02.11.2013 Aufrufe

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

der Gelder für Militärmaterial und -ausbildung um mehr als zwölf Prozent. Damit erhielt Kolumbien<br />

fast die Hälfte dessen, was für ganz Lateinamerika vorgesehen war.<br />

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kümmern sich vorwiegend um die<br />

politische Situation, sagen jedoch wenig zu den in der Menschenrechtserklärung ebenfalls erwähnten<br />

sozialen und wirtschaftlichen Rechten. Gerade diese aber sind im Fall Kolumbiens besonders wichtig,<br />

wenn wir die Wurzeln der außerordentlichen Gewalt entdecken wollen. Der Präsident des<br />

kolumbianischen Komitees für Menschenrechte, der frühere Außenminister Alfredo Vásquez<br />

Carrizosa, schreibt, daß »Armut und unzureichende Landreform Kolumbien zu einem der tragischsten<br />

Länder Lateinamerikas gemacht haben«. Hier liegen auch die Gründe für die Gewalttaten, die schon in<br />

den vierziger und frühen fünfziger Jahren Hunderttausende von Menschenleben kosteten. Zwar wurde<br />

1961 ein Gesetz zur Landreform verabschiedet, gelangte aber nicht zur Ausführung, weil die<br />

Großgrundbesitzer »die <strong>Mac</strong>ht hatten, ihm Einhalt zu gebieten«. Quelle der Gewalt ist die Zweiteilung<br />

der Gesellschaft in eine »wohlhabende Minderheit und eine verarmte, ausgeschlossene Mehrheit, mit<br />

großen Unterschieden im Hinblick auf Reichtum, Einkommen und politische Einflußmöglichkeiten«.<br />

Diese in ganz Lateinamerika präsente Gewalt ist »durch äußere Faktoren noch verschärft worden«, in<br />

erster Linie »durch die Initiativen der Regierung Kennedy, die zur Umwandlung der regulären Armeen<br />

in Antiguerilla-Brigaden und zur Strategie des Einsatzes von Todesschwadronen führte«. Die Doktrin<br />

von der Nationalen Sicherheit ließ das Militär von der Verteidigung gegen einen äußeren Feind<br />

abrücken und »machte die Vertreter des militärischen Establishments zu den Herren der Politik ... die<br />

nun, wie in Brasilien, Argentinien, Uruguay und Kolumbien das Recht besaßen, gegen den inneren<br />

Feind vorzugehen, also gegen Sozialarbeiter, Gewerkschafter, alle möglichen Dissidenten und<br />

sonstige angebliche kommunistische Extremisten«. 98<br />

Genau in diesem Sinn hat der Kalte Krieg die Politik der USA in den uns unterstellten Regionen<br />

geleitet. Das Ergebnis war eine, wie WOLA bemerkt, »völlig unbalancierte Einkommensverteilung«.<br />

So besitzen die obersten drei Prozent der kolumbianischen Großgrundbesitzer 70 Prozent des<br />

wirtschaftlich nutzbaren Landes, während 57 Prozent der ärmsten Bauern sich mit weniger als drei<br />

Prozent zufriedengeben müssen. 40 Prozent der Kolumbianer leben in »absoluter Armut«, 18 Prozent<br />

sogar in »absolutem Elend«, d. h. ohne die Möglichkeit, sich ausreichend zu ernähren, heißt es in<br />

einem 1986 veröffentlichten Bericht der Nationalen Behörde für Statistik. Das Institut für familiäre<br />

Wohlfahrt schätzt, daß viereinhalb Millionen Kinder unter vierzehn Jahren Hunger leiden, also die<br />

Hälfte von allen; ein wahrer Triumph des Kapitalismus in diesem an Ressourcen so reichen Land,<br />

dessen Wirtschaft »zu den gesündesten und blühendsten in Lateinamerika gehört« (Martz). 99<br />

Die »stabile Demokratie« existiert dort tatsächlich, aber als eine, wie Jenny Pearce es nennt,<br />

»Demokratie ohne Bevölkerung«, die mehrheitlich und seit Mitte der achtziger Jahre in zunehmendem<br />

Maß vom politischen System ausgeschlossen ist. Für die Eliten, die internationalen Geldgeber und die<br />

ausländischen Investoren funktioniert die »Demokratie« freilich, nicht aber für die »wirtschaftlich und<br />

politisch marginalisierte« Öffentlichkeit. Für diese »hat der Staat den „Belagerungszustand"<br />

ausgerufen und alle möglichen, auch gesetzgeberischen, repressiven Maßnahmen vorgesehen, die<br />

Ordnung garantieren, wenn andere Mechanismen versagen«, fährt Pearce fort. Daran hat sich unter<br />

Clinton nichts geändert.<br />

Natürlich hat auch der Kalte Krieg selbst sich auf die US-Politik ausgewirkt. Die sowjetische <strong>Mac</strong>ht<br />

hielt, wie etwa im Falle Kubas, Washingtons Aggressionsstreben in Grenzen und verhalf Castro, trotz<br />

Terror und Embargo, <strong>zum</strong> Überleben. Aber der Kalte Krieg hat bloß die Rahmenbedingungen der<br />

langfristigen politischen Strategien verändert, deren grundlegendes Muster im übrigen fortbesteht.<br />

Diese Rahmenbedingungen hatten für die USA positive und negative Aspekte. In positiver Hinsicht<br />

bot er die Gelegenheit, wirksame Mechanismen zur Kontrolle der Bevölkerung zu entwickeln. Vor der<br />

bolschewistischen <strong>Mac</strong>htergreifung mußte man die Leute gegen Hunnen, Briten und andere<br />

ausländische und einheimische Teufel mobilisieren, danach wurde die Lage übersichtlicher. In<br />

negativer Hinsicht führte der Kalte Krieg zur Entwicklung der Bewegung blockfreier Staaten und <strong>zum</strong><br />

Neutralismus; Realitäten, denen auch die Weltherrscher sich anbequemen mußten. Ebenso<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!