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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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wurde. Eigentlich erfordert das Handelsgesetz von 1974, daß das vorwiegend gewerkschaftlich<br />

ausgerichtete Labor Advisory Committee bei Handelsabkommen seine Zustimmung erteilen muß.<br />

Allerdings erfuhr das LAC erst am 8. September 1992, daß sein Bericht am nächsten Tag vorliegen<br />

müsse. Das LAC konnte also nicht mehr formell zusammentreten und beraten. Außerdem habe »die<br />

Regierung keinen Rat von außen zur Entwicklung dieses Dokuments zugelassen und auch keinen<br />

kommentierfähigen Entwurf vorgelegt«, was gegen das Gesetz verstößt. In Kanada und Mexiko war<br />

die Situation ähnlich. Berichtet wurde darüber nichts. 208<br />

Auf diese Weise erreichen wir das langersehnte Ideal: Formaldemokratische Verfahrensweisen, die<br />

jeder Bedeutung entkleidet sind, damit die Bürger nicht die politische Arena betreten und somit auch<br />

nicht wissen, wie die Politik beschaffen ist, die über ihr Leben verfügt. Und noch besser ist es, wenn<br />

sie nicht einmal wissen, daß sie es nicht wissen.<br />

Und nicht nur besser, sondern wichtig. Denn in der Regierungsversion des NAFTA sind die Rechte<br />

von Eigentümern und Investoren <strong>bis</strong> ins Detail geregelt, während arbeitsrechtliche und ökologische<br />

Probleme keine Rolle spielen. Vielmehr können Umwelt- und Krankenschutzmaßnahmen sogar in<br />

Frage gestellt werden, wenn sie mit dem »freien Handel« konfligieren; ob das der Fall ist, entscheiden<br />

Komitees, die vor allem aus Repräsentanten der (Geschäftswelt bestehen. Das Abkommen begünstigt<br />

die Verlagerung in Regionen mit schwachen Regulierungsvorkehrungen und laxen Kontrollen.<br />

NAFTA »wird demokratisch gewählte Körperschaften auf allen Regierungsebenen daran hindern,<br />

Maßnahmen durchzusetzen, die für unvereinbar mit den Bestimmungen des Abkommens gehalten<br />

werden«, heißt es im Bericht des LAC. Solche Entwicklungen waren bereits im Rahmen des<br />

Freihandelsabkommens zwischen den USA und Kanada sichtbar geworden, wie etwa im Versuch,<br />

Kanada zur Aufgabe von Schutzmaßnahmen für den Pazifiklachs zu bewegen, Vorschriften für<br />

Pestizide und Emissionen den niedrigeren US-Standards anzupassen, Subventionen für die<br />

Wiederaufforstung nach Holzeinschlag zu streichen und einen Versicherungsplan der Regierung von<br />

Ontario zu kippen, der den US-Versicherungsfirmen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe beschert<br />

hätte. Da diese Firmen mit massiven Schadenersatzklagen drohten, ließ die Regierung den Plan<br />

tatsächlich fallen. Kanada wiederum hat die USA beschuldigt, faire Handelsbeziehungen zu verletzen,<br />

weil Washington bei der Benutzung von Asbest (wie z. B. im Zeitungsdruck) die weicheren Normen<br />

der US-Umwelt»schutz«behörde durchsetzen wollte. So eröffnen sich endlose Optionen zur<br />

Unterminierung des Umweltschutzes, während wir mit Clinton »die Marktdemokratie ausweiten«. 209<br />

Insgesamt, schließt der Bericht des LAC, »werden die US-Konzerne ... enorme Profite einfahren. Die<br />

Vereinigten Staaten insgesamt jedoch und ganz besonders einzelne Gruppierungen, werden verlieren.«<br />

Das LAC forderte Neuverhandlungen, für die es konstruktive Vorschläge unterbreitete. Auch das dem<br />

Kongreß zugehörige Office of Technology Assessment (OTA) kam zu ähnlichen Folgerungen.<br />

Angesichts der sinkenden Reallöhne, hieß es in seinem Bericht, würde die unter Ausschluß der<br />

Öffentlichkeit geplante Version von NAFTA »die strukturellen Fehler der ökonomischen Integration«<br />

festschreiben und könnte »die Vereinigten Staaten auf unumkehrbare Weise in eine Zukunft mit<br />

niedrigen Löhnen und geringer Produktivität« führen. Dagegen würde die »Berücksichtigung<br />

einheimischer und kontinentaler sozialpolitischer Maßnahmen und parallel dazu eine Übereinkunft mit<br />

Mexiko hinsichtlich arbeitsrechtlicher und umweltpolitischer Themen« für das Land eine<br />

Bereicherung sein.<br />

Aber das Land ist nur von zweitrangiger Bedeutung. Die Herren und Meister spielen ein anderes Spiel,<br />

dessen Regeln durch das erhellt werden, was die Presse »das Paradoxon von '92« nannte: »Schwache<br />

Wirtschaft, starke Gewinne«. Als geographische Entität kann »das Land« den Bach runtergehen, denn<br />

die weltwirtschaftspolitischen Strategen haben größere Ziele. 210<br />

In den meisten US-Berichten wird der Eindruck erweckt, Mexiko stehe voll und ganz hinter dem<br />

Abkommen, aber das trifft nur für die Eliten zu. Der Historiker Seth Fein spricht nämlich von großen<br />

Demonstrationen gegen NAFTA, die in dem Abkommen einen Anschlag auf die Verfassung von 1917<br />

sehen, in den USA jedoch kaum wahrgenommen wurden. In der Los Angeles Times schreibt Juanita<br />

Darling über die Angst der mexikanischen Arbeiter vor dem Verlust ihrer hart erkämpften Rechte, und<br />

ein Kommuniqué der mexikanischen Bischöfe zu NAFTA vom 1. November 1993 verurteilte das<br />

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