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Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

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der Gewerkschaften« zu bewahren. Wie das Wall Street Journal düster vermerkte, reichte die »breite<br />

Koalition der Gegner« sogar über die Arbeiterbewegung hinaus und umfaßte »Umweltschützer, gut<br />

situierte Perot-Anhänger und Tausende von lokalen Aktivisten überall im Land« - Extremisten also,<br />

die glauben, NAFTA diene »dem Nutzen der multinationalen Konzerne«, wogegen sie mit einem<br />

»Nieder-mit-den-Reichen-Populismus reinsten Wassers« polemisieren. Auch ein »Linksliberaler« wie<br />

Anthony Lewis schmähte die »rückwärtsgewandte, unaufgeklärte« Arbeiterbewegung ob ihrer<br />

»kruden Drohgebärden« gegen den Kongreß, die »Angst vor Veränderungen und vor Ausländern«<br />

verrieten.<br />

In einem Leitartikel am Tag vor der Abstimmung im Kongreß denunzierte die New York Times<br />

demokratische Abgeordnete, die gegen das Abkommen seien, weil sie Angst hätten »vor dem Zorn der<br />

organisisierten Arbeiterschaft« und ihren politischen Aktionskomitees, die »erheblich zur<br />

Finanzierung ihrer Wahlkämpfe beitragen«. In einer Tabelle waren die Beiträge für NAFTA-Gegner<br />

aufgeführt - ein »alarmierendes Zeichen«, wie die Herausgeber mit drohendem Unterton bemerkten. 216<br />

Einige der Angegriffenen wiesen darauf hin, daß die New York Times keine Liste mit Beiträgen von<br />

Konzernen zu Wahlkämpfen veröffentlich habe. Natürlich auch nicht mit NYT-Anzeigenkunden und<br />

Besitzern, die NAFTA unterstützen, was vielleicht ein ganz anderes »alarmierendes<br />

Zeichen« wäre und die Unabhängigkeit der Herausgeber in ein schiefes Licht rücken könnte. Aber<br />

solche Forderungen sind selbstredend unangemessen, weil es in der Natur der Dinge liegt, sich den<br />

Forderungen der Konzerne anzubequemen; darüber muß nicht noch eigens berichet werden. Überdies<br />

brachte die New York Times nach all dem Jammern über die schreckliche <strong>Mac</strong>ht der Gewerkschaften<br />

einen Beitrag auf der ersten Seite, der die Wahrheit enthüllte: Die Konzernlobby war schlicht und<br />

ergreifend stärker gewesen als die Bemühungen der Arbeiterorganisationen. Der Beitrag erschien am<br />

Tag nach der Abstimmung und enthielt sogar die sonst verbotene Wendung von den »Klassenlinien«,<br />

an deren Verlauf sich die »häßliche« und »spalterische Schlacht« um das Abkommen abgespielt<br />

habe. 217<br />

Am selben Tag gab die New York Times einen ersten Überblick über die erwartbaren wirtschaftlichen<br />

Auswirkungen des Abkommens in der Region von New York City. Hier nun waren die<br />

»Klassenlinien« deutlich zu erkennen.<br />

Zu den führenden Gewinnern würden die um den Finanzsektor gruppierten Unternehmen gehören,<br />

also Banken, Telekommunikations- und Dienstleistungsfirmen. Management- und Rechtsberater, PR-<br />

Unternehmen und Marketingfirmen scharren bereits mit den Hufen, »um Betätigungsfelder in Mexiko<br />

zu suchen«, ähnliches gilt für das Bankgewerbe, das große Investitionen und den Aufkauf<br />

mexikanischer Unternehmen plant. Ebenso werden Technologie- und Pharmazieproduzenten von den<br />

Bestimmungen des Abkommens über Patentschutz und »geistiges Eigentum« profitieren. Und<br />

schließlich dürften auch »die zwei größten warenproduzierenden Industrien der Region«, nämlich die<br />

kapitalintensive Chemie und das Publikationsgewerbe zu den Gewinnern gehören. Aber wer wollte<br />

der New York Times unseriöse Berichterstattung vorwerfen?<br />

Es gibt, wie immer, auch ein paar Verlierer, die der Bericht am Rande erwähnte. Zu ihnen gehören<br />

»vor allem Frauen, Schwarze und Latinos« sowie »minder qualifizierte Arbeitskräfte« ganz allgemein,<br />

d. h. also, die Mehrheit der Bevölkerung in New York City, wo 40 Prozent der Kinder bereits<br />

unterhalb der Armutsgrenze leben und vom Gesundheits- und Bildungssystem weitgehend<br />

ausgeschlossen sind. Aber das sind eben die unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Fortschritts<br />

und einer gesunden Wirtschaft. »Veränderungen können durchaus schmerzhaft sein«, ermahnte<br />

Anthony Lewis die Gewerkschaften. Für manche Bevölkerungsgruppen auf jeden Fall. 218<br />

Die leidenschaftlichen Schuldzuweisungen an die Gewerkschaften beeinflußten die öffentliche<br />

Meinung auf merkwürdige Weise. Zwar war die Bevölkerung auch weiterhin mehrheitlich gegen den<br />

NAFTA-Entwurf, aber zwei Drittel kritisierten die Gewerkschaften wegen ihres unbegründeten<br />

Widerstands gegen Veränderungen und meinten, sie hätten sich bei diesem Thema zu sehr »politisch<br />

eingemischt«. Das Propaganda-Sperrfeuer hat also die Haltungen gegenüber dem Abkommen kaum<br />

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