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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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hält es für eine Binsenweisheit, daß »Entwicklungshilfe nicht geleistet wird, um der Armut<br />

abzuhelfen, sondern dem Eigeninteresse des Gebers dient, der so nützliche Freunde gewinnt,<br />

strategische Ziele verfolgt oder die Exporte des Geberlands fördert«. Diese »Nachlässigkeit« führt zu<br />

den »bizarren« Ergebnis, daß »die reichsten 40 Prozent der Bevölkerung von Entwicklungsländern pro<br />

Kopf zweimal so viel Hilfsleistungen bekommen wie die ärmsten 40 Prozent«. Überdies fließt die<br />

Entwicklungshilfe meist in Länder, »die davon Kanonen und Soldaten bezahlen, statt in das<br />

Gesundheits- und Bildungswesen zu investieren«. Etwa »die Hälfte der Entwicklungshilfe ist immer<br />

noch an den Kauf von Waren und Dienstleistungen des Geberlands gebunden«, was die<br />

»Entwicklungsländer 15 <strong>bis</strong> 20 Prozent der Hilfe kostet, weil sie höhere Importpreise bezahlen.« Das<br />

ist, so der Economist, »verrückt«, nicht jedoch, wenn man das Eigeninteresse der Geber in Rechnung<br />

stellt. 161<br />

Ausnahmen dürften kaum zu finden sein. Schließlich sind Staaten, wie Kennan und andere sehr wohl<br />

wußten, keine moralisch handelnden Personen, was die Ideologen nicht davon abhält, von<br />

»Altruismus« und »Großzügigkeit« zu schwärmen oder gar die Wiedereinführung der kolonialen<br />

Gutwilligkeit zu fordern, damit die »zivilisierte Welt« sich auf ihre Mission besinnt und »die Orte der<br />

Verzweiflung aufsucht«, um sich abermals der zurückgebliebenen Völker anzunehmen, die sie einst<br />

mit ihrer Fürsorge bedachte, dann aber unter dem Einfluß »liberaler« und »moralisch defensiver«<br />

Vorstellungen ihrem grausamen Schicksal überließ. 162 Wir warten noch auf den Ruf nach<br />

Wiedereinführung der Sklaverei.<br />

4. Bilanzierung<br />

Für Churchills reiche und satte Nationen, deren Vorherrschaft legitim ist, konnten die Ergebnisse der<br />

Nachkriegspolitik kaum besser ausfallen. US-Investoren profitierten über alle Maßen vom Wachstum<br />

der einheimischen Wirtschaft und der rapiden Ausweitung ihrer überseeischen Geschäfte. Der<br />

Marshall-Plan »sorgte für umfangreiche Direktinvestitionen der US-Privatwirtschaft in Europa«,<br />

befand Reagans Handelsministerium 1984, und schuf auch die Grundlagen für die transnationalen<br />

Konzerne, die zunehmend die Weltwirtschaft beherrschen. Sie waren der »ökonomische Ausdruck«<br />

des von den Nachkriegsstrategen geschaffenen »politischen Rahmens«, bemerkte Business Week 1975<br />

und beklagte den augenscheinlichen Niedergang des goldenen Zeitalters staatlicher Intervention, als<br />

die US-Geschäftswelt durch den »Schirm der amerikanischen <strong>Mac</strong>ht« vor »negativen Entwicklungen«<br />

geschützt wurde. Allerdings könnte die Rede von der »fehlerhaften« Stärkung möglicher<br />

Konkurrenten oder die Klage über undankbare Staaten, die es versäumen, das ihnen Erwiesene<br />

dankbar zurückzuzahlen, nur dann ernstgenommen werden, wenn angegeben würde, was die<br />

Nachkriegsstrategen hätten besser machen können. 163<br />

Die traditionellen Opfer<br />

Die Dritte Welt hat, kaum erstaunlich, von dieser Politik nicht profitiert. Einem UN-Bericht des<br />

Human Development Program zufolge hat sich die Lücke zwischen den reichen und den armen<br />

Nationen in den zwei Jahrzehnten seit 1960 verdoppelt, was vor allem mit der Strategie der reichen<br />

Länder zusammenhängt, Prinzipien des »freien Markts« über die strukturellen Anpassungsprogramme<br />

von Weltbank und IWF den armen Ländern aufzubürden, die eigenen Konzerne aber vor den<br />

Unwägbarkeiten des Markts zu schützen.<br />

Die Weltbank berichtet, daß protektionistische Maßnahmen der Industrienationen das<br />

Nationaleinkommen der armen Länder um das Zweifache dessen reduzieren, was die offizielle<br />

Entwicklungshilfe beträgt. Diese wiederum dient strategischen Zwecken und ist darüber hinaus wenig<br />

mehr als Exportförderung, weshalb sie <strong>zum</strong>eist den reicheren Bevölkerungsschichten der<br />

Entwicklungsländer zugutekommt. In den achtziger Jahren verstärkten 20 von 24 OECD-Staaten ihre<br />

protektionistischen Maßnahmen, allen voran die USA unter Reagan. In Lateinamerika fielen die realen<br />

Minimallöhne unter dem Einfluß neoliberaler Strukturanpassungsprogramme zwischen 1985 und 1992<br />

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