus.<br />

Allerdings war das Wunder nicht ganz makellos. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung lebten unter<br />

zunehmend elender werdenden Bedingungen, und in Agrargebieten, die sich im Besitz von<br />

Großgrundeigentümern befinden, entdeckten medizinische Forscher eine neue Art von Menschen,<br />

»Pygmäen«, die nur 40 Prozent des Gehirns normal entwickelter Menschen besaßen - eine Folge<br />

langwährender Unterernährung. In den Städten werden Kinder versklavt oder von Sicherheitskräften<br />

ermordet. Pater Barruel von der Universität São Paulo teilte der UN mit, daß »75 Prozent der Leichen<br />

[ermordeter Kinder] innere Verstümmelungen aufweisen, und vielen fehlen die Augen«, auch hier<br />

möglicherweise zu Zwecken der Organtransplantation entfernt.<br />

Der wirtschaftliche Erfolg war allerdings sehr real. US-Investitionen und -Profite boomten, der<br />

brasilianischen Oberschicht ging es gut, und die makroökonomischen Statistiken zeigten schwarze<br />

Zahlen; es war ein »Wirtschaftswunder« im technischen Sinn des Wortes. Bis 1989 übertraf Brasiliens<br />

Wirtschaftswachstum das von Chile, dann kam der Zusammenbruch, und nun war der »Koloß« kein<br />

Triumph der Marktdemokratie mehr, sondern ein Beispiel für das Versagen etatistischer<br />

Wirtschaftspolitik. 171 Daß es selbst in diesen wunderbaren achtziger Jahren der Bevölkerung in den<br />

osteuropäischen Staaten weitaus besser ging als den darbenden Massen in Lateinamerika, steht auf<br />

einem anderen, ungelesen gebliebenen Blatt.<br />

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