Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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»Die Herrschaft über die Welt müßte den gesättigten Nationen anvertraut werden, die mit<br />
dem zufrieden wären, was sie besitzen. Würde die Welt von hungrigen Nationen regiert,<br />
gäbe es immer Gefahren. Von uns jedoch müßte keiner mehr wollen, als er hat. Der<br />
Frieden würde am besten von Völkern bewahrt, die auf ihre Weise leben und keine<br />
Ambitionen haben. Unsere <strong>Mac</strong>ht würde uns über die anderen stellen. Wir wären wie<br />
reiche Leute, die friedlich in ihren Behausungen leben.« 4<br />
Dem sind nur zwei Anmerkungen hinzuzufügen. Zum einen sind die Reichen keineswegs ohne<br />
Ambitionen; vielmehr streben sie ständig danach, <strong>Mac</strong>ht und Reichtum zu vergrößern, wozu sie allein<br />
schon durch das Wirtschaftssystem gezwungen werden. Zum anderen dient die Behauptung, Nationen<br />
seien die eigentlichen Akteure in der internationalen Arena, der ideologischen Verschleierung der<br />
Tatsache, daß in den reichen wie den hungrigen Staaten <strong>Mac</strong>ht und Privilegien höchst unterschiedlich<br />
verteilt sind. Wenn wir Churchills Vorschlag aller täuschenden Elemente entkleiden, lautet die<br />
Richtlinie für die Weltordnung, daß die reichen Leute der reichen Nationen die Welt regieren sollen,<br />
wobei sie untereinander um einen größeren Anteil an <strong>Mac</strong>ht und Reichtum konkurrieren und<br />
gnadenlos alle unterdrücken, die ihnen im Weg stehen. Unterstützt werden sie gehorsamst von den<br />
reichen Leuten der hungrigen Nationen, während die übrigen demütig dienen und leiden.<br />
Das sind Binsenweisheiten. Natürlich gibt es, wie bei jedem komplexen System, Nuancen und<br />
Nebeneffekte, aber es ist nicht falsch, sondern eher verdienstvoll, die alte und neue Weltordnung als<br />
»kodifizierte internationale Piraterie« zu beschreiben. 5<br />
Im übrigen ist London bei seiner loyalen Unterstützung des Projekts, die hungrigen Nationen unter<br />
Kontrolle zu halten, weniger als Washington mitsamt seinem Chor der Schönfärber darauf<br />
angewiesen, die Sache euphemistisch zu verschleiern. Großbritannien kann mit erfrischender<br />
Offenheit auf seine imperialen Traditionen verweisen, während sich die Vereinigten Staaten bei dem<br />
Unternehmen, alle im Weg stehenden Hindernisse niederzutreten, gern einen Heiligenschein<br />
verpassen. Sie nennen das »Wilsonianischen Idealismus« und ehren damit einen der bedeutenden<br />
Befürworter gewaltsamer militärischer Intervention und imperialer Unterdrückung, dessen Botschafter<br />
in London sich einst darüber beklagte, daß die Briten seiner Mission, »die moralischen Defizite<br />
ausländischer Nationen zu beheben«, nur wenig Verständnis entgegenbringen würden. 6<br />
Großbritannien hat immer »auf dem Recht, Nigger zu bombardieren, beharrt«. So jedenfalls<br />
formulierte es der distinguierte britische Staatsmann Lloyd George, nachdem er sichergestellt hatte,<br />
daß der Abrüstungsvertrag von 1932 dem Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung, Londons<br />
hauptsächlicher Methode zur Kontrolle des Nahen Ostens, keine Beschränkungen auferlegen würde.<br />
Der Grundgedanke war von Winston Churchill artikuliert worden. 1919, als er Kriegsminister war,<br />
suchte das Nahostkommando der Royal Air Force um die Erlaubnis nach, »gegen widerspenstige<br />
Araber chemische Waffen als Experiment einzusetzen«. Churchill gab die Genehmigung und hielt<br />
Bedenken für »unbegründet«: »Ich begreife dies Getue um den Einsatz von Gas überhaupt nicht. Ich<br />
bin sehr dafür, Giftgas gegen unzivilisierte Stämme einzusetzen ... Dabei ist es keinesfalls notwendig,<br />
nur die tödlichsten Gase einzusetzen; man kann solche benutzen, die große Ungelegenheiten<br />
verursachen und lebhaften Schrecken verbreiten, ohne die Betroffenen dauerhaft zu schädigen.«<br />
Chemische Waffen seien lediglich »die Anwendung westlicher Wissenschaft auf die moderne<br />
Kriegführung«, erklärte er. »Wir können uns nicht in jedem Fall dazu bereit erklären, Waffen<br />
unbenutzt zu lassen, die in der Lage sind, den an der Front herrschenden Unruhen Einhalt zu<br />
gebieten.« Die Briten hatten bereits in Nordrußland Giftgas gegen die Bolschewisten eingesetzt und<br />
dabei, so die Kommandeure, beträchtliche Erfolge erzielt. Die »unzivilisierten Stämme« von 1919<br />
waren hauptsächlich Kurden und Afghanen, und die Luftangriffe dienten dem Schutz von britischen<br />
Soldaten. Man folgte damit einem Modell, das Woodrow Wilsons Marines entwickelt hatten, als sie<br />
die Schwarzen in Haiti niedermetzelten. 7<br />
Der britische Stil erwachte zu neuem Leben, als im Golfkonflikt von 1990/91 der Westen vom Fieber<br />
des Rassismus befallen wurde. John Keegan, ein prominenter britischer Journalist und<br />
Militärhistoriker, umriß die herrschende Meinung kurz und bündig: »Die Briten sind seit 200 Jahren<br />
daran gewöhnt, Expeditionsstreitkräfte nach Übersee zu schicken, um sie gegen Afrikaner, Chinesen,<br />
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