Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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instrumentellen Wert; damals waren die Miskitos »wertvolle Opfer« (um einen gelungenen Ausdruck<br />
von Edward Herman zu verwenden), deren Leiden dem offiziellen Feind angerechnet werden konnten.<br />
Das hat sich jetzt erledigt, und um ihre Hungersnot müssen wir uns jetzt nicht mehr kümmern.<br />
Auch nicht um das Elend der Straßenkinder von Managua, das David Werner beschreibt: »Der<br />
Verkauf von Schuhklebemitteln ist mittlerweile ein lukratives Geschäft«, weil »Ladenbesitzer in den<br />
Armenvierteln gut daran verdienen, die kleinen Flaschen der Kinder nachzufüllen«, damit sie, um (wie<br />
es heißt) den Hunger zu betäuben, Leim schnüffeln können.<br />
Was ihnen vielleicht noch bevorsteht, wurde in einem Dokumentarfilm des kanadischen Fernsehens<br />
enthüllt. In The Body Parts Business (Das Geschäft mit den Körperteilen) ging es um Morde an<br />
Kindern und Armen, um sie ihrer inneren Organe zu berauben. Solche und andere Praktiken, die es in<br />
Lateinamerika schon seit längerem zu geben scheint, sind jüngst von der Regierung El Salvadors<br />
offiziell bestätigt worden. Es gebe dort einen »schwunghaften Handel mit Kindern«, die nicht nur zu<br />
Exportzwecken gekidnappt, sondern auch für pornographische Videos, für Adoption und Prostitution<br />
verwendet würden. In diesem Zusammenhang erinnert Hugh O'Shaughnessy an eine Operation der<br />
salvadorianischen Armee vom Juni 1982, wo die Truppen nahe dem Lempa-Fluß »sich auf die Jagd<br />
nach Kleinkindern begaben«. 50 wurden in Helikopter verladen und nicht wiedergesehen. 167<br />
Jene amerikanischen Liberalen, die den Krieg der Contras guthießen und schließlich den »Sieg des<br />
US-amerikanischen Fair Play« lobten, als die nicaraguanische Bevölkerung das Handtuch warf,<br />
können sich über ihre Erfolge in diesem »romantischen Zeitalter« freuen.<br />
Es gehört zu den Vorrechten der Mächtigen, die Diskussion darüber zu bestimmen, wer Opfer ist und<br />
wer Unterdrücker, wobei die tatsächliche Relation regelmäßig ins Gegenteil verkehrt wird.<br />
Demzufolge müssen die Vietnamesen ihre an uns begangenen Verbrechen wiedergutmachen, und<br />
Nicaragua muß uns beweisen, daß es nicht in Terroraktivitäten verstrickt ist. Immer wieder hören wir<br />
Klagen über die Armen, die die Reichen ausplündern wollen (Dulles), über den kubanischen Führer,<br />
den wir umbringen müssen, weil er »die Vereinigten Staaten auf gewaltsame und unfaire Weise<br />
kritisiert« (McCone), über die Palästinenser, die »terroristische Angriffe gegen den Staat Israel<br />
führen« (so die Terminologie der US-Regierung für die Intifada), wenn sie nach Jahrzehnten »endloser<br />
Erniedrigungen und Brutalitäten« (so der israelische Journalist Danny Rubinstein) den Aufstand<br />
wagen, und über all die anderen Terroristen und Schurken, die sich gegen uns erheben.<br />
Nicaragua ist dafür ein besonders eindrucksvolles Beispiel. Bereits 1854 zerstörte die US-Kriegsflotte<br />
eine Küstenstadt, um einen angeblich beleidigenden Angriff auf US-Beamte und den Millionär<br />
Cornelius Vanderbilt zu rächen. Da uns das internationale Recht als Gewohnheitsrecht gilt, war es<br />
immer schon unsere Gewohnheit, Nicaragua nach Belieben herumzustoßen oder den Diktator Somoza,<br />
unseren Vasallen, bei seinen Massakern nach Kräften zu unterstützen, <strong>bis</strong> sich die gepeinigte<br />
Bevölkerung schließlich wehrte. Als dann die sandinistische Regierung sich weigerte, den nötigen<br />
Kniefall zu vollziehen, löste das erheblich Wut aus. Ein US-Kongreßabgeordneter beschrieb die<br />
»Begierde, gegen den Kommunismus [in Nicaragua] loszuschlagen«.<br />
Besonderen Zorn erregten Nicaraguas Friedensbemühungen im Zusammenhang mit dem Contadora-<br />
Plan. Hochrangige Regierungsmitglieder forderten sogar, eine Einladung Daniel Ortegas nach Los<br />
Angeles rückgängig zu machen, um ihn »und die Sandinisten wegen der Annahme der Contadora-<br />
Friedensvorschläge zu bestrafen«, vermeldete die New York Times kommentarlos. Tatsächlich gelang<br />
es der US-Regierung, den Contadora-Plan zu verhindern. Weitere Wutanfälle gab es, als der<br />
Weltgerichtshof die USA wegen der Unterstützung der Contras zu Reparationen verurteilte. Nicaragua<br />
zog den Antrag schließlich zurück, nachdem es sich mit Washington über ein Abkommen zur<br />
Förderung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und der technischen Entwicklung verständigt<br />
hatte. Das Abkommen wurde dann von den USA unterlaufen, und im September 1993 forderte der<br />
Senat mit 94 gegen 4 Stimmen, Nicaragua keine Entwicklungshilfe zu gewähren, wenn für US-<br />
Eigentum, das nach dem Sturz Somozas enteignet worden war, keine ausreichende Entschädigung<br />
gezahlt würde. 168<br />
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