02.11.2013 Aufrufe

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wenn also der Kalte Krieg im wesentlichen oder <strong>zum</strong>indest großenteils aus diesen Ereignissen besteht,<br />

gleicht das konventionelle Bild eher einem Zerrbild.<br />

Davor und danach<br />

Erörtern wir eine letzte Frage, die offensichtlich für das Wesen des Kalten Kriegs von Bedeutung ist:<br />

Welche Veränderungen hat er in der politischen Strategie bewirkt? Wie unterscheiden sich die<br />

Ereignisse des Kalten Kriegs von denen, die ihm vorausgingen und die ihm folgten? Für die UdSSR<br />

kann die Frage nicht sinnvoll beantwortet werden, weil die Gesellschaft sich 1917 und dann erneut seit<br />

1990 radikal gewandelt hat, wohl aber für die Vereinigten Staaten.<br />

Kurz vor der bolschewistischen <strong>Mac</strong>htergreifung besetzte Woodrow Wilson Mexiko, Haiti und die<br />

Dominikanische Republik, in den letzten beiden Fällen mit tiefgreifenden, für Haiti sogar<br />

schrecklichen Folgen. Ein Grund lag im extremen Rassismus der Regierung Wilson und ihrer<br />

Militärkräfte, der sich in Haiti ganz unverhüllt zeigte. Ein hoher Beamter des Außenministeriums<br />

erklärte Wilsons Außenminister Robert Lansing:<br />

»Man tut gut daran, die dominikanische Bevölkerung von der haitianischen zu<br />

unterscheiden. Erstere ist zwar in vielfacher Hinsicht für die höchste Form der<br />

Selbstregierung nicht weit genug entwickelt, doch überwiegt bei ihr der Anteil an weißem<br />

Blut und weißer Kultur. Die Haitianer jedoch sind <strong>zum</strong> größten Teil negroid und befinden<br />

sich, abgesehen von ein paar hochgebildeten Politikern, noch fast im Zustand der<br />

Wildheit und völligen Unwissenheit.«<br />

Folglich müssen die amerikanischen Okkupanten in Haiti »für lange Zeit ... eine so umfassende<br />

Herrschaft wie nur möglich« ausüben, während in der Dominikanischen Republik weniger starke<br />

Kontrollen vonnöten sind. 71 Lansing war der gleichen Ansicht. Er sprach der »afrikanischen Rasse«<br />

jegliche Befähigung zu »politischer Organisation und Regierungstalent« ab. »Fraglos besitzt sie eine<br />

innere Neigung, zur Wildheit zurückzukehren und die Fesseln der Zivilisation, die ihrer physischen<br />

Natur ein Hemmnis sind, abzustreifen.« Diese Tatsache macht das »Negerproblem auch in den<br />

Vereinigten Staaten praktisch unlösbar«. Allerdings hielt Lansing ohnehin nicht viel von der<br />

menschlichen Rasse insgesamt, von einzelnen Elementen einmal abgesehen.<br />

Dem von Marines besetzten Nicaragua diktierte Wilson einen Vertrag, der den Vereinigten Staaten auf<br />

ewige Zeiten das Recht garantierte, einen Kanal zu bauen. Sinn und Zweck dieser Sache war es,<br />

möglichen Mitbewerbern um den Panama-Kanal das Wasser abzugraben. Der Vertrag war, wie sogar<br />

der damalige Außenminister Elihu Root erkannte, ein vollständiger Betrug, denn die Regierung eines<br />

Landes unter militärischer Besatzung habe, so Root, nicht die Legitimität und ganz sicher nicht das<br />

Recht, einen Vertrag mit derart weitreichenden Folgen abzuschließen. Costa Rica und El Salvador<br />

führten Klage, weil der Vertrag ihre Rechte beschnitt, was der Mittelamerikanische Gerichtshof, der<br />

auf Initiative der Vereinigten Staaten 1907 ins Leben gerufen worden war, bestätigte. Die Regierung<br />

Wilson reagierte darauf, indem sie den Gerichtshof zur nachhaltigen Wirkungslosigkeit verurteilte; nur<br />

wenigen fiel die Parallele zu 1986 auf, als die USA den Weltgerichtshof, der die Angriffe auf<br />

Nicaragua verurteilte, einfach ignorierten. Einige Jahre später erkannte Wilson eine gefälschte Wahl in<br />

Nicaragua an, ebenso in Kuba 1916/17 und 1921 und in Honduras 1919. 72<br />

Solche Aktionen waren jedoch mit den von Wilson gepredigten idealistischen Grundsätzen der<br />

Selbstbestimmung keineswegs unvereinbar, galten diese doch nicht für Völker »auf niedriger<br />

Zivilisationsstufe«, die »freundlichen Schutz, Führung und Hilfe« seitens der Kolonialmächte<br />

brauchen. In Wilsons »Vierzehn Punkten« hieß es [unter Punkt 5], daß in »Fragen der Souveränität die<br />

Interessen der betroffenen Bevölkerungen gleiches Gewicht haben müssen wie die dem<br />

Billigkeitsrecht gehorchenden Ansprüche der Regierung, über deren Rechtsanspruch entschieden<br />

werden soll«, d. h. des Kolonialherren. Damit hatte Wilson sich kaum von der bereits erwähnten<br />

Doktrin Churchills entfernt. 73<br />

Die wesentlichen Leitlinien der US-Politik waren, um es kurz zu sagen, nach der <strong>Mac</strong>htergreifung der<br />

Bolschewiki unverändert geblieben. Anpassungen waren vorwiegend taktisch motiviert, wenn man die<br />

34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!