Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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verändert, aber den Kräften geschadet, die im Interesse der Bevölkerungsmehrheit dagegen<br />
Widerstand geleistet haben. 219<br />
Während Wirtschaftsmodelle keine sicheren Folgerungen über den Transfer von Arbeitsplätzen bieten,<br />
wird eine weitere Polarisierung von vielen Experten für wahrscheinlich gehalten. »Viele Ökonomen<br />
glauben, daß NAFTA zur Lohnsenkung beiträgt«, schrieb Steven Pearlstein in der Washington Post,<br />
»indem die niedrigeren Löhne in Mexiko den Vorreiter für die Bezahlung amerikanischer Arbeiter<br />
spielen.« Edward Leamer von der Universität in Los Angeles (UCLA) hält es für möglich, daß das<br />
Abkommen »gegen Ende des Jahrzehnts Facharbeitern und Technikern 3000 Dollar mehr pro Jahr<br />
einbringt, während alle anderen 750 Dollar verlieren, so daß der Durchschnittsamerikaner einen<br />
Verlust von 200 Dollar pro Jahr zu tragen hätte«. Paul Krugman sieht die einzig negative Konsequenz<br />
in einem »leichten Rückgang bei den Reallöhnen von ungelernten Arbeitern«, die immerhin 70<br />
Prozent der Gesamtarbeiterschaft ausmachen. 220<br />
Interessant ist auch, was sich an Ereignissen nach der Verabschiedung des Abkommens zutrug. In<br />
Mexiko wurden Arbeiter der Fabriken von Honeywell und General Electric gefeuert, weil sie versucht<br />
hatten, unabhängige Gewerkschaften zu gründen. Das ist im übrigen eine geläufige Praxis. Ford hatte<br />
bereits 1987 die gesamte Belegschaft entlassen, den Vertrag mit der Gewerkschaft gekündigt und neue<br />
Kräfte zu sehr viel niedrigeren Löhnen eingestellt. VW folgte 1992: 14 000 Arbeiter wurden<br />
gekündigt und nur die wiedereingestellt, die sich gegen unabhängige Gewerkschaftsführer<br />
aussprachen. In beiden Fällen erhielten die Konzerne Rückendeckung durch die Regierung.<br />
Das alles sind zentrale Komponenten des mexikanischen Wirtschaftswunders, das mit NAFTA<br />
festgeschrieben werden soll. Als das Abkommen am 1. Januar 1993 in Kraft trat, kam es unter den<br />
Maya-Indianern von Chiapas zu einem Aufstand. Die Führer nannten das Abkommen ein<br />
»Todesurteil« für die Indianer, weil es die Kluft zwischen den wenigen Reichen und den vielen Armen<br />
noch vertiefen und die Reste der Urbevölkerung zerstören werde. Nach anfänglichen Versuchen, den<br />
Aufstand gewaltsam zu beenden, machte die mexikanische Regierung einen Rückzieher, wohl, weil<br />
sie fürchtete, der Protest könnte auf breite Sympathie stoßen. Erste Umfragen zeigten, daß tatsächlich<br />
75 Prozent der mexikanischen Bevölkerung mit den Zielen der Zapatisten von Chiapas einverstanden<br />
war. 221<br />
In den USA verabschiedete der Senat gleich nach dem Abkommen ein Gesetz zur<br />
Verbrechensbekämpfung von noch nicht gekannter Härte, »das beste Gesetzespaket in der<br />
Geschichte«, wie Orrin Hatch von der extremen Rechten lobte. So wurden die Bundeszuschüsse für<br />
die einzelstaatliche Verbrechensbekämpfung um das Sechsfache erhöht, 100 000 neue<br />
Hochsicherheitsgefängnisse sollen gebaut und Arbeitslager für straffällig gewordene Jugendliche<br />
errichtet werden. Vorgesehen ist auch die Ausweitung der Todesstrafe und härtere Urteile.<br />
Rechtsexperten bezweifelten, daß diese Gesetzgebung durchschlagende Wirkung erzielen werde, weil<br />
sie sich nicht mit den »Ursachen der sozialen Desintegration, die kriminelle Gewalttäter hervorbringt«,<br />
befaßt. Dazu gehört vor allem eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die die amerikanische Gesellschaft<br />
weiter polarisiert, wozu auch NAFTA einiges beiträgt. Und wenn man die weniger profitträchtigen<br />
Gruppen der Gesellschaft, die in Armut und Verzweiflung leben, nicht auf die Slums beschränken<br />
kann, muß man sie eben anderenorts einsperren. 222<br />
6. Die Konturen der <strong>Neue</strong>n Weltordnung<br />
Herrschaftsstrukturen bilden sich im Umfeld nationaler <strong>Mac</strong>htzentren, die in den letzten Jahrhunderten<br />
ökonomischer Provenienz gewesen sind; ein Prozeß, der sich fortsetzt. James Morgan,<br />
Wirtschaftskorrespondent der BBC, beschreibt in der Financial Times die »faktische Weltregierung«,<br />
die seit einiger Zeit Gestalt annimmt und in Form von IWF, Weltbank, G-7, GATT und weiteren<br />
Strukturen den Interessen der transnationalen Konzerne, Banken und Investmentfirmen in einem<br />
»neuen imperialen Zeitalter« dient. Und die South Commission merkt an, daß »die mächtigsten<br />
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