Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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gibt es mittlerweile große Unterschiede zwischen individuellen und regionalen Einkommen und »auf<br />
zwei neue, oftmals völlig unterbezahlte Arbeitsplätze, die von der Privatwirtschaft geschaffen werden,<br />
kommt ein neuer Arbeitsloser«. Parker zitiert eine Untersuchung der Weltbank, der zufolge Polen den<br />
in der kommunistischen Ära üblichen Lebensstandard erst 2010 wieder erreichen wird, während die<br />
übrigen Länder noch länger brauchen dürften. Parker verweist, wie viele andere, auf die Wirtschaft der<br />
asiatischen Länder, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten am besten entwickelt hat, obwohl oder<br />
weil dort die akademischen Modelle der freien Marktwirtschaft unberücksichtigt blieben. Und im<br />
übrigen hat auch der Westen die »Ratschläge«, die er den ehemals kommunistischen Ländern erteilte,<br />
selbst nicht beherzigt, wobei angesichts des real existierenden <strong>Mac</strong>htgefälles das Wort »Ratschläge«<br />
vielleicht ein wenig zu milde ist. 197<br />
5. Der Blick nach vorn<br />
In den späten sechziger Jahren kündigte sich das Ende der Überflußgesellschaft an. Die starke<br />
Oppositionsbewegung gegen den Vietnamkrieg hinderte Washington daran, mit einer umfassenden<br />
Mobilmachung doch noch den Sieg davonzutragen, ohne die einheimische Wirtschaft zu schädigen.<br />
Vielmehr war man gezwungen, einen teuren »Butter-und-Kanonen-Krieg« zu führen, um die<br />
Bevölkerung ruhigzuhalten, während die Konkurrenz sich durch die kostenfreie Beteiligung an der<br />
Zerstörung Indochinas bereichern und zugleich die amerikanische Kriegslüsternheit begrübeln konnte.<br />
Wirtschaftlich gesehen wurde die Welt »tripolar«: Zu einem wiedererstarkten Europa gesellte sich als<br />
weitere <strong>Mac</strong>ht der asiatische Raum unter Führung Japans.<br />
In der unmittelbaren Nachkriegsordnung konnten sich die USA als Weltbankier etablieren, was US-<br />
Investoren zunächst große Vorteile verschaffte. Doch irgendwann war diese Funktion nicht mehr<br />
aufrechtzuerhalten, und 1971 kündigte Präsident Nixon einseitig die 1944 in Bretton Woods<br />
geschaffene Weltwirtschaftsordnung auf, indem er die Goldbindung des Dollars auflöste, temporäre<br />
Lohn-Preis-Kontrollen und allgemeine Importzuschläge einführte sowie durch fiskalische Maßnahmen<br />
die Staatsmacht über die <strong>bis</strong>herige Norm hinaus zur Wohlfahrtsinstitution für die Reichen machte.<br />
Steuern und Sozialausgaben wurden gesenkt, während die Subventionen für die Privatwirtschaft in<br />
kraft blieben. An dieser Politik hat sich <strong>bis</strong> heute nichts geändert, vielmehr wurde sie unter Reagan<br />
noch verschärft. Der von der Geschäftswelt geführte Klassenkrieg intensivierte sich in zunehmend<br />
globalem Umfang.<br />
1974 waren in den USA alle staatlichen Kontrollen über das Kapital beseitigt. Mit der Verschiebung<br />
des ideologischen Spektrums nach rechts wurden Regulierungsmaßnahmen zur Lenkung von<br />
Kapitalströmen als »ineffizient«, »gegen das nationale Interesse gerichtet« und »nicht marktgemäß«<br />
gebrandmarkt. Zugleich verbesserte sich »die Infrastruktur für Spekulationsgeschäfte erheblich«,<br />
schreibt der Finanzexperte John Eatwell von der Universität Cambridge. Außerdem verschärften die<br />
Industriemächte den Protektionismus und andere Formen staatlicher Eingriffe in Produktion und<br />
Handel. Patrick Low beschreibt die »fortgesetzte Verletzung von Freihandelsprinzipien, unter denen<br />
das GATT Anfang der siebziger Jahre, einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, zu leiden begann.<br />
Damals gelang es ihm nicht, einen vollständigen Erfolg gegen den wachsenden Protektionismus und<br />
den systematischen Niedergang zu erringen.«<br />
Nixons Initiativen führten zu vermehrter Unordnung im internationalen Wirtschaftssystem, meint der<br />
Ökonom Paul Calleo, »es wurde weniger auf Regulierung und mehr auf <strong>Mac</strong>ht gesetzt«. Da eine<br />
»vernünftige Kontrolle des nationalen Wirtschaftslebens« nicht mehr in ausreichendem Maß<br />
vorhanden war, eröffneten sich internationalen Konzernen und Banken große Gewinnmöglichkeiten,<br />
<strong>zum</strong>al sie für den Fall, daß etwas schiefgehen sollte, auf staatliche Hilfe bauen konnten. Außerdem<br />
trugen die nach der Ölpreiskrise von 1973/74 anwachsenden Ströme von Petrodollars und die<br />
Revolution auf dem Telekommunikationssektor <strong>zum</strong> schnelleren und leichteren Kapitaltransfer bei.<br />
Umfangreiche Initiativen der Banken führten zur massiven Vergabe neuer Darlehen und Kredite und<br />
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